Wirtschaft

P. DitzelWirtschaftsbericht Apotheken 2000 – U

Den bundesdeutschen Apotheken erging es im Jahr 2000 nicht wesentlich besser als im Jahr zuvor, aber auch nicht wesentlich schlechter. Mit einer Umsatzrendite von 0,9 Prozent liegt das betriebswirtschaftliche Ergebnis für das Jahr 2000 um 0,1 Prozentpunkte über dem des Vorjahres. Insgesamt, so konnte Dr. Frank Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände - ABDA auf dem Informationsgespräch mit wirtschafts- und sozialpolitischen Journalisten am 7./8. Mai 2001 in Berlin zeigen, ist die Apotheke, der Arzneimittelvertrieb über die Apotheke, kein Preistreiber in der gesetzlichen Krankenversicherung. In seinem Wirtschaftsbericht ging Diener außerdem auf den Arbeitsmarkt, Mengen- und Preiskomponenten sowie auf die Beziehung zum größten Marktpartner der Apotheken, die gesetzlichen Krankenkassen, ein.

Apothekenzuwachs stagniert, aber mehr Arbeitsplätze

Die vorliegenden Zahlen beweisen es: Die Apotheken stellen kontinuierlich zusätzliches Personal ein. Im Jahr 2000 wurden fast 1600 Arbeitsplätze in Apotheken neu geschaffen. Damit sind insgesamt über 136 000 Menschen in öffentlichen Apotheken beschäftigt. Wie Diener bei einem Vergleich mit den von der "Wirtschaftswoche" veröffentlichten Top 100 der Liste der größten Arbeitsplatzschaffer Deutschlands anmerkte, gab es im vergangenen Jahr nur elf Unternehmen in Deutschland, die mehr Arbeitsplätze als die Apotheken bereitgestellt haben. Die Apothekenzahl hat sich dagegen per Saldo nur noch um zwei erhöht. Die bestehenden Apotheken haben also neue Arbeitsplätze geschaffen. Und es gibt weiteren Personalbedarf, nach wie vor sind zahlreiche Stellen in Apotheken unbesetzt. Vor diesem Hintergrund hat die ABDA den diesjährigen Tag der Apotheke am 21. Juni unter das Thema "Berufschance Gesundheit" gestellt, und auf Kammerebene laufen Programme an, die den Wiedereinstieg von Frauen nach der "Kinderpause" in den Berufsalltag erleichtern sollen.

Weniger Verordnungen, mehr Selbstmedikation

Der Trend der letzten Jahre setzte sich in 2000 fort: Die Ärzte verordneten weniger, die Selbstmedikation stieg leicht. 10 Mio. Packungseinheiten haben die Ärzte für GKV- und PKV-Patienten im vergangenen Jahr weniger verordnet, somit gingen nur 960 Mio. Packungseinheiten über den HV-Tisch. Die Zahl der Arzneimittelpackungen, die rezeptfrei in Apotheken abgegeben wurden (Selbstmedikation), stieg dagegen im vergangenen Jahr um 10 Mio. auf 600 Mio. Einheiten. Mittlerweile beträgt die Selbstmedikation fast 40 Prozent aller Medikationsvorgänge, so Diener.

Ein Blick in die Europäische Union: Der Pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch variiert zwischen 12 und 49 Packungen, Deutschland liegt mit 19 Packungen im Mittelfeld (zwölf auf ärztliche Verordnung, sieben entfallen auf die Selbstmedikation). Bei der Mengenstruktur der Arzneimittelabgaben hat sich im Jahr 2000 im Vergleich zum Vorjahr wenig geändert. Von den 1560 Mio. Packungen macht der Verordnungsmarkt 62 Prozent der Menge aus, die Selbstmedikation erreicht zusammengenommen 38 Prozent der Packungen.

Als "moderat" bezeichnete Diener die Preisentwicklung bei Arzneimitteln. Geht man vom Preisniveau des Jahres 1992 mit dem Indexwert 100 aus, so erreichte das Jahr 2000 einen Wert von 96,2. Gegenüber dem Vorjahr (95,4) ist das eine Zunahme um 0,8 Indexpunkte. Die Preiskomponente in der Arzneimittelversorgung verläuft demnach unterdurchschnittlich im Vergleich zu den gesamten Lebenshaltungskosten, die von 113,4 auf 115,6 Indexpunkte gestiegen sind.

Diener führt die moderate Preisentwicklung unter anderem auf die Wirksamkeit des Steuerungselementes Arzneimittelfestbeträge zurück, mit dem nach Schätzungen der Krankenkassen jährlich etwa 4 Mrd. DM Ausgaben eingespart werden. Die Apotheken sind an diesen Ein-sparungen entsprechend ihres Wertschöpfungsanteils mit 20 Prozent, also 800 Mio. DM, beteiligt.

Umsatz und betriebswirtschaftliche Ergebnisse

Auf 52,6 Mrd. DM belaufen sich die Gesamtumsätze der Apotheken, sie sind damit im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gestiegen. Zu den Gesamtumsätzen werden alle Arzneiverordnungen für GKV und PKV gerechnet, die Umsätze aus der Selbstmedikation, mit Hilfsmitteln sowie mit Produkten aus dem apothekenüblichen Ergänzungssortiment.

Wenig Veränderungen zeigen sich bei der Betrachtung der Struktur des Gesamtumsatzes. Eindeutig dominiert hier der Verordnungsmarkt mit 79 Prozent, der sich zusammensetzt aus 67 Prozent Verordnung rezeptpflichtiger und 12 Prozent auf die Verordnung apothekenpflichtiger rezeptfreier Arzneimittel. Der restliche OTC-Bereich von insgesamt 21 Prozent des Umsatzes setzt sich zusammen aus der Selbstmedikation mit apothekenpflichtigen rezeptfreien Arzneimitteln (13 Prozent) und mit freiverkäuflichen Arzneimitteln (1,5 Prozent), außerdem aus 3,5 Prozent Medicalprodukten und 3 Prozent Ergänzungssortiment.

Weiter gesunken ist die Handelsspanne (Differenz zwischen Verkaufs- und Einstandspreisen bezogen auf den Bruttoumsatz) im Jahr 2000: Sie beträgt jetzt nur noch 27,1 Prozent. Abzüglich der Gesamtkosten von 26,2 Prozent ergibt sich hieraus für das Jahr 2000 eine Umsatzrendite von 0,9 Prozent. Diener erinnerte daran, dass die Umsatzrendite im Jahr 1992 doppelt so groß war. Immerhin ist sie zwar nicht wie in den Jahren 93 und 94 negativ, aber nach wie vor auf einem unbefriedigenden Niveau.

Die "typische Apotheke"

Die "typische" Apotheke, also die Apotheke, deren Umsatzgrößenklasse am häufigsten vorkommt, lag im Jahr 2000 in der Klasse von 1,5 bis 2 Mio. DM (ohne MwSt.). Anhand dieser "typischen" Apotheke lässt sich die betriebswirtschaftliche Situation für eine große Zahl der Apotheken sinnvoll darstellen, so Diener. So erzielte diese Apotheke im vergangenen Jahr einen Bruttoumsatz von 1 960 000 DM. Nach Abzug der MwSt. von 270 000 DM ergibt sich ein Nettoumsatz von 1 690 000 DM. Vermindert um den Wareneinsatz in Höhe von 1 159 000 DM ergibt sich hieraus ein Rohertrag für diese typische Apotheke von 531 000 DM. Von diesem Rohertrag sind Personalkosten (204 000 DM) und sonstige Kosten (186 000 DM) abzuziehen, um auf das zu versteuernde Einkommen zu gelangen, das für die typische Apotheke im Jahr 2000 bei 141 000 DM lag.

Damit hat, wie Diener zeigte, das zu versteuernde Einkommen des Apothekenleiters einer typischen Apotheke erstmals wieder den Wert des Jahres 1992 erreicht. Von diesem zu versteuernden Einkommen muss der Leiter seine Absicherung für den Krankheitsfall, die Berufsunfähigkeit, die Altersvorsorge selbst finanzieren, und er trägt das volle wirtschaftliche Haftungsrisiko für die Apotheke. Außerdem ist dieses zu versteuernde Einkommen Entgelt für das eingesetzte Eigenkapital und die Arbeitszeit des Apothekenleiters. Vor diesem Hintergrund, so Diener, kann ein zu versteuerndes Einkommen in dieser Größenordnung nicht als überzogen bezeichnet werden.

Wertschöpfungsanteil der Apotheke nahm ab

Den größten Umsatz tätigt die Apotheke mit den gesetzlichen Krankenkassen. Vom Gesamtumsatz der Apotheke von 52,6 Mrd. DM (ohne MwSt.) entfallen 68 Prozent auf die GKV; 55 Prozent aller Packungen, das sind knapp 860 Mio. verordnete Arzneimittel, werden an die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen ausgehändigt.

Betrachtet man die Wertschöpfungsanteil im GKV-Markt, zeigt sich, dass sie sich auch im Jahr 2000 zugunsten der Industrie und zulasten der Vertriebsstufen verschoben haben. Während der Vertriebsanteil (Großhandel und Apotheke) im Jahr 1978 noch bei 37,9 Prozent lag, betrug er im vergangenen Jahr nur noch 28,5 Prozent. Der Wertschöpfungsanteil der Apotheken selbst lag im Jahr 2000 dabei nur noch bei 20 Prozent, 0,3 Prozentpunkte niedriger als im Jahr zuvor.

Zusammen mit dem Großhandelsanteil von 8,5 Prozent ergeben sich somit im Jahr 2000 als Gesamtvertriebskosten in der GKV-Versorgung 28,5 Prozent. Der Industrieanteil von 57,7 Prozent zusammen mit der MwSt. von 13,8 Prozent addiert sich zu einem "Nicht-Vertriebskostenanteil" von 71,5 Prozent. Diener legte dabei Wert auf die Feststellung, dass in den Medien gerne der Eindruck vermittelt wird, die Apotheken würden sich den Großteil der Arzneimittelausgaben einverleiben. Dies ist, so Diener deutlich, mitnichten durch Fakten gedeckt.

In diesem Zusammenhang hob der Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales der ABDA auch hervor, dass die Arzneimittelpreisverordnung ein eingebauter Stabilisator in der Arzneimittelversorgung ist. Diener wörtlich: "Wer die Arzneimittelpreisverordnung und damit den einheitlichen Apothekenabgabepreis zur Disposition stellt, spielt mit hohem Einsatz."

Wertschöpfung nach Preissegmenten

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung der Wertschöpfungsanteile nach Preissegmenten. Während der Mehrwertsteueranteil des Staates mit 13,8 Prozent in allen Preissegmenten (Apothekenverkaufspreise nach Kassenabschlag) konstant bleibt, steigt der Industrieanteil von 47,8 Prozent im untersten Segment (bei Arzneimitteln von 0 bis 26 DM) auf 67,5 Prozent im oberen Preissegment (Arzneimittel über 1600 DM), in dem hoch innovative Arzneimittel angesiedelt sind. Der Großhandelsanteil fällt dagegen von 9,1 Prozent auf 7,2 Prozent und der Apothekenanteil von 29,3 Prozent auf 11,5 Prozent. Daran erkennt man deutlich: Mit steigendem Preis steigen die Nichtvertriebskosten und fällt der Vertriebskostenanteil.

Zuzahlungen der Versicherten

Die GKV-Versicherten haben im Jahr 2000 nur noch 3,8 Mrd. DM an Arzneikostenzuzahlungen geleistet. Noch ein Jahr zuvor beliefen sie sich auf 4,2 Mrd. DM. Der Patientenanteil in der GKV-Arzneimittelversorgung ist damit auf 10 Prozent gesunken. Als Ursache macht Diener die zunehmende Zahl der zuzahlungsbefreiten Rezepte aus. So waren im vergangenen Jahr fast 50 Prozent aller Rezepte zuzahlungsfrei! Die erhöhte Befreiungsquote belastet die GKV jährlich mit 1,5 Mrd. DM an Mehrausgaben gegenüber 1996, wo der Anteil der zuzahlungsbefreiten Rezepte lediglich 30 Prozent betrug.

Nach Ansicht von Diener besteht hier Handlungsbedarf, denn von sozialpolitisch sinnvollen Befreiungsregelungen kann nicht mehr die Rede sein, wenn jedes zweite der über 500 Mio. Rezeptblätter von der Zuzahlung freigestellt wird.

37,8 Mrd. GKV-Ausgaben für Arzneimittel

Im Jahr 2000 betrug der Krankenkassenanteil an den GKV-Verordnungen 37,8 Mrd. DM, ein Zuwachs von 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wobei davon 1 Prozentpunkt auf die geringere Patientenzuzahlung zurückzuführen ist. Zwar wachsen die deutschen Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen im Jahresdurchschnitt um 2 Prozent, doch im Vergleich zur Entwicklung der Gesamtausgaben der GKV ist das Wachstum als unterdurchschnittlich zu bewerten. Das Wachstum liegt, wie ein Blick in andere Länder zeigt, deutlich unterhalb des internationalen Trends von 11 Prozent.

Hochinteressant ist die Betrachtung des in den GKV-Arzneimittelgesamtausgaben enthaltenen Apothekenrohertrags. Von den 37,8 Mrd. Arzneimittelgesamtausgaben in der GKV entfallen 7,55 Mrd. auf den Apothekenrohertrag. Diese "Benutzungskosten für den Vertriebsweg öffentliche Apotheke" haben sich dabei in den 90er-Jahren nur geringfügig verändert. 1992 beispielsweise mussten die Krankenkassen dafür 7,36 Mrd. DM aufwenden, im Jahr 1999 waren es 7,34 Mrd. DM. Die Steigerung auf 7,55 Mrd. DM im Jahr 2000 kann als geringfügig bezeichnet werden. Dies sollten, so Diener deutlich, alle diejenigen beachten, die alternativen Distributionswegen in der Arzneimittelversorgung das Wort reden. Denn harte Daten und Fakten, die die Vorteilhaftigkeit eines Systemwechsels belegen, fehlen.

Dass nicht die Benutzung des Vertriebsweges Apotheke das Kernproblem in der Arzneimittelversorgung sein kann, zeigt auch eine Betrachtung des Apothekenrohertrags in der GKV-Durchschnittpackung. Während im Jahr 1992 eine Durchschnitts-packung 31,52 DM kostete und hierin ein Apothekenrohertrag von 7,53 DM enthalten war, so kostete die GKV-Durchschnittspackung im vergangenen Jahr 50,61 DM, allerdings waren hierin nur 9,53 DM Apothekenrohertrag enthalten. Dies zeigt, dass der Packungspreis mehr als doppelt so stark wie der Apothekenrohertrag gewachsen ist. Solche Zahlen sollten vor allem Politiker, die auch über alternative Vertriebswege nachdenken, prüfen und überlegen, ob Alternativen tatsächlich geringere Benutzungskosten als die öffentliche Apotheke mit sich bringen. Dabei ist zu berücksichtigen, so Diener, dass für "Großkunden" wie die gesetzliche Krankenversicherung mit einem Volumen von 860 Mio. Packungen nicht die Einzelpreise, sondern die Durchschnittspreise relevant sind. Es ist leicht, z. B. vom Versandhandel Rosinenpickerei bei 10 Prozent der Packungsmengen zu betreiben - dann allerdings, so Diener, muss man wissen, dass die restlichen 90 Prozent der Packungsmenge von den Apotheken nicht zu unveränderten Konditionen bewerkstelligt werden können, "Leistung ist nicht zum Nulltarif zu haben".

Amerika als Vorbild für Apotheken und Arzneimittelwesen erteilte Diener eine Absage. Wer die USA als richtungsweisend für die zukünftige Arzneimittelversorgung bezeichnet, sollte sich die Daten anschauen: Seit 1992 sind die Gesamtarzneimittelausgaben in Deutschland um 25 Prozent von 40 auf 50 Mrd. DM angestiegen, in den USA sind die Ausgaben in der gleichen Zeit um 109 Prozent von 143 auf umgerechnet 299 Mrd. DM angestiegen. Jeder, der Amerika zum Vorbild in diesem Segment nehmen möchte, sollte sich die Frage stellen, ob man amerikanische Ergebnisse vermeiden kann, wenn man den amerikanischen Weg einschlägt.

Den bundesdeutschen Apotheken erging es im Jahr 2000 nicht wesentlich besser als im Jahr zuvor, aber auch nicht wesentlich schlechter. Mit einer Umsatzrendite von 0,9 Prozent lag das betriebswirtschaftliche Ergebnis um 0,1 Prozentpunkte über dem von 1999. Die von der ABDA vorgestellten Daten zeigen auch, dass die Apotheke kein Preistreiber in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.

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