Arzneimittel und Therapie

Chronische Hepatitis B: Limitierter Benefit durch Adefovir

Hepatitis B geht in rund 5% aller Fälle in eine chronische Verlaufsform mit schlechter Prognose über. Die Langzeittherapie mit dem Nukleotid-Analogon Adefovir zeigt bei geringer Resistenzentwicklung einen deutlichen Benefit. Dieser geht allerdings nach Therapieabbruch verloren, so dass möglicherweise eine Dauertherapie erforderlich ist.

Schätzungsweise erkranken weltweit 400 Millionen Menschen an einer chronischen Hepatitis B, davon sterben jährlich eine Million an Komplikationen, vor allem an Leberzirrhose und Leberzellkarzinomen. Besonders gefürchtet ist eine HBeAg-negative chronische Hepatitis, die durch einen aggressiven Krankheitsverlauf charakterisiert ist. Zur Therapie der chronischen Hepatitis B werden Interferon alpha (Intron® A, Roferon® A), Lamivudin (Zeffix®) und Adefovir Dipivoxil (Hepsera®) eingesetzt, um die virale DNA zu unterdrücken und Entzündungen in der Leber zu unterbinden. Langfristige Behandlungsziele sind eine Prävention der Leberzirrhose und des Leberzellkarzinoms. Unklar ist bislang, wie lange eine Therapie durchgeführt werden muss. Problematisch erscheinen hier vor allem Resistenzentwicklungen und Langzeitnebenwirkungen.

Daten zur Hepatitis B

  • Erreger Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein kleines, umhülltes DNA-Virus. Das Genom besteht aus einer zirkulären, teilweise doppelsträngigen DNA, die über ein RNA-Intermediat mit Hilfe einer Reversen Transkriptase synthetisiert wird. Die Virushülle besteht aus dem lipidhaltigen Hepatitis-B-Oberflächenantigen (Hepatitis B surface antigen, HBsAg) und umschließt das Viruskapsid, das aus dem Core-Antigen (HBcAg) aufgebaut ist.
  • Diagnostik HBsAG, HBcAg und dessen Abbauprodukt HBeAg spielen beim serologischen Nachweis einer akuten bzw. chronischen Infektion eine wichtige Rolle. Bei einer chronischen Hepatitis B ist der Nachweis von HBeAg oft negativ. Bei diesen Patienten werden Mutanten im Bereich des Core-Gens repliziert (z.B. HBV-Präcore- oder Core-Promoter-Mutanten, welche die Bildung von HBeAg verhindern).
  • Übertragungswege
    • parenteral
    • sexuell
    • perinatal (das Virus ist nicht plazentagängig, die Infektion findet meist perinatal statt) Das Infektionsrisiko bei Nadelstichverletzungen mit viruspositivem Blut liegt bei 6 – 30%.
  • Risikogruppen
    • medizinisches Personal
    • Empfänger von Blutprodukten
    • Dialysepatienten
    • Drogenabhängige
    • Homosexuelle, promiskuitive Heterosexuelle
    • Personen mit engem Kontakt zu HBsAg-Trägern
    • Kinder HBsAg-positiver Mütter

Fortgesetzte Studie mit Adefovir

In einer früheren Studie konnte gezeigt werden, dass eine 48-wöchige Therapie mit Adefovir zu signifikanten histologischen, virologischen und biochemischen Verbesserungen führt. Diese Untersuchung wurde nun fortgeführt, um eine kontinuierliche Therapie mit einem Abbruch der Behandlung zu vergleichen. Im Rahmen der ersten Studie hatten 185 Patienten mit einer chronischen Hepatitis B während 48 Wochen entweder täglich 10 mg Adefovir oder ein Placebo erhalten. Für die Verum-Gruppe war ein deutlicher Benefit gezeigt worden. Nach 48 Wochen wurden die Patienten erneut einer der folgenden Therapiegruppen zugeteilt, so dass nach 96 Monaten drei Behandlungsregimes verglichen werden konnten:

  • kontinuierliche Therapie mit Adefovir während 96 Wochen (79 Patienten);
  • 48-wöchige Behandlung mit Adefovir, gefolgt von einer 48-wöchigen Placeboeinnahme (40 Probanden);
  • 48-wöchige Therapie mit einem Placebo, gefolgt von einer 48-wöchigen Behandlung mit Adefovir (60 Studienteilnehmer).

Den mit Adefovir behandelten Patienten wurde anschließend eine Fortsetzung der Therapie angeboten, so dass Daten über eine 144-wöchige Einnahme von Adefovir vorliegen. Primäre Studienendpunkte waren die Veränderungen in den viralen DNA-Spiegeln und in den Alanin-Aminotransferase-Spiegeln.
 

Langzeittherapie mit Adefovir

Bei Patienten mit HBeAg-negativer chronischer Hepatitis B ging der Nutzen einer 48-wöchigen Behandlung mit Adefovir Dipivoxil nach Absetzen der Behandlung verloren. Bei Patienten, die für die Dauer von 144 Wochen behandelt wurden, blieb der Nutzen erhalten.

Nach Therapieabbruch kein Benefit mehr

Die Auswertung der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie führte zu folgenden Ergebnissen:

  • Die Behandlung mit Adefovir führte nach 96 Wochen zu einer medianen Abnahme der Serum-HBV-DNA von 3,47 log Kopien pro Milliliter (auf einer Skala mit der Basis 10) verglichen mit 1,09 log Kopien pro Milliliter in der Adefovir-Placebogruppe. Nach 144 Wochen betrug die mediane Abnahme der Serum-HBV-DNA unter der Therapie mit Adefovir 3,63 log Kopien pro Milliliter. Nach 96 Wochen betrugen die viralen DNA-Spiegel bei 71% der Patienten und nach 144 Wochen bei 79% der Patienten weniger als 1000 Kopien pro Milliliter.
  • Bei den meisten Patienten, die von Adefovir auf die Placebobehandlung umgestellt wurden, ging der ursprüngliche Benefit verloren, und nach 96 Wochen hatten nur noch 8% der Patienten virale DNA-Spiegel unter 1000 Kopien pro Milliliter.
  • Resistenzen wurden nach 144 Wochen bei 5,9% der Patienten festgestellt.
  • Unter der 144-wöchigen Therapie entwickelten sich keine anderen oder stärkeren Nebenwirkungen als unter der 48-wöchigen Therapie.

Therapiedauer unbekannt

Diese Ergebnisse werfen mehrere Fragen auf. Unter anderem nach dem Zeitpunkt des optimalen Therapiebeginns und die erforderliche Behandlungsdauer. Da ein Hinauszögern der Behandlung zu fortschreitenden Leberschäden führt, sollte Adefovir möglichst frühzeitig eingesetzt werden, wobei Alter, Gesundheitszustand des Patienten, Compliance und das Resistenzrisiko berücksichtigt werden müssen.

Letzteres zeigte sich in dieser Studie mit rund 6% als relativ gering (im Vergleich zu Lamivudin, bei dem in einigen Studien jährliche Resistenzquoten von 20% auftraten). Wie lang die Therapie erfolgen muss, kann bislang nicht gesagt werden. Fest steht nur, dass der Therapieerfolg nach einer knapp einjährigen Behandlung mit Adefovir bei einem Therapieabbruch verloren geht.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Quelle 
Hadziyannis, S.; et al.: Long-term therapy with Adefovir Dipivoxil for HBeAg-negative chronic Hepatitis B. N. Engl. J. Med. 352, 2673 – 2681 (2005).

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.