Arzneimittel und Therapie

Reverse-Transkriptase-Hemmstoff: Adefovir: wirksam, aber toxisch

Adefovir-Dipivoxil gehört einer neuen Substanzklasse an: den nukleotidischen Reverse-Transkriptase-(RT)-Hemmstoffen. Bei den bisherigen nukleosidischen RT-Inhibitoren, wie Lamivudin und Zidovudin, treten immer häufiger Resistenzen auf. Adefovir zeigt genau bei diesen resistenten HIV-Stämmen noch gute Wirksamkeit. Die Therapie geht jedoch mit starken Nebenwirkungen einher, allen voran steht die hohe Nephrotoxizität.

Ungefähr 20 neue Arzneistoffe gegen das HI-Virus befinden sich gegenwärtig in verschiedenen Phasen klinischer Studien. Die vielversprechendsten sind momentan die Protease-Inhibitoren der zweiten Generation, das Nukleotidanalogon PMPA (Phosphonomethoxypropyladenin) und der HIV-Fusionsinhibitor T-20 (siehe DAZ Nr. 8/2000, S. 28).

Adefovir ist ein Nukleotidanalogon

Adefovir-Dipivoxil gehört einer neuen Klasse von Reverse-Transkriptase-(RT)-Hemmstoffen an. Es ist im Gegensatz zu den bisherigen nukleosidischen RT-Inhibitoren ein Nukleotidanalogon mit einer azyklischen Monophosphatkomponente. Adefovir kann gegen eine breite Palette von Viren eingesetzt werden, insbesondere HIV-1, HIV-2, Hepatitis-B- und Herpesviren. Von großer Bedeutung ist seine In-vitro-Aktivität gegen HIV-Stämme, die bereits eine Nukleosid-Resistenz entwickelt haben. Gegen Lamivudin oder gegen Lamivudin und Zidovudin resistente Viren bleiben gegenüber Adefovir empfindlich, und die Viruslast kann mit einer einmal täglichen Gabe verringert werden.

Therapiebeschränkend sind die zum Teil sehr starken Nebenwirkungen. Allen voran steht die Nephrotoxizität, die bei einer Verabreichung über mehr als 24 Wochen häufig auftritt, nach Absetzen jedoch meist reversibel ist.

Die Viruslast konnte signifikant gesenkt werden

In einer randomisierten, doppelblinden, multizentrischen, plazebokontrollierten Studie in den USA wurde über eine Zeit von 24 Wochen die Wirksamkeit und Sicherheit von Adefovir bei zusätzlicher Gabe zur bereits bestehenden Kombinationstherapie untersucht. Von den 442 Studienteilnehmern erhielten 219 einmal täglich 120 mg Adefovir und 223 ein Plazebo.

Die Viruslast konnte signifikant gesenkt werden, die CD4+-Zellzahl dagegen stieg nicht signifikant an. Bei Patienten, die Lamivudin-resistente oder Lamivudin- und Zidovudin-resistente Viren besaßen, konnte der Krankheitsverlauf durch Adefovir im Vergleich zu Plazebo signifikant verbessert werden. Lag ausschließlich eine Zidovudin-Resistenz vor, hatte die zusätzliche Einnahme von Adefovir zur bestehenden Therapie keine Vorteile.

Reversible Nierenschäden

Die häufigsten Nebenwirkungen von Adefovir waren gastrointestinale Beschwerden, Gewichtsverlust und eine Erhöhung der Leberenzymwerte im Serum. Nach längerer Anwendung zeigte sich eine Nephrotoxizität, die durch langsame aber ständige Zunahme der Serum-Kreatininwerte und Abnahme der Serum-Phophatwerte (Hypophosphatämie) gekennzeichnet war. Bei etwa 50 Prozent aller Patienten wurde nach 80 Wochen Therapie eine renale Dysfunktion nachgewiesen. Nach Absetzen von Adefovir war diese jedoch meist reversibel.

Insgesamt konnte ein positiver Nutzen von Adefovir nachgewiesen werden bei Patienten, deren Krankheitsverlauf trotz einer Behandlung mit RT-Inhibitoren fortschreitet, oder bei vorliegender Resistenz gegenüber Lamivudin oder Lamivudin und Zidovudin. In neueren Untersuchungen mit nur 60 mg Adefovir einmal täglich wurde eine vergleichbare Wirkung in der antiretroviralen Aktivität, aber mit geringeren Auswirkungen auf Serum-Kreatinin- und Serum-Phophatwerte beschrieben.

Keine FDA-Zulassung

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat Adefovir jedoch aus mehreren Gründen nicht zugelassen. Bemängelt wurde die zu geringe Wirksamkeit bei der hohen Dosierung von 120 mg pro Tag. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von 60 mg Adefovir pro Tag sei in den Studien nur unzureichend belegt worden. Unsicherheit herrscht auch über die Reversibilität und die Langzeiteffekte der durch Adefovir hervorgerufenen Nierenschädigung. Weitere Forschungen auf dem Gebiet der nukleotidischen RT-Inhibitoren sind nötig, da multiresistene HIV-Stämme auf dem Vormarsch sind und mit dieser Substanzklasse Hoffnung besteht, eine Waffe gegen die häufig auftretenden Lamivudin- und Lamivudin-/Zidovudin-resistenten Viren zu besitzen.

Literatur: Mellors, J.: Adefovir for the treatment of HIV Infection. If not now, when? J. Am. Med. Assoc. 282, 2355-2356 (1999). Kahn, J., et al.: Efficacy and safety of adefovir dipivoxil with antiretroviral therapy. J. Am. Med. Assoc. 282, 2305-2312 (1999).

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