Arzneimittel und Therapie

Chronische Hepatitis B: Nukleotidanalogon Adefovir Dipivoxil in den USA zugelass

Die antivirale Substanz Adefovir Dipivoxil (Hepsera) hat von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) die Zulassung zur Behandlung der chronischen Hepatitis B erhalten, wie Gilead Sciences mitteilte. Adefovir Dipivoxil, das als 10-mg-Tablette oral verabreicht wird, blockiert im Körper die Replikation des Hepatitis-B-Virus.

Es ist das erste Nukleotidanalogon, das von der FDA die Zulassung zur Behandlung der chronischen Hepatitis B erhalten hat. In klinischen Studien war die Behandlung mit Adefovir Dipivoxil im Vergleich zur Plazebogabe bei unbehandelten Patienten und bei Patienten mit vorangegangener Interferonbehandlung mit einer signifikanten Verbesserung der Leberhistologie und Abnahme der Fibrosierung verbunden. Zudem kam es zur Reduktion der HBV-DNA-Spiegel, zu einer Zunahme der Serokonversionsraten und einer Normalisierung der Alanin-Aminotransferase-Spiegel.

Das Arzneimittel erwies sich auch bei Patienten als wirksam, die mit Lamivudin vorbehandelt wurden und eine Resistenz gegenüber Lamivudin entwickelt hatten. Dazu gehörten auch Patienten, die auf eine Lebertransplantation warteten oder bereits ein Transplantat erhalten hatten. Während der 48-wöchigen Behandlung in diesen Studien (n = 467) wurden keine Virusmutationen festgestellt, die zu einer Resistenz gegenüber Adefovir Dipivoxil führten.

Günstiges Sicherheitsprofil

In klinischen Studien waren Art, Schwere und Häufigkeit unerwünschter Wirkungen sowie Veränderungen der Laborwerte und Studienabbrüche zwischen Patienten, die mit Adefovir Dipivoxil behandelt wurden und Plazebo-behandelten Patienten während der 48-wöchigen Behandlung vergleichbar. Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Asthenie, Kopfschmerz, Bauchschmerz, Übelkeit, Flatulenz, Diarrhö und Dyspepsie. Während der 48 Wochen zeigte keiner der Patienten in den plazebokontrollierten Studien eine Erhöhung des Serum-Kreatinins um mehr als 0,5mg/dl des Ausgangswertes. Wie auch bei anderen antiviralen Therapien der chronischen Hepatitis B sollte nach Beendigung der Behandlung die Leberfunktion im Hinblick auf eine Progredienz der Hepatitis überwacht werden.

Nukleotidanalogon hemmt viruseigene DNA-Polymerase

Adefovir-Dipivoxil (bis-POM PMEA), die oral applizierbare Vorstufe von Adefovir (PMEA), ist ein azyklisches Nukleotidanalogon, das zur Klasse der antiretroviralen Substanzen gehört, die als nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Hemmer (NTRTI) bezeichnet werden. Diese Substanzen hemmen die viruseigene Reverse Transkriptase, eine RNA-abhängige DNA-Polymerase. Die zur Replikation von Retroviren erforderliche Umschreibung der genetischen Information von RNA in DNA wird dadurch blockiert, wodurch es zu einem Kettenabbruch kommt. Im Gegensatz zu Nukleosidanaloga sind Nukleotidanaloga bereits mit einer Phosphatgruppe ausgestattet, müssen also nur noch zweimal statt dreimal intrazellulär phosphoryliert werden. In Zellkultur und in klinischen Studien zeigte Adefovir Dipivoxil Wirksamkeit nicht nur gegen das HI-Virus und das Hepatitis-B-Virus, sondern auch gegen das Zytomegalie-Virus.

Die Zulassung für Adefovir Dipivoxil ist die zweite FDA-Zulassung für ein antivirales Arzneimittel von Gilead in weniger als einem Jahr. Tenofovir Disoproxil Fumarat (Viread®), die antiretrovirale Substanz des Unternehmens zur Behandlung der HIV-Infektion, wurde in den Vereinigten Staaten im Oktober 2001 und in der Europäischen Union im Februar 2002 zugelassen. Im März 2002 hat Gilead einen Zulassungsantrag für Adefovir Dipivoxil für die Behandlung der chronischen Hepatitis B auch bei der Europäischen Zulassungsbehörde (EMEA) gestellt. Der Antrag wird derzeit geprüft.

Kastentext: Hepatitis B

Aktuellen Schätzungen der WHO zufolge sind 350 Millionen Menschen weltweit chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. In Deutschland geht das Robert Koch-Institut von derzeit ca. 500 000 chronisch infizierten HBV-Patienten aus. Die chronische Hepatitis-B-Infektion führt bei einem Drittel bis einem Viertel der Betroffenen zu einer progressiven Lebererkrankung. Leberzirrhose, Leberversagen bis hin zu Leberkarzinomen können die Folgen sein. Weltweit ist die chronische Hepatitis B die Hauptursache von Leberkarzinomen und gehört zu den 10 häufigsten Todesursachen.

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