Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose: Omega-3-Fettsäuren als Additiv

Die orale Gabe von Omega-3-Fettsäuren scheint bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) sowohl die Progression der Behinderung als auch den Schweregrad und die Häufigkeit von Rückfällen geringfügig verringern zu können. Zu diesem Ergebnis kamen Studien zur Nahrungs-Supplementation mit diesen vor allem im Öl von Kaltwasserfischen vorkommenden ungesättigten Fettsäuren. Aktuelle Untersuchungen zur diätetischen Therapie mit Fischölfettsäuren zeigten außerdem eine Hemmung der Zytokinsynthese sowie die Verbesserung der Immunfunktion bei Patienten mit Multipler Sklerose.

Seit mehr als 50 Jahren wird die Bedeutung der mit der Nahrung aufgenommenen Fette für die Entstehung und Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) diskutiert. Epidemiologische Studien erbrachten Hinweise darauf, daß die MS in Regionen mit hohem Fettverzehr häufiger auftritt. Dabei stellte sich schnell heraus, daß nicht nur Menge, sondern auch Art des verzehrten Fettes eine Rolle spielt. So zeigte eine an MS-Patienten durchgeführte, über 34 Jahre dauernde Studie, daß eine Diät mit weniger als 20 g gesättigter tierischer Fette am besten dazu geeignet ist, die Patienten arbeits- und gehfähig zu erhalten. Die gleichzeitig empfohlene Supplementation der Nahrung mit essentiellen ungesättigten Fettsäuren (flüssiges Pflanzenöl und Fischöl) führte zu einem signifikanten Rückgang der Rückfallquote.

Arachidonsäure kann die Entzündung fördern Die diesen Beobachtungen zugrunde liegenden Wirkmechanismen konnten erst durch neuere Erkenntnisse zu Biochemie und Stoffwechsel der ungesättigten Fettsäuren geklärt werden: Nahrungsmittel tierischer Herkunft (Fleisch, Butter, Eier) sind reich an Arachidonsäure, einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, die im menschlichen Körper in proinflammatorisch wirksame Eicosanoide umgewandelt wird, von denen insbesondere die Leukotriene als Effektoren und Modulatoren von Entzündungsvorgängen eine entscheidende Rolle spielen. Die auf den Krankheitsverlauf der MS günstige Stoffwechselwirkung der in Fischöl reichlich vorhandenen Omega-3-Fettsäuren beruht vor allem auf einer Verdrängung und kompetitiven Hemmung der Arachidonsäure. Die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) blockieren das am Metabolismus der Arachidonsäure beteiligte Enzymsystem und vermindern auf diese Weise die Bildung von entzündungsfördernden Eicosanoiden. Heute gilt als gesichert, daß eine Hemmung der bei MS pathologisch vermehrten Bildung der Eicosanoide den Verlauf dieser neurologischen Erkrankung positiv beeinflussen kann.

3 g Fischöl täglich Die Abnahme der Arachidonsäuremenge unter Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren konnte in einer Studie nachgewiesen werden, bei der 312 Patienten mit schubförmiger MS über zwei Jahre doppelblind randomisiert behandelt wurden. Sie erhielten entweder täglich 3 g Fischöl (als Fischölkapsel) oder die gleiche Menge Olivenöl, gleichzeitig sollte die Zufuhr tierischer Fette weitgehend reduziert und genügend ungesättigte Fettsäuren aus der Omega-6-Familie aufgenommen werden. In beiden Gruppen zeigte sich eine leichte Besserung der Symptomatik, allerdings war in der ≥Fischölgruppe" der Trend zur geringeren Progredienz der Krankheit stärker ausgeprägt. Außerdem konnte nur in dieser Gruppe eine Abnahme der Arachidonsäuremenge im Serum nachgewiesen werden.

Zytokin-Synthesehemmung Weitere Belege zur immunsupressiven Wirkung von Omega-3-Fettsäuren erbrachten vor kurzem veröffentlichte Untersuchungsergebnisse, nach denen Fischölfettsäuren die Synthese der Zytokine Interleukin-1 und des Tumornekrosefaktors (TNF) hemmen. Eine verringerte Produktion dieser als Entzündungsmediatoren bekannten Zytokine kann als Erklärungsansatz für die unter Omega-3-Fettsäuren-Gabe beobachtete Verbesserung der Entzündungssymptomatik herangezogen werden.

Auch bei anderen Erkrankungen hilfreich Nicht nur MS-Patienten können von diesen Erkenntnissen profitieren. Die positiven Wirkungen einer diätetischen Therapie mit Omega-3-Fettsäuren lassen sich auch für andere entzündliche Erkrankungen wie Rheuma nutzen, weil hier ganz ähnliche immunologische Vorgänge wie bei Multipler Sklerose ablaufen. Auch bei Morbus Crohn scheinen Omega-3-Fettsäuren positiv zu wirken (s. DAZ 37/96, S. 37). Generell bietet sich für eine Nahrungs-Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren bei MS-Patienten die Einnahme hochkonzentrierter Fischölpräparate an. Diese ermöglichen die unkomplizierte und exakte Dosierung der für die genannten therapeutischen Wirkungen erforderlichen Menge an Omega-3-Fettsäuren.

Literatur Bates, D., et al.: Dietary supplementation with omega-3 polyunsaturated fatty acids in Multiple Sclerosis. J. Neurol. Neurosurg. Psychiatr. 52, 18–22 (1989). Endres, S., C. von Schacky: n-3 polyunsaturated fatty acids and human cytokine synthesis. Current opinion in Lipidology Vol. 7, 48–52 (1996). Neu, I. S.: Multiple Sklerose: pathogenetische Bedeutung der Leukotriene. VitaMinSpur Nr. 7, 119–123 (1992). Pöhlau, D., et al.: Fette und Multiple Sklerose. Ernährungs-Umschau 44, Heft 4, 136–142 (1997). Swank, R. L., B. B. Dugan: Wirkung einer Diät mit niedrigem Gehalt an gesättigten Fettsäuren im Früh- und Spätstadium der Multiplen Sklerose. The Lancet – Deutsche Ausgabe – Vol. 4, 636–639 (1990).

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