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Drogen- und Suchtpolitik: Heroinprojekt beginnt

BERLIN (bmg/diz). Die Städte Hamburg, Hannover, Köln, Bonn, Frankfurt/Main, Karlsruhe und München haben eine Rahmenvereinbarung mit dem Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit unterzeichnet, wonach im Rahmen eines Modellprojekts Heroin an Schwerstdrogenabhängige verschrieben werden kann. Wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, auf der Jahrespressekonferenz am 18. Dezember 2001 in Berlin erklärte, sei dies auch eine Chance, die Drogentodesfälle zu reduzieren.

"Drogenpolitik geht uns alle an. Ob wir von Heroin, Cannabis, Nikotin oder Alkohol sprechen - wer süchtig ist, ist krank und hat Anspruch auf unsere Hilfe. Wer jedoch illegale Suchtmittel verbreitet, muss mit der Repression des Staates rechnen. Seit meinem Amtsantritt im Frühjahr diesen Jahres setze ich mich mit ganzer Kraft dafür ein, dass die Chancen für Suchtkranke auf Heilung steigen. Es gilt bei jedem einzelnen den Teufelskreis zu durchbrechen, " so Caspers-Merk.

Nach dem starken Anstieg im vergangenen Jahr ist die Zahl der Drogentoten nach den jetzt vorliegenden Zahlen im Jahr 2001 wieder leicht gesunken. In den ersten elf Monaten diesen Jahres starben in Deutschland 1552 Menschen am Drogenkonsum, im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum 1684 Menschen. Mit diesem Rückgang von 7,8% habe man die Anzahl der Drogentodesfälle in Deutschland stabilisiert.

Das bundesdeutsche Modellprojekt sieht vor, dass im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie Schwerstabhängige versuchsweise injizierbares Heroin als Medikament bekommen. Zielgruppe der Untersuchung sind Drogenabhängige, bei denen in der Vergangenheit keine Therapien erfolgreich waren. Ziel ist der langfristige Ausstieg aus der Sucht und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Die am Modellprojekt beteiligten Städte und Bundesländer haben mittlerweile alle die Rahmenvereinbarung mit dem Bundesministerium für Gesundheit unterzeichnet, die letzte Unterschrift erfolgte am 5. Dezember 2001 durch Hannover, so dass die Umsetzung des Projektes beginnen kann. Es werden sich Hamburg, Hannover, Köln, Bonn, Frankfurt/Main, Karlsruhe und München mit insgesamt 1120 Opiatabhängigen beteiligen, wobei 560 Patientinnen und Patienten Heroin verschrieben bekommen und die gleiche Anzahl einer Kontrollgruppe Methadon erhält. Zusätzlich wird der Einfluss psychosozialer Hilfen erforscht (nähere Informationen siehe www.Heroinstudie.de).

Prävention muss rechtzeitig beginnen

Jeder vierte Jugendliche, der in Europa im Alter unter 25 Jahren stirbt, ist Opfer eines alkoholbedingten Verkehrsunfalls. Bei jedem fünften Patienten im Krankenhaus und bei jedem zehnten Patienten, der einen niedergelassenen Arzt aufsucht, liegen Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vor. Immer noch werde der Alkoholmissbrauch in unserer Gesellschaft bagatellisiert. Trotz des gut ausgebauten Suchtkrankenhilfesystems in Deutschland gebe es Lücken, wie die Drogenbeauftragte ausführte: Gerade Alkoholkranke kämen viel zu spät in die Behandlung, jugendliche Alkoholgefährdete würden durch die bestehenden Hilfen kaum erreicht. Der Prävention kommt die zentrale Bedeutung bei der Reduzierung von Sucht- und Drogenproblemen zu, so Caspers-Merk. Um Jugendliche mit riskanten Konsummustern zu erreichen, startete im Sommer 2001 das Internetprojekt www.drugcom.de. Es soll speziell junge Menschen ansprechen, die bereits Drogenerfahrungen haben - zumeist mit Cannabis und Ecstasy.

Prävention und Gemeindearbeit müssten Hand in Hand gehen. Als ein zentrales Projekt zur Verbesserung der Prävention sehe man daher den am 8. Oktober 2001 gestarteten Wettbewerb: "Vorbildliche Strategien der Kommunalen Suchtprävention". Mit diesem Wettbewerb sollen Ideen der kommunalen Suchtprävention ausgelobt und gefördert werden. Bis zum 18. Dezember 2001 hätten sich bereits annähernd 200 Städte/Kreise/Gemeinden beworben, angemeldet oder angefragt (weitere Informationen unter www.Kommunale-Suchtpraevention.de). Bewerbungsschluss ist der 14. Januar 2002.

Gerade die Zunahme von jugendlichen Rauchern, insbesondere von jungen Mädchen, gebe Anlass zur Besorgnis. Neben verschiedenen Maßnahmen zur Prävention werden deshalb auch schon seit längerem Gespräche mit der Tabakindustrie geführt, um ihre Verantwortung im Bereich des Jugendschutzes zu verdeutlichen.

Das Ziel für 2002: "Aktionsplan Drogen und Sucht"

Der 1990 verabschiedete "nationale Rauschgiftbekämpfungsplan" entspricht nach Angaben der Drogenbeauftragten nicht mehr den aktuellen Erkenntnissen der Forschung und Praxis der Suchtkrankenhilfe und ist auch zu stark auf illegale Drogen ausgerichtet. Er sei veraltet. Deshalb werde sie im Frühjahr 2002 ein mit den verschiedenen Bundesministerien abgestimmtes "Eckpunktepapier für einen Aktionsplan Drogen und Sucht" vorlegen, das dann mit den Ländern und Verbänden abgestimmt werden solle. Folgende Eckpunkte müssten berücksichtigt werden:

  • Die vier Säulen der Sucht- und Drogenpolitik müssen verankert werden: Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und Repression.
  • Die Fixierung auf die illegalen Drogen muss aufgegeben und die legalen Suchtmittel müssen einbezogen werden.
  • Die europäische Entwicklung muss ebenso mit einbezogen werden wie die globale Entwicklung eines "ausgewogenen Ansatzes" von Angebot- und Nachfragereduzierung.

Die Entwicklung des Aktionsplanes wird im Mittelpunkt meiner Tätigkeit des nächsten Jahres stehen", so Marion Caspers-Merk.

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