Arzneimittel und Therapie

Thrombozytenaggregationshemmer für die Sekundärprävention: Clopidogrel: Konku

Acetylsalicylsäure (ASS) gehört als Thrombozytenfunktionshemmer zur Standardtherapie in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt und Schlaganfall. Sie senkt das Risiko erneuter ischämischer Attacken um etwa ein Viertel und ist kostengünstig. Künftig wird sich ASS allerdings an dem neuen ADP-Antagonisten Clopidogrel (Plavix®, Iscover®) messen lassen müssen, der seinen Vorteil in einer großangelegten Untersuchung, der CAPRIE-Studie, belegen konnte. Aus Kostengründen wird Clopidogrel bestimmten Risikogruppen vorbehalten bleiben.

Ein atherosklerotischer Prozeß verläuft oft unmerklich - in den Koronararterien, den zerebralen oder den peripheren Gefäßen. Er beginnt in der Regel mit einer Dysfunktion des Endothels, die mit einer erhöhten Permeabilität der Endothelzellen und einer verstärkten Expression endothelialer Adhäsionsmoleküle einhergeht. Lipide, insbesondere LDL-Cholesterin, sowie Makrophagen und Monozyten können in die Gefäßwand eintreten. Dort wird oxidiertes LDL gebildet, das die Gefäßwand nicht mehr verlassen kann und von Makrophagen aufgenommen wird, aus denen Schaumzellen entstehen. Diese erste Stufe der Atherosklerose ist klinisch durch eine harmlos erscheinende gelblich-fettige Verfärbung der Gefäßinnenwand zu erkennen. Allerdings bleibt der Prozeß meist nicht auf dieser Stufe stehen. Begünstigt durch zahlreiche Risikofaktoren bildet sich allmählich ein immer größer werdender atheromatöser Kern, der neben Schaumzellen aus zugrunde gegangenen Zellen, dem sogenannten Zelldetritus, sowie Kalkeinlagerungen besteht. Das Gefäßlumen wird zunehmend eingeengt und der Blutstrom behindert. Nimmt das Volumen der atheromatösen Plaque weiter zu, besteht die Gefahr einer Plaqueruptur - mit schwerwiegenden Folgen: Durch die Beschädigung der Gefäßinnenwand werden die Thrombozyten aktiviert. Sie können, wenn sie nicht daran gehindert werden, einen Thrombus bilden, der das Gefäß komplett verschließt.

Eingriff in die Thrombozytenaggregation Die Thrombusbildung läßt sich in drei Schritte einteilen: § die Adhäsion der Thrombozyten an der Gefäßwand, § die Sekretion aggregationsfördernder Substanzen und schließlich § die Thrombozytenaggregation. Entscheidend in der Endphase sind die beiden Mediatoren Thromboxan A2 und ADP. Sie aktivieren den Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Rezeptor, der auf der Oberfläche der Thrombozyten exprimiert wird. Über diesen Rezeptor verbindet Fibrinogen die Thrombozyten untereinander. Acetylsalicylsäure greift in diesen Prozeß ein, indem es die Bildung von Thromboxan A2 aus Arachidonsäure durch Hemmung der Cyclooxygenase verringert. Der ADP-Antagonist Clopidogrel verfolgt eine andere Strategie: Er hemmt die ADP-Rezeptoren auf den Thrombozyten, verhindert so die ADP-induzierte Aktivierung des GP-IIb/IIIa-Rezeptors und damit letztlich die Thrombozytenaggregation. Daß sich dieses Wirkprinzip auch in der Klinik bewährt, hat die CAPRIE (Clopidogrel versus Aspirin in Patients at Risk of Ischemic Events)-Studie gezeigt (s. DAZ 4/97, S. 47 ff.).

Deutliche Senkung der Herzinfarktrate In die Studie wurden 19185 Patienten eingeschlossen, von denen je ein Drittel einen Herzinfarkt oder einen ischämischen Schlaganfall erlitten bzw. an einer symptomatischen peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (pAVK) erkrankt waren. Sie erhielten über ein bis drei Jahre (durchschnittlich 1,9 Jahre) randomisiert entweder einmal täglich 325 mg ASS oder 75 mg Clopidogrel. Während des Beobachtungszeitraums traten unter ASS bei 5,83% der Patienten ischämische Ereignisse (Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall oder Gefäßtod) auf, während die Häufigkeit unter Clopidogrel lediglich bei 5,32% lag. Dies bedeutet eine relative Risikoreduktion durch Clopidogrel um 8,7%. Werden 1000 Patienten über ein Jahr behandelt, verhindert ASS 19, Clopidogrel dagegen 24 vaskuläre Ereignisse. Besonders scheinen dabei Patienten mit pAVK zu profitieren, deren relatives Risiko unter Clopidogrel im Vergleich zu ASS um 23,8% niedriger lag. Ein Blick auf die einzelnen Endpunkte zeigte, daß Clopidogrel insbesondere die Herzinfarktrate deutlich besser senkt. So lag die Zahl der Herzinfarkte um 19,2% niedriger, die Zahl ischämischer Schlaganfälle war um 5,2% geringer.

Gastrointestinale Blutungen seltener Clopidogrel wurde von den Patienten insgesamt gut vertragen. Die Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen lag unter ASS bei 0,72 %, unter Clopidogrel lediglich bei 0,52%. Dieser Vorteil für Clopidogrel ist bemerkenswert, da Patienten mit einer ASS-Unverträglichkeit nach dem Screening von vornherein von der Studie ausgeschlossen worden waren. Die für den Thrombozytenfunktionshemmer Ticlopidin typischen Nebenwirkungen Diarrhö und Neutropenie traten unter Clopidogrel nicht häufiger auf als unter ASS. So lag die Neutropenierate lediglich bei 0,10% (ASS: 0,17%).

Clopidogrel: aus Kostengründen nicht für alle Daß Clopidogrel ASS in der Sekundärprävention ischämischer Ereignisse leicht überlegen ist, dürfte nach der CAPRIE-Studie kaum mehr in Frage gestellt werden. Unter Kostenaspekten ist es allerdings unmöglich, diese Substanz "flächendeckend" einzusetzen. Es bietet sich allerdings als Alternative an bei Patienten, die ASS nicht vertragen oder resistent sind. Empfohlen wurde der neue Wirkstoff außerdem bei folgenden Patientengruppen: § Patienten nach einem ischämischen Schlaganfall mit der geringsten Kontraindikation für ASS sowie für Patienten, die unter ASS bereits einen Schlaganfall erlitten haben. § Hochrisikopatienten nach einem Myokardinfarkt, die derzeit neben ASS auch Ticlopidin erhalten. Auf längere Sicht wird hier Clopidogrel Ticlopidin allmählich verdrängen. § Patienten mit pAVK, die gleichzeitig unter einer koronaren Herzerkrankung oder einer Karotis-Atherosklerose leiden.

Quelle Priv.-Doz. Dr. Harald Darius, Mainz, Prof. Dr. Curt Diehm, Karlsbad, Dr. Wolfgang Zierhut, München, Einführungspressekonferenz Clopidogrel: "Clopidogrel - innovative Thrombozytenfunktionshemmung durch ADP-Antagonismus", München, 20. Juli 1998, veranstaltet von Sanofi und Bristol-Myers Squibb, München. Dr. Beate Fessler, München

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