Nahrungsergänzungsmittel für kinder

Hilfe, mein Kind isst kein Gemüse!

Stuttgart - 25.03.2024, 17:50 Uhr

Manche Kinder möchten keine gesunden Lebensmittel essen. Wann sind welche Supplemente sinnvoll? (Foto: Arnéll Koegelenberg/peopleimages.com)

Manche Kinder möchten keine gesunden Lebensmittel essen. Wann sind welche Supplemente sinnvoll? (Foto: Arnéll Koegelenberg/peopleimages.com)


Im Rahmen des Pädiatrie-Gipfels geben die Apothekerin Heike Steen und der Kinderarzt Dr. med. Stephan Illing in der Online-Fort­bildung „Nahrungsergänzung: was, wann, warum, für welches Kind?“ wichtige Tipps für eine gezielte kindgerechte Supplementierung und klären über hartnäckige Mythen rund um das Thema Vitamine und Mineralstoffe auf.

Nicht wenige Eltern kennen das Problem: Das Kind verweigert gesunde Lebensmittel. Obst und Gemüse dürfen nicht auf den Teller. Aus der Befürchtung heraus, das Kind könne nicht ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt sein, wird dann häufig in der Apotheke der Wunsch nach Nahrungsergänzungsmitteln geäußert. „Es ist durchaus normal, dass Kinder bestimmte Lebensmittelgruppen vorübergehend ablehnen“, erklärt Apothekerin Steen, „Eltern sollten das hinnehmen. Sind ein paar Wochen oder Monate vergangen, können die unbeliebten Speisen in anderer Zubereitungsform angeboten werden, zum Beispiel Möhren­rohkost statt gekochter Möhren.“ Warum sollte man dennoch nicht einfach zu Präparaten greifen, die das Rundum-sorglos-Paket suggerieren?

Überversorgung ohne Mehrwert

Auf dem Markt ist eine Vielzahl an Multivitamin-Präparaten erhältlich, deren kindgerechtes Design die junge Zielgruppe direkt ansprechen soll. „70% der Produkte überschreiten die DGE(Deutsche Gesellschaft für Ernährung)-Referenzwerte für Vier- bis Siebenjährige“, sagt Steen. Die Ähnlichkeit zu Süßigkeiten verleite Kinder, sich nicht auf ein Kaubonbon zu beschränken, sondern mehrere einzunehmen. Eine ergänzende Aufnahme sämtlicher Nährstoffe ist zudem nicht notwendig. Sinnvoll ist dagegen eine gezielte Supplementierung einzelner Nährstoffe, abhängig vom Alter und individuellem Bedarf des Kindes.

Risikogruppe Kinder

Zu den Vitaminen, deren zusätzliche Aufnahme im frühen Kindesalter ratsam ist, gehört Vitamin D. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde empfiehlt für alle reifgeborenen Säuglinge 400 bis 500 Internationale Einheiten (IE) im ersten Lebensjahr sowie in den Wintermonaten des Folgejahres unabhängig von der Sonnenexposition und Nahrungszufuhr. „Die Versorgung über die Muttermilch liegt nur knapp über der empfohlenen Menge“, erläutert Kinderarzt Illing. Gestillte Säuglinge stellen daher eine Risikogruppe für einen Vitamin-D-Mangel dar. Besonders in den Wintermonaten sind alle Kinder gefährdet, da die UV-B-Strahlung für die endogene Bildung in der Haut nicht ausreicht. Über die Nahrung kann nur 10 bis 20% des Tagesbedarfs gedeckt werden. Vitamin D3 (auch als Cole­calciferol bezeichnet) ist in fettreichem Fisch, Eiern und vollfetten Milchprodukten enthalten. Geringe Mengen Vitamin D2 (Ergocalciferol) befinden sich in Speisepilzen und Avocado. Einige Lebensmittel sind mit Vitamin D angereichert, zum Beispiel Margarine.

Ohne Calcium geht es nicht

Neben seinem Einfluss auf Immunsystem und Muskelkraft ist Vitamin D unerlässlich für den Aufbau der Knochensubstanz. „Allerdings ist eine adäquate Mineralisation nur gewährleistet, wenn genügend Calcium da ist“, erklärt Steen. Als Regulator des Calcium-Stoffwechsels steigert Vit­amin D die Resorption von Calcium aus dem Darm sowie dessen Einlagerung in die Knochenmatrix. Ist der Calcium-Spiegel im Blut jedoch zu niedrig, löst Vitamin D das Mineral aus den Knochen heraus, um den Blutspiegel konstant zu halten. Ein besonderes Risiko für eine Unterversorgung mit Calcium besteht, wenn Eltern ihre Kinder vegan ernähren. Laut dem Berufsverband der Kinderärzte ist diese Form der Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder nicht geeignet.

Notfall oder nicht?

Die klassische Vitamin-D-Mangel-Erkrankung wird als Rachitis bezeichnet. Dabei kommt es zu einer gestörten Knochenmineralisation und verminderter Muskelkraft. „Ein schwerer Mangel fördert auch Pneumonien und andere Infektionen. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass Überdosierungen vor Infekten schützen“, warnt Illing. Ein langfristiges Überschreiten der Höchstmenge, die über ein Vierfaches der empfohlenen Dosierung hinaus geht, kann zu Hypercalcämie mit Sekundärschäden vor allem an den Nieren führen. Wie sieht es aber aus, wenn z. B. ein Kleinkind unbeaufsichtigt den Inhalt einer Monatspackung verzehrt? Muss das Kind ins Krankenhaus? „Nein“, erklärt Illing, „Vitamin D ist auch bei Kindern in einer ein­maligen Überdosierung in der Regel harmlos. Die Eltern müssen in diesem Ausnahmefall keine Maßnahmen ergreifen.“

Tropfen oder Tabletten?

Vitamin D ist in Form von Tabletten oder als Lösung zum Tropfen erhältlich. Beide Darreichungsformen sind für Kinder geeignet, weisen jedoch beratungsrelevante Aspekte auf. Einige Lösungen (Cefavit® D3 Liquid pur, Dekristolvit® D3 Tropfen, Vigantol® Öl) sind mit 500 IE pro Tropfen sehr hoch dosiert. Ein Tropfen reicht folglich bei Säuglingen bereits aus, um die Tagesempfehlung zu erreichen. Sicherer in der Anwendung sind vermutlich niedriger dosierte Präparate (Devit® Tropfen) mit knapp 400 IE auf sechs Tropfen. „Tabletten sollten dem Säugling nicht in die Wangentasche gelegt werden, wie es in manchen Packungsbeilagen angeraten wird“, sagt Steen, „grundsätzlich besteht dann die Gefahr, dass sich das Kind verschluckt.“ Die Tablette sollte vielmehr auf einem Löffel Wasser zerfallen gelassen und die entstandene Lösung zu einer Mahlzeit verabreicht werden. Da das Vitamin fettlöslich ist, sorgen bereits kleine Fettmengen für eine bessere Aufnahme.

Und wie sieht es mit anderen Nährstoffen aus? Welche weiteren Vitamine und Mineralstoffe sollten bei Kindern supplementiert werden und welche nicht? Das und weiteres fundiertes Wissen zu beratungsrelevanten Themen in der Kinderheilkunde erwartet Sie auf dem Pädiatrie-Gipfel (s. Kasten „Neugierig  geworden?“).

Neugierig geworden?

Von Januar bis Juli 2024 vermitteln drei Fachärzte und drei Apotheker im Rahmen des Pädiatrie-Gipfels in zerti­fizierten Online-Vorträgen aktuelle Erkenntnisse und Hintergrundwissen rund um die kleinen Patienten. Im Fokus stehen spannende Themen, die trotz ihrer Relevanz im Rahmen von pharmazeutischen Ausbildungsinhalten nur am Rande behandelt werden:

Pädiatrische Rezepturen
Wenn wichtige Kinderarzneimittel von Lieferengpässen betroffen sind, ist die Not oft groß. Praxisbezogen und mit viel pharmazeutischer Kompetenz erläutern Apothekerin Nadine Metzger und Apotheker Dr. Andreas Ziegler, welche Möglichkeiten sich in der Rezeptur bieten.
 

Nahrungsergänzung: was, wann, warum, für welches Kind?
Warum Multivitamin- und Mineralstoffpräparate keine Universallösung sind und Eltern ihre Kinder besser gezielt supplementieren sollten, erläutern der Kinder- und Jugendarzt Dr. Stephan Illing und Apothekerin Heike Steen.
 

Nahrungsmittelallergien bei Kindern
Viele Kinder sind von Nahrungsmittel­allergien betroffen, aber noch mehr Eltern glauben, dass ihre Kinder eine solche haben. Der Pädiater und Kinderallergologe Dr. Lars Lange bringt Klarheit in diffuse Ängste und unklare Diagnosen.
 

Probiotika für Kinder
Was bisher zur Entwicklung des kind­lichen Mikrobioms bekannt ist, erläutert Pädiater und Kindergastroenterologe Dr. Axel Enninger in seinem Vortrag und geht dabei auch auf das Potenzial und die Grenzen der Behandlung mit Probiotika ein.
 

Ziel der Fortbildungen ist es, für mehr Sicherheit im täglichen Umgang mit pädiatrischen Fragestellungen zu sorgen. Der Pädiatrie-Gipfel ist eine Kooperation der PädiaAkademie und des Deutschen Apotheker Verlags und von der Bundesapothekerkammer mit insgesamt vier Fortbildungspunkten akkreditiert.

Die Buchung ist für Apothekerinnen und Apotheker und PTA bis zum 8. Juli 2024 über die Akademie des Deutschen Apotheker Verlags möglich: https://akademie.dav-medien.de/paediatrie-gipfel/


Apothekerin Judith Esch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Welche Nahrungsergänzungsmittel im Kindesalter wirklich sinnvoll sind

Hilfe, mein Kind isst kein Gemüse!

Bei den vielen Darreichungsformen auf die passende Dosierung achten

Vitamin D: Kauen, schlucken oder sprühen?

Säugling musste nach Gabe hochdosierter Tropfen intensivmedizinisch behandelt werden

Fatale Vitamin-D-Überdosierung

Bedeutung der Mikronährstoffe Vitamin D und Magnesium

Für Herz und Gefäße, Muskeln und Knochen

DeVit® – Vitamin D3 in Tropfenform

Bei Kindern an Vitamin D3 denken

Beratungswissen rund um Vitamin-D-aktive Verbindungen

Vitamin D für alle?

Baby stirbt nach Vitamin-D-Gabe

Tödliche Tropfen?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.