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Drogenpolitik: Zahl der Drogentodesfälle wieder gestiegen

BERLIN (br/diz). Die Zahl der Drogentodesfälle ist im Jahr 2000 im Vergleich zum Vorjahr um 211 (+ 11,6 %) gestiegen. Diese Zahl nannte die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk auf einer Veranstaltung des Instituts für Therapieforschung (22./23. Februar) in Belin. Nach Angaben von Wissenschaftlern und Praktikern sei der zunehmende Mischkonsum, insbesondere von Alkohol, Beruhigungsmitteln, aber auch von Methadon vom Schwarzmarkt, eine wichtige Ursache. Wie die Drogenbeauftragte ergänzte, dürfe man angesichts dieser Zahl nicht vergessen, dass im selben Zeitraum über 40 000 Menschen an alkoholbedingten Krankheiten und etwa 100 000 an den Folgen des Rauchens sterben.

Rund 80 % der Todesfälle gehen auf das Konto von Überdosierungen, wobei anzumerken ist, dass es keine absolute toxische Dosis gibt, sondern Todesfälle z. B. nach vorübergehender Abstinenz auftreten aufgrund einer reduzierten Toleranz. Ein weiterer Risikofaktor ist die gleichzeitige Einnahme mehrerer Substanzen (Mischintoxikation). Eine große Rolle spielen hierbei Benzodiazepine, Alkohol, Kokain, zunehmend aber auch Methadon. So ist der Anteil von drogenbedingten Todesfällen, bei denen auch Methadon gefunden wurde, angestiegen, der Anteil liegt bundesweit bei rund 20 %. Als zunehmend wichtiger Faktor wird hier eine möglicherweise unzureichende bzw. unqualifizierte Methadonbehandlung bzw. eine "Selbstmedikation" mit Methadon aus dem "grauen Markt" gesehen, wobei Methadon vermutlich aus Take-Home-Dosen abgezweigt und verkauft wird. Dennoch, so zeigen die Untersuchungen, weisen Substituierte gegenüber Nicht-Substituierten ein deutlich reduziertes Sterberisiko auf. Als problematisch gilt auch der wechselnde Reinheitsgehalt der Substanzen. Und rund 8 bis 10 % der Todesfälle sind Todesfälle in suizidaler Absicht, etwa aus Verzweiflung oder wegen privaten schlechten Umständen. Die Mehrzahl der Todesfälle, nämlich zwischen 70 und 80 %, ereignen sich im privaten Raum, also in der eigenen Wohnung oder in der von Bekannten aus der Drogenszene, und nicht, wie öffentlich oft angenommen, so Frau Caspers-Merk, "im sprichwörtlichen Bahnhofsklo. Bei den Drogentoten handele es sich vorwiegend um langjährige Konsumenten, sie befinden sich meist in der Altersstufe zwischen 35 und 40 Jahren. Auch über mögliche Maßnahmen zur Reduzierung der Todesfälle wurde in Berlin diskutiert: - Qualifizierung der Mitarbeiter von Einrichtungen der Drogenhilfe - Erprobung der Naloxon (Narcanti)-Gabe an erfahrene Drogenkonsumenten - Verkürzung der Wartezeiten für einen Therapieplatz - Qualifizierte Substitutionsbehandlungen mit guter psychosozialer Betreuung - bessere Aufklärung, insbesondere junger Aussiedler über riskante Konsumformen. Auffällig sei, dass in den Städten, in denen auch Drogenkonsumräume angeboten werden, die Mortalitätsrate unter Drogenkonsumenten gegen den Bundestrend entweder weiter zurückgegangen sei bzw. sich auf niedrigem Niveau stabilisiert habe. Alles in allem gebe es, so die Drogenbeauftragte Caspers-Merk, keine einfachen Wege, um Drogentodesfälle zu reduzieren, aber die Bundesregierung werde ihre Bemühungen verstärken, um diese Entwicklung zu ändern.

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