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Expopharm-Eröffnung: Lichtwer-Experiment – zur Nachahmung nicht empfohlen

LEIPZIG (im). Das Unternehmen Lichtwer ist mit seinem Experiment der Abwanderung aus den Apotheken gescheitert. Dies sagte Hermann S. Keller bei der Eröffnung der Expopharm am 30. September in Leipzig. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) zitierte aus dem Brief des Herstellers, der vor rund einem Jahr mit seinen freiverkäuflichen Präparaten die Offizin als Vertriebsschiene verlassen hatte, in dem Lichtwer den Fehler aus wirtschaftlicher und gesundheitspolitischer Sicht zugab. Der Weg zurück sei nicht versperrt, sagte Keller, aber er warne vor einer Wiederholung solcher Experimente.

An die Adresse der Bundesgesundheitsministerin richtete er den Appell, anstelle "telegener Ankündigungen" ernsthaft den vorliegenden Entwurf der Gesundheitsreform 2000 zu ändern. Als für die Patienten unzumutbar hat der DAV-Vorsitzende beispielsweise die geplante Reimportförderklausel abgelehnt. Die Beschaffung der auf ausländischen Spotmärkten vagabundierenden Arzneimittel könne für über 70 Millionen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung nicht funktionieren, warnte er. Sie sei zudem standortfeindlich und werde wegen der Abrechnungsprüfungen die Verwaltungskosten der Kassen steigern. Alternative wäre die vermehrte Verordnung inländischer Generika.

Keller wies darüber hinaus auf die Möglichkeit individueller Problemlösungen des Arznei-Budgetzwangs der Mediziner durch Kooperation mit den Apothekern hin, konkret durch Ankreuzen des Aut-idem-Feldes. Kritisiert wurde zudem die Monopolisierung der Datenströme im Umfeld der Krankenkassen. Anstatt für 100 Millionen Mark neue Datensammelstellen zu errichten, sollte die Politik auf die kompetenten Apothekenrechenzentren zurückgreifen.

Neben Entscheidungen in Richtung aut idem und Telematik müssten die Weichen für die Umsetzung der pharmazeutischen Betreuung gestellt werden, forderte Keller. Anstelle von Listenmedizin, Budgetierung und Kassen-Übermacht sollte die Politik im Arzneisektor besser auf die Sachkenntnis der Apotheker, Hersteller und des pharmazeutischen Großhandels setzen. Bei den Medikamenten sei die Zitrone ausgequetscht.

Apotheken sollen von Methusalem lassen

Auch Lothar Jenne kritisierte die lange Liste dirigistischer Eingriffe durch das Reformvorhaben. Der Großhandel stehe in seiner Ablehnung Schulter an Schulter mit den übrigen Beteiligten. Jenne, der stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) ist, wies darüber hinaus auf einige aus Sicht der Großhändler unbefriedigende Fakten hin. Es sei ärgerlich, dass der Großhandel die wenigen Apotheken, die noch das antiquierte parallele Bestellverfahren nutzten, fit für den Jahreswechsel 2000 machen müsse. Schließlich sei die Wachablösung durch den Nachfolger, das serielle Verfahren, bereits 1985 erfolgt.

Ärgerlich sei auch, dass die elektronische Rechnungsübermittlung zwar auf Wunsch der Industrie genormt worden sei, die Hersteller dies jedoch nicht nutzten. Verbesserungen seien zudem bei der maschinenlesbaren Kennzeichnung der Arzneimittelpackungen dringend nötig, erging der Appell an die pharmazeutischen Unternehmen.

Klinikpackung kennzeichnen!

Jenne forderte die vermehrte Kennzeichnung von Klinikpackungen. Noch immer werde ein zu kleiner Teil der Präparate für den Einsatz in den Krankenhäusern ausgezeichnet. An der wohlbegründeten Trennung der ambulanten und stationären Arzneimittelversorgung müsse festgehalten werden. Der Phagro erwarte von den Apothekern eine klarere Haltung in dieser Frage als bisher.

An die Bundesregierung appellierte er, nicht durch unbedachte Eingriffe das effiziente System zu zerstören. Dass beispielsweise der Bundesrat glaube, er könne größere Teile der ambulanten Arzneiversorgung ohne Auswirkungen auf die Preise auf die Krankenhausapotheke verlagern, sei eine Fehlspekulation. Anstatt lediglich auf "Sonderangebote" zu schielen, müsse die Verbesserung der Distribution als Ganzes angegangen werden, sagte Jenne.

Auf Freiwahl setzen

Johannes Burges vom Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) begrüßte in Leipzig die Fortschritte in der Apothekengestaltung hin zu mehr Kundenfreundlichkeit. Er plädierte für einen Ausbau der Freiwahl als eine Möglichkeit, die Besuchsfrequenz in der Offizin zu erhöhen. Öffne sich die Apotheke auf diese Weise, sei denkbar, dass andere Vertriebskanäle an Bedeutung verlören, sagte der Vorsitzende des Verbands, der die Selbstmedikationsindustrie vertritt.

Apotheken unverzichtbar

Professor Hans Rüdiger Vogel nannte die Apotheke einen Garanten für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung und hob den Mehrwert durch die pharmazeutischen Tätigkeiten hervor. Besonders für die zumeist mittelständischen Mitgliedsfirmen des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sei die bewährte Struktur unverzichtbar, so der Vorsitzende dieses Verbands. Vogel sprach sich darüber hinaus gegen die Diskriminierung von Phytopharmaka aus.

Wirksamkeit und Unbedenklichkeit werden für pflanzliche Arzneimittel seinen Worten zufolge nach den gleichen Methoden wie bei chemisch-synthetisierten Medikamenten geprüft. Daher sei unverständlich, Phytopharmaka aus der Erstattung der gesetzlichen Krankenkassen zu nehmen. Pflanzliche Arzneimittel würden von mehreren Seiten zugleich angegriffen, wozu die geplante Positivliste, die Arzneimittel-Richtlinien und das Aktionsprogramm der Bundesgesundheitsministerin, Krankenkassen und Ärzte zähle.

Gegen Datenmonopol

Wie DAV-Chef Keller warnte auch Dr. Ulrich Vorderwülbecke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) vor neuen Datensammelstellen bei den Krankenkassen. Gerade die Kassen hätten sich in der Vergangenheit nicht durch eine besondere Kompetenz im Umgang mit Daten hervorgetan. Unter Beifall zitierte er aus der Bibel: "Wie kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?"

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