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Krebsprävention durch richtige Ernährung – aber Krebsdiäten gibt es nic

BERLIN (ko). Das Wechselspiel von Krebs und Ernährung beleuchteten Ärzte, Apotheker, Ernährungswissenschaftler und Diätassistenten auf dem Kongress Ernährung und Krebs im März 2001 in Berlin von verschiedenen Standpunkten. Kongresspräsident war der Gastroenterologe Prof. Dr. Herbert Lochs von der Berliner Charite.

Die Krebsentstehung ist ein viele Schritte umfassender Prozess. Den Anfang macht eine einzelne somatische Zelle. Diese veränderte Zelle vermehrt sich anders als normale Zellen durch eine erhöhte Proliferations- und/oder verminderte Apoptoserate. Es folgen weitere Mutationen in anderen Genen dieses Klons. Davon betroffen sind auch DNA-Reparaturgene. Der Prozess führt schließlich zum Vorliegen einer hoch aberranten, maligne entarteten Zellpopulation.

35% der Krebserkrankungen durch Ernährung

Es ist bekannt, dass die Krebsentstehung im wesentlichen von Umweltfaktoren abhängig ist. Nach Expertenschätzungen sollen 35 Prozent der Krebserkrankungen durch die Ernährung verursacht werden. Sie liegt damit in der gleichen Größenordnung wie die Krebsentstehung durch das Rauchen. Die exakten Krebsauslöser in der Nahrung sind häufig nicht bekannt, da sich die Erforschung der Ernährungsfaktoren als sehr komplex erwiesen hat. Das Zusammenspiel mehrerer Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel für die Krebsentstehung ist wahrscheinlicher als das einzelner Substanzen.

In Lebensmitteln kommen stark mutagene Substanzen vor. Diese können natürlichen Ursprungs sein (einige Schimmelpilze, einige Sekundärmetabolite von Pflanzen) oder bei der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen (Nitrosamine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, heterozyklische Amine). Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Lebensmittelzusatzstoffe haben als Mutagene dagegen keine Bedeutung. Die genannten Mutagene müssen zur Wirkungsentfaltung im Wirkorganismus metabolisiert werden. Diese aktiven Metabolite sind chemisch hoch reaktiv und binden kovalent an die DNA, so dass so genannte DNA-Addukte entstehen. Diese können nachgewiesen werden und in einigen Fällen sogar den verursachenden Substanzen zugeordnet werden. Die DNA wird bei der Replikation falsch gelesen. Dadurch entstehen falsche Sequenzen, also Mutationen. Auch der Ort und die Art der Basensequenz-Änderung im Tumor kann Rückschlüsse auf das verursachende Mutagen erlauben.

Schädigende Produkte im endogenen Metabolismus

Reaktive, die DNA schädigende Zwischenprodukte können nicht nur bei der Biotransformation körperfremder Stoffe auftreten. Auch im endogenen Metabolismus, z. B. den verschiedenen Formen des oxidativen Stresses, kann dies geschehen. Neben der Bildung reaktiver Moleküle sind die metabolische Detoxifizierung, die DNA-Reparatur und die gezielte Apoptose von Zellen mit DNA-Schäden wichtige Prozesse für die Mutagenese. Viele dieser Prozesse werden durch die Ernährung beeinflusst. So werden sowohl durch einige Naturstoffe als auch durch synthetische Substanzen beim Menschen und bei der Ratte Enzyme induziert, die die aktiven Metabolite des Schimmelpilzes sehr effektiv detoxifizieren können.

Eine starke Verminderung Aflatoxin-induzierter DNA-Schäden lässt sich beim Menschen nachweisen. Die Expansion präneoplastischer und neoplastischer Zellpopulationen wird auch durch das physiologische Milieu im Körper bzw. dem Gewebe beeinflusst. In Nahrungsmitteln kommen Substanzen vor, die sich sowohl positiv als auch negativ auf die Selektion und das Überleben von Zellpopulationen auswirken. Sie sind allerdings vom Gewebe und dem Stadium der Entartung abhängig. Die gezielte Nutzung dieser Erkenntnisse zur Krebsprävention erscheint verheißungsvoll, sie erfordert aber noch erhebliche Forschungsarbeit.

Insgesamt zeigt die experimentelle Forschung, dass die Ernährung die Krebsentstehung über zahlreiche Mechanismen beeinflussen kann. Daher ist die Gewichtung dieser Faktoren ebenso schwierig wie die Optimierung der Ernährung. Substanzen mit mutagenem Potenzial kommen in fast allen Lebensmitteln vor; deren Gehalt ist in der Regel allerdings gering. Die absolute Vermeidung ist daher nicht möglich.

Ernährung des onkologischen Patienten

Der Ernährung des onkologischen Patienten wird in der Klinik häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, da es einfacher ist, Arzneimittel zu applizieren als den Patienten hinsichtlich seiner Ernährung krankheitsspezifisch zu beraten. Eine Ernährungsmedizin ist nur im Team von Arzt, Pflege, Diätassistenten und Apothekern möglich. Im Mittelpunkt aller Bemühungen muss der Patient stehen, so Prof. Dr. Karl-Walter Jauch, Regensburg, während des Kongresses.

Patient muss im Mittelpunkt stehen

Die Diagnose Krebs ist für einen Menschen nicht nur eine körperliche Belastung. Ebenso stark wirkt sie sich auf das Leben und Erleben des Patienten aus. Zu dem Krankheitsgefühl tritt die Frage, weshalb jemand an Krebs erkrankt ist und weshalb es gerade ihn getroffen hat. Die gesamte Lebensplanung wird plötzlich aus der Bahn geworfen. Der Patient und seine Umgebung müssen lernen, mit dem durch Erkrankung ausgelösten Stress umzugehen. Plötzlich ist das Geschmacksempfinden des Patienten verändert, es treten Übelkeit und Erbrechen auf. In dieser Situation fühlt sich der Patient oft von seinem Arzt allein gelassen, denn der Arzt gibt häufig kaum Informationen zur Ernährung des Erkrankten. Daher forderte Hannelore Dröge, Caritasverband Hannover, dass das Essen dem Patienten Spaß machen und nicht zu einer zusätzlichen Belastung werden soll. Wie schwierig dies ist, zeigten die Kommentare einiger Patienten während eines Patientenseminars im Rahmen des Kongresses. Sie wiesen darauf hin, dass ihre Ärzte ihnen kaum Hinweise zur Ernährung gegeben haben und von der Industrie angebotene Ergänzungsnahrung fast nie zu Lasten der Krankenkasse verordnet worden ist.

Dr. Wolfgang Kühn, niedergelassener Onkologe aus Berlin, wies darauf hin, dass der onkologische Patienten ein Recht darauf hat, von seinem Arzt diese Präparate zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet zu bekommen. Er machte auch darauf aufmerksam, wie wichtig die Auswahl unter verschiedenen Präparaten für den Patienten mit verschiedenen Geschmacksrichtungen ist. Die so genannten Tetrapacks sollten dem Patienten nicht als größerer Vorrat hingestellt werden. Vielmehr sollten sie im Kühlschrank gelagert werden, denn gekühlt schmecken alle Präparate besser.

"Zum Essen verführen"

Kühn verdeutlichte, dass bereits eine 10%-ige Reduktion des Körpergewichts die Körperfunktion massiv beeinflusst. Es ist daher wichtig, den Patienten von Anfang an ausreichend zu ernähren. Ziel muss es sein, den Patienten so lange wie möglich enteral zu ernähren. Dazu sind einige Grundregeln zu beachten. So muss das Essen optimal schmecken, d. h., appetitlich, geruchsarm und nur mild gewürzt angeboten werden. Der Patient muss selbst entscheiden können, wann er essen will und kann, so dass es keine regelmäßigen Essenszeiten für ihn gibt. Ferner erhält er seine Wunschkost, und von seiner Lieblingsspeise sollte immer ein kleiner Vorrat im Kühlschrank lagern. Der Patient muss zum Essen verführt werden und darf dabei auch fernsehen und Radio hören. Leider mussten die anwesenden Krankenhausärzte eingestehen, dass die Ausbildung in Ernährungsfragen bei den Ärzten gleich Null ist, und auch bei der Pflege ist hier kein optimales Wissen vorhanden. Die Forderung lautete daher, die Fortbildungsanstrengungen in diesem Spezialgebiet erheblich zu verstärken.

Stationäre und ambulante Ernährung verzahnen

Der onkologische Patient wird nach Aussagen von Roland Radziwill, Leitender Apotheker im Klinikum Fulda, in der dortigen Klinik häufig mit einer PEG-Sonde versorgt. Durch diese erfolgt seine enterale Ernährung optimal. Nachdem aber festgestellt wurde, dass der Patient nach seiner Entlassung in den ambulanten Bereich nur noch suboptimal versorgt worden ist, wurde ein Ernährungsteam im Klinikum Fulda gebildet. Dieses besteht aus zwei Krankenschwestern, einer Oberärztin der Abteilung für Gastroenterologie und zwei Apothekern.

Ziel dieser Maßnahme ist die bessere Verzahnung zwischen der stationären und der ambulanten Versorgung der Patienten mit ihrer enteralen Ernährung. Zu diesem Zweck wurde das Personal im Klinikum informiert und geschult. Es wurde ein Pflegestandard für die enterale Ernährung von Patienten mit einer PEG-Sonde erstellt und umgesetzt. Die Patienten und deren Angehörige werden über die mit dieser speziellen Ernährungsform erforderlichen Informationen versorgt. Der Patient kann entscheiden, ob er zu Hause die notwendigen Schritte zur Ernährung selbst bewältigen will oder ob er Hilfe durch das Ernährungsteam des Klinikums in Anspruch nehmen will. Wöchentlich wird eine Informationsstunde für die Patienten und deren Angehörige angeboten.

Darüber hinaus besteht ein 24-stündiger telefonischer Dienst, um bei der Behebung aktueller Schwierigkeiten behilflich zu sein. Der betreuende niedergelassene Arzt wird in die gesamten Maßnahmen eingebunden. Er wird vor der Entlassung des Patienten informiert, wird über die Besonderheiten einer PEG-Sonde aufgeklärt und erhält sowohl den Ernährungs- als auch den Medikationsplan. Die enterale Ernährung und die dafür erforderlichen Materialien werden vom Krankenhaus geliefert. Der seit etwa einem Jahr angebotene Dienst stößt sowohl bei den Patienten als auch deren Ärzten auf große Akzeptanz.

Krebsdiäten - sinnvoll oder gefährlich?

Bei malignen Tumoren fehlt es häufig an wirksamen Therapieverfahren. Daher werden oft wissenschaftlich nicht gesicherte bzw. auch nachweislich unwirksame Therapien durchgeführt. Erhebungen zeigen, dass bei Tumorpatienten in über 40 % der Fälle paramedizinische Verfahren angewendet werden. Dazu gehören laut Heinrich Kasper, Universität Würzburg, insbesondere spezielle "Tumordiäten", hochdosierte Gaben von Vitaminen und Spurenelementen sowie Gamma-Linolensäure in unterschiedlichen Dosierungen. Die Durchführung derartiger Therapien beruht auf unterschiedlichen Vorstellungen, die heute teilweise widerlegt worden sind - beispielsweise die Vorstellung Warburgs über die Entstehung maligner Tumoren durch die irreversible Schädigung der Zellatmung - bis hin zu der auf den Gedanken des Zen-Buddhismus basierenden Makrobiotik oder Anthroposophie.

Nach einer Umfrage in verschiedenen Schweizer Krankenhäusern bei ambulanten AIDS- und Tumorpatienten sollte herausgefunden werden, welche Ernährungsformen bevorzugt verwendet werden. Danach, so Reinhard Imoberdorf, Kantonsspital Winterthur, hatten lediglich 16 % der Tumorpatienten konsequent eine bestimmte Diätform eingehalten. Die Mehrzahl der Befragten versuchte dagegen, die Ernährung nach den heutigen modernen Ernährungsprinzipien einzustellen.

Viele der insbesondere in der Laienpresse propagierten Tumordiäten, wie z. B. das Heilfasten nach Buchinger, Rohkost-Diäten nach Burger bzw. Saft- und eiweißarme Kuren nach Breuss gehören zu den paramedizinischen Diätformen. Bei einigen Diäten ist allerdings mit schädlichen bis lebensbedrohlichen Nebenwirkungen zu rechnen. Bei der vegetarischen, vollwertigen Kostform nach Gerson wird eine strenge vegetarische Diät mit einer so genannten Entgiftung des Körpers kombiniert. Dazu werden täglich Einläufe mit Kaffee und Rizinusöl durchgeführt. Ferner sollen hochdosiert Kalium, Leberextrakt, Schilddrüsenpräparate, Jod, Vitamin B 12 und Acidol-Pepsin zugeführt werden. Ausdrücklich gewarnt wird vor der Zufuhr von Eiweiß, Zucker und Salz. Auch vor der Fastenkur nach Breuss wird ausdrücklich gewarnt. Die alleinige Zufuhr von Gemüsesäften und Kräutertees während 42 Tagen führt zu erheblicher Mangelernährung und damit zu einer Gefährdung des Patienten.

Kastentext: Empfehlungen zur Krebsprävention

Ein pragmatischer Umgang mit potenziellen Schutzfaktoren empfiehlt sich ebenfalls. Eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen ist wichtig. Die Wirkung von "Krebsschutzsubstanzen" ist limitiert und häufig von der gewählten Dosis abhängig. Ein zuviel an diesen Substanzen führt häufig zu einer Umkehrung der Wirkung. Derzeit weitgehend gesicherte Empfehlungen lauten:

  • Vermeidung von Übergewicht
  • körperliche Aktivitäten
  • bevorzugter Verzehr von Gemüse und Obst (5-am-Tag-Regel)
  • Brot, Reis, Kartoffeln und Teigwaren regelmäßig essen
  • Limitierung des Alkoholkonsums
  • Reduktion des Verzehrs von "rotem" Fleisch
  • Reduktion der Salzaufnahme
  • Supplemente sind vermutlich überflüssig.

Bei Einhaltung einer den Empfehlungen entsprechenden Lebensweise wird das Potenzial zur Vermeidung einer Krebserkrankung auf etwa 30 Prozent geschätzt. Sowohl eine mediterrane Kost als auch eine lakto-ovo-vegetarische Ernährung kommen den Ernährungsempfehlungen sehr nahe.

Die exakten Krebsauslöser in der Nahrung sind häufig nicht bekannt, da sich die Erforschung der Ernährungsfaktoren als sehr komplex erwiesen hat. Das Zusammenspiel mehrerer Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel für die Krebsentstehung ist wahrscheinlicher als das einzelner Substanzen.

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