Arzneimittel und Therapie

Perkutane Koronarintervention: Bei niedrigem Risiko genügt Clopidogrel

Bei einer perkutanen Koronarintervention (PTCA) schützt man den Patienten meist mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel vor ischämischen Komplikationen. In einer randomisierten Doppelblindstudie wurde untersucht, ob Patienten mit niedrigem bis mittlerem Risiko für ischämische Komplikationen von einer zusätzlichen Gabe des Glykoprotein-IIba/IIIa-Antagonisten Abciximab (ReoPro®) profitieren. Die kumulative Inzidenz aus Tod, Herzinfarkt und dringlicher Revaskularisierung war in den ersten 30 Tagen nicht verringert.

Bei einer perkutanen Koronarintervention (PTCA) kommt es manchmal zur Verletzung oder Ruptur einer atherosklerotischen Plaque. An dieser Stelle können sich Blutplättchen anhäufen und einen Thrombus bilden, der zum Herzinfarkt oder Herztod führen kann.

Drei Arten, den Thrombus zu verhindern

Um die Bildung eines Thrombus zu verhindern, werden prinzipiell drei Arten von Thrombozytenfunktionshemmern eingesetzt:

  • der Cyclooxygenase-Hemmstoff Acetylsalicylsäure, der die Thromboxan-Synthese in den Blutplättchen verhindert
  • ein Adenosindiphosphat(ADP)-Antagonist – Ticlopidin (z. B. Desitic® lopidin, Tiklyd®) oder Clopidogrel (Iscover®, Plavix®)
  • ein Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonist – Abciximab (ReoPro®), Eptifibatid (Integrilin®) oder Tirofiban (Aggrastat®)

Acetylsalicylsäure für (fast) alle

Jeder Patient, der sich einer PTCA unterzieht, bekommt Acetylsalicylsäure, wenn keine Kontraindikation vorliegt. Acetylsalicylsäure ist ein relativ schwacher Thrombozytenfunktionshemmer. Die Wirkung setzt innerhalb von 30 Minuten ein und hält ein ganzes Thrombozyten-Leben (8 bis 12 Tage) lang an. Acetylsalicylsäure ist der preiswerteste Thrombozytenfunktionshemmer.

Clopidogrel in hoher Sättigungsdosis

Ticlopidin und Clopidogrel hemmen die ADP-Rezeptor-vermittelte Thrombozytenaktivierung. Unter Ticlopidin können jedoch thrombozytopenische Purpura (spontane, kleinfleckige Blutungen in Haut und Schleimhaut) und Neutropenie auftreten.

Eine Kombination aus Acetylsalicylsäure und Clopidogrel schützt Patienten, die sich einer PTCA unterziehen, besser vor einer Gefäßthrombose als Acetylsalicylsäure allein. Mindestens vier bis sechs Stunden vor dem Eingriff sollte eine Sättigungsdosis von 300 bis 600 mg Clopidogrel verabreicht werden, nach dem Eingriff eine Erhaltungsdosis von täglich 75 mg.

Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten sind die teuersten und zugleich wirksamsten Thrombozytenfunktionshemmer. Die Aktivierung des Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptors auf der Plättchen-Oberfläche ist die Endstrecke beim Prozess der Plättchenaggregation und Thrombusbildung. Zirkulierendes Fibrinogen bindet an den aktivierten Rezeptor und bildet mit benachbarten Blutplättchen durch Quervernetzung eine Plättchen-Fibrinogen-Matrix.

Wer braucht zusätzlich Abciximab?

Profitieren PTCA-Patienten, die mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel behandelt werden, von einer zusätzlichen, teuren Abciximab-Therapie? Für Patienten mit einem hohen Risiko für ischämische Komplikationen wurde dies bereits nachgewiesen. Solche Hochrisikopatienten sind Patienten

  • mit akuten Koronarsyndromen (z. B. instabiler Angina pectoris),
  • kurz nach einem Herzinfarkt,
  • mit Stenosen im Bypass,
  • mit chronischen Verschlüssen in Koronararterien oder
  • mit angiographisch sichtbarem intrakoronarem Thrombus.

Bei Patienten mit niedrigem oder mittlerem Risiko für ischämische Komplikationen wurde der Nutzen einer zusätzlichen Abciximab-Gabe bei einer PTCA nach Clopidogrel-Vorbehandlung in der Isar-React-Studie untersucht.

Die Isar-React-Studie

Teilnehmer waren Patienten mit koronarer Herzkrankheit, bei denen eine nicht notfallmäßige (elektive) PTCA durchgeführt wurde. Patienten mit hohem Risiko für ischämische Komplikationen (z. B. Herzinfarkt in den letzten zwei Wochen, chronischer Gefäßverschluss) durften nicht teilnehmen.

Mindestens zwei Stunden vor der Koronarintervention bekamen die Patienten 600 mg Clopidogrel, außerdem 325 bis 500 mg Acetylsalicylsäure. Während des Eingriffs – noch bevor der Führungsdraht die Läsion erreicht hatte – erhielten sie randomisiert und doppelblind entweder

  • eine intravenöse Bolusinjektion mit 0,25 mg Abciximab pro kg Körpergewicht, gefolgt von einer 12-stündigen intravenösen Dauerinfusion mit 0,125 µg Abciximab pro kg Körpergewicht oder
  • eine intravenöse Bolusinjektion mit Plazebo, gefolgt von einer Plazebo-Dauerinfusion.

Die Patienten der Abciximab-Gruppe erhielten außerdem eine Bolusinjektion mit 70 I. E. Heparin. Patienten der Plazebo-Gruppe bekamen entsprechend dem in Europa üblichen Vorgehen 140 I. E. Heparin (im einzigen US-amerikanischen Zentrum 100 I. E. plus Überwachung der aktivierten Gerinnungszeit).

Ziel der Koronarintervention war bei den meisten Patienten das Einlegen eines Stents. Die Patienten wurden mit Acetylsalicylsäure (100 bis 325 mg täglich) und Clopidogrel (höchstens drei Tage lang zweimal täglich 75 mg, dann mindestens einen Monat lang einmal täglich 75 mg) weiterbehandelt.

Primärer Endpunkt war die kumulative Inzidenz von Tod, Herzinfarkt oder dringlicher Revaskularisierung im Zielgefäß (erneute PTCA oder Bypass-Operation) innerhalb von 30 Tagen nach der Randomisierung. Von 2159 Patienten bekamen 1079 Abciximab und 1080 Plazebo. Die Patienten waren durchschnittlich 65 Jahre alt; drei Viertel waren Männer; ein Drittel hatte bereits einen Herzinfarkt gehabt.

Primärer Endpunkt ebenso häufig

45 Patienten der Abciximab-Gruppe (4%) und 43 der Plazebo-Gruppe (4%) hatten einen primären Endpunkt, die meisten einen Herzinfarkt (Tab. 1). 12 Patienten mit Abciximab und 8 mit Plazebo erlitten eine große Blutungskomplikation (jeweils 1%). Kleinere Blutungen betrafen 27 Patienten mit Abciximab (2%) und 21 mit Plazebo (2%). Allerdings litten mit 10 (1%) gegenüber 0 signifikant mehr Patienten an schwerer Thrombozytopenie (< 20000 Thrombozyten/mm³). Mit 26 (2%) gegenüber 10 (1%) benötigten signifikant mehr Patienten der Abciximab-Gruppe eine Transfusion von Blutprodukten als Patienten der Plazebo-Gruppe.

Demnach hatte der Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonist Abciximab nach Vorbehandlung mit 600 mg Clopidogrel bei Patienten mit niedrigem bis mittlerem Risiko innerhalb der ersten 30 Tage keinen klinisch messbaren Nutzen: Die Häufigkeit ischämischer Komplikationen wurde nicht weiter verringert. Gleichzeitig waren schwere Thrombozytopenien und Transfusionsbedarf unter Abciximab häufiger.

Die Autoren vermuten, dass die niedrige Ereignisrate in der Plazebo-Gruppe auf die hohe Clopidogrel-Sättigungsdosis zurückzuführen ist. Während Patienten mit hohem Risiko für ischämische Komplikationen mit Acetylsalicylsäure, Clopidogrel und Abciximab behandelt werden sollten, wenn sie sich einer PTCA unterziehen, genügt bei Patienten mit niedrigem bis mittlerem Risiko dieser Studie zufolge die preiswerte Kombination aus Acetylsalicylsäure und Clopidogrel. Das Einsparen von Abciximab ist für den Patienten von Vorteil: Er hat ein geringeres Blutungsrisiko.

Isar-React-Studie

Isar-React = Intracoronary stenting and antithrombotic regimen – rapid early action for coronary treatment. Die Studie wurde an vier deutschen, einer niederländischen und einer US-amerikanischen Klinik durchgeführt.

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