Arzneimittel und Therapie

Chronische Hepatitis B: Der Resistenz ein Schnippchen schlagen

In die Therapie der chronischen Hepatitis C ist mit Einführung der pegylierten Interferone Schwung gekommen. Nach wie vor unbefriedigend ist dagegen die Situation bei behandlungspflichtiger chronischer Hepatitis B. Interferon hat niedrige Responderraten, das Nukleosidanalogon Lamivudin ein hohes Resistenzrisiko. Mit der Einführung von Adefovirdipivoxil (Hepsera®), einem Nukleotidanalogon, können Hepatologen und ihre Patienten nun besseren Zeiten entgegensehen.

Eine chronische Infektion mit Hepatitis-B-Viren (HBV) muss nicht immer behandelt werden. Bei signifikanter Aktivität oder bereits bestehender Zirrhose gilt die Therapie allerdings als "Muss", um einer weiteren Progression und einer Dekompensation der Leberfunktion entgegenzuwirken. Letztlich aber auch, um die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms zu verhindern.

Das therapeutische Arsenal wurde nun um das Nukleotidanalogon Adefovirdipivoxil (Hepsera®) erweitert. Und das ist auch gut so, denn mit den bisherigen Optionen war eine befriedigende Intervention nur selten möglich. Interferon zeigt lediglich eine Responderrate von etwa 40 Prozent. Insbesondere bei HBeAg-negativen Patienten (siehe Kasten) und Patienten mit niedrigen Transaminasewerten ist Interferon nur schlecht wirksam. Bei immunsupprimierten Patienten, also auch Patienten nach Lebertransplantation, und Patienten mit dekompensierter Leberfunktion ist sein Einsatz kontraindiziert.

Pegylierte Interferone sind aufgrund der beschränkten Datenlage für Hepatitis B (noch) nicht zugelassen. Eine echte Alternative ist das Nukleosidanalogon Lamivudin, das allen Patientengruppen zur Verfügung steht. Das Problem hier ist die schnelle Resistenzentwicklung. Nach einem Jahr sind bereits 24 Prozent der Patienten, nach zwei Jahren 38 Prozent und nach vier Jahren etwa zwei Drittel resistent.

Ähnliche chemische Struktur – weniger Resistenzen

Gerade recht kommt in dieser Situation das neue Nukleotidanalogon Adefovirdipivoxil (ADV), das die Probleme zwar nicht völlig aus der Welt schafft, aber die Aussichten deutlich verbessert. Ähnlich wie Lamivudin bewirkt es als Substratanalogon einen Kettenabbruch bei der Neusynthese von HBV-DNA und schaltet so die Replikation der Viren ab. Der gravierende Unterschied zu Lamivudin: Resistenzen sind, zumindest nach den vorliegenden Zwei-Jahres-Daten, deutlich seltener.

Adefovirdipivoxil (bis-POM PMEA), die oral applizierbare Vorstufe von Adefovir (PMEA), ist ein azyklisches Nukleotidanalogon, das zur Klasse der antiretroviralen Substanzen gehört, die auch als nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Hemmer (NTRTI) bezeichnet werden. Der geringere Unterschied in der chemischen Struktur von Adefovir zu seinem natürlichen Baustein wird als ein Grund für die seltenen Resistenzen ins Feld geführt. Außerdem verfügt Adefovir wegen des fehlenden Zuckermoleküls über eine höhere Flexibilität. Es wird rascher in die Tasche der reversen Transkriptase eingebaut. Die Bildung einer ADV-spezifischen Resistenzmutation wird so erschwert.

Verbesserung der Leberhistologie bei HBeAg-Nositiven und -Negativen

Für die Zulassung von Adefovirdipivoxil wurden zwei plazebokontrollierte Studien bei Patienten mit nachgewiesener chronifizierter HBV-Infektion, aber kompensierter Leberfunktion durchgeführt, und zwar sowohl mit HBeAg-positiven (n = 338) als auch mit HBeAg-negativen Probanden (n = 184). Sie wurden zunächst über 48 Wochen behandelt. Primärer Endpunkt war die Verbesserung der Leberhistologie. Dazu wurde der Knodell-Entzündungsscore und der Knodell-Fibrose-Score herangezogen. Der Entzündungsscore musste sich um mindestens zwei Punkte verbessern bei konstantem Fibrose-Score.

Unter Adefovirdipivoxil wurden diese Vorgaben für die Leberhistologie bei HBeAg-positiven und -negativen Patienten deutlich häufiger erreicht als unter Plazebo deutlich (53% vs. 25% bzw. 64% vs. 33%). Aber auch zahlreiche andere Parameter zeigten einen günstigen Verlauf. So kam es zu einer Normalisierung der Alanin-Amino-Transferase-Werte (ALT) bei 48% (Plazebo 16%) bzw. 72 Prozent (Plazebo 29%). Der mittlere HBV-DNA-Titer nahm um 3,52 bzw. 3,91 Log-Stufen ab. Eine HBeAg-Serokonversion, und damit eine Heilung, wurde bei 14 Prozent (Plazebo 6%) erreicht.

Im Follow-up über bislang 72 Wochen wurde deutlich, dass sich unter Adefovir die Situation weiter bessert. Auch die Anzahl der Serokonversionen – 23% nach 72 Wochen – nimmt weiter zu. Besonders wichtig: Während des bisherigen Beobachtungszeitraums traten keine Resistenzen auf. Fazit der Studien: Adefovir ist für die Therapie HBeAg-positiver und -negativer Patienten gleichermaßen gut geeignet.

Auch für Problempatienten

Es gibt zudem konkrete Hinweise darauf, dass auch ein Einsatz bei Problempatienten erfolgreich sein kann. Getestet wurde Adefovirdipivoxil bei 58 Lamivudin-resistenten Patienten. 19 setzten die Lamivudin-Therapie fort, 19 wurden auf Adefovirdipivoxil umgestellt und 20 erhielten eine Kombinationstherapie.

Nach 48 Wochen hatte sich der HBV-DNA-Titer unter Lamivudin nicht geändert, nur bei 5 Prozent normalisierten sich die ALT-Werte. Ganz anders unter Adefovir oder Kombitherapie, die in etwa die gleichen Ergebnisse lieferten: Der HBV-DNA-Titer ging um 3,59 bzw. 4,04 Log-Stufen zurück, 53 bzw. 47 Prozent zeigten normale ALT-Werte. Eine weitere Indikation für Adefovir sind Transplantationspatienten, bei denen das Risiko einer Reinfektion des Transplantats äußerst hoch ist.

In die Therapie der chronischen Hepatitis C ist mit Einführung der pegylierten Interferone Schwung gekommen. Nach wie vor unbefriedigend ist dagegen die Situation bei behandlungspflichtiger chronischer Hepatitis B. Interferon hat niedrige Responderraten, das Nukleosidanalogon Lamivudin ein hohes Resistenzrisiko. Mit der Einführung von Adefovirdipivoxil (Hepsera), einem Nukleotidanalogon, können Hepatologen und ihre Patienten nun besseren Zeiten entgegen sehen.

"Wildtyp" oder "mutierter Typ"?

HBeAg-negative Patienten sind mit einem Virusstamm infiziert, der als "mutierter Typ" gilt. Bei ihnen ist das e-Antigen im Blut nicht nachweisbar. Im Gegensatz zu HBeAg-positiven Patienten, die mit dem "Wildtyp" infiziert sind, haben sie eine ungünstigere Prognose und häufig einen schwereren Verlauf der Erkrankung. In Deutschland sind die Zahlen mit HBeAg-negativen Patienten steigend. Derzeit sind Schätzungen zufolge etwa 50 Prozent aller chronisch an Hepatitis Erkrankten mit dieser Virusmutante infiziert.

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