Analyse aus betriebswirtschaftlicher und berufspolitischer Sicht

Hindernisse und Chancen bei den honorierten Dienstleistungen (2. Teil)

Süsel - 22.03.2024, 07:00 Uhr

Ohne ein auskömmliches Honorar mit Gewinnperspektive wird die Leistung bestenfalls ein Nischendasein führen. (Foto: DAZ / Schelbert)

Ohne ein auskömmliches Honorar mit Gewinnperspektive wird die Leistung bestenfalls ein Nischendasein führen. (Foto: DAZ / Schelbert)


Die verfügbaren Mittel für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen werden bisher längst nicht ausgeschöpft. Eine betriebswirtschaftliche Analyse zeigt, dass die Zurückhaltung der Apotheken folgerichtig ist, wenn das Personal ohnehin schon knapp ist. Allerdings können die Apotheken bei der Patientenauswahl und den organisatorischen Rahmenbedingungen Einfluss nehmen, um die Ergebnisse zu verbessern. Außerdem bieten die Inhalationsschulungen eine große Chance für die Apotheken, die bisher kaum genutzt wird. Dies ist der zweite Teil der Analyse.

Den ersten Teil dieses Beitrags finden Sie hier.

Allerdings können die Apotheken die Bedingungen für die Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen teilweise auch selbst beeinflussen. Dies führt zum zweiten Teil der betriebswirtschaftlichen Analyse, nämlich dem veranschlagten Zeitaufwand.

Das Honorar für die verschiedenen Dienstleistungen steht zwar fest, aber nicht der Aufwand, der dabei jeweils getrieben wird. Die im Schiedsspruch angegebenen Zeiten sind Orientierungswerte zur Kalkulation der Honorare. Das heißt keineswegs, dass dies immer der tatsächliche Zeitbedarf ist.

Bei der Inhalationsschulung und vor allem bei der zeitlich eng getakteten dreifachen Blutdruckmessung dürften die zeitlichen Schwankungen gering sein, aber bei der Medikationsberatung sind sie sicherlich sehr groß. Denn der Zeitbedarf hängt erheblich vom Umfang und von der Komplexität der Medikation, den ermittelten arzneimittelbezogenen Problemen, der Mühe bei der Kommunikation und der Erfahrung des durchführenden Apothekers ab.

Lernkurve nicht vergessen

Bei einer solchen neuen und komplexen Aufgabe gibt es typischerweise eine beachtliche Lernkurve. Der Zeitbedarf wird bei den ersten Patienten vermutlich über der kalkulierten Zeit liegen. Diese Hürde könnte für viele der Grund sein, diese Aufgabe nicht zu beginnen. Doch der absehbare Trainingseffekt setzt nur ein, wenn man beginnt. Ohne einen ersten Schritt kommt man auf keinem Weg voran.

Mit der Zeit werden sich viele Medikationsprobleme in ähnlicher Weise wiederholen und sie können dann schneller bearbeitet werden. In solchen Lerneffekten liegt großes wirtschaftliches Potenzial.

Auswahl der Patienten

Weitere Einflussmöglichkeiten bietet die Auswahl der Patienten. Das Honorar ist eine Pauschale. Daraus folgt zwangsläufig eine Mischkalkulation zwischen den Patienten. Dies ergibt sich aus dem Honorierungskonzept. Den Apotheken kann daher nicht vorgeworfen werden, wenn sie vorteilhafte Konstellationen aussuchen, um die Medikationsberatung überhaupt anbieten zu können.

Es bietet sich daher nicht an, mit Patienten mit der maximalen Zahl an Arzneimitteln zu beginnen. Vergleichsweise einfache Fälle, bei denen die Mindestzahl von fünf Arzneimittel nicht zu sehr überschritten wird, ermöglichen einen fachlich überschaubaren Einstieg und wirtschaftlich akzeptable Bedingungen. So besteht auch am Anfang eine Chance, die Dienstleistung in den vorgesehenen 80 Minuten zu erbringen. Dazu bietet sich auch an, bekannte und kooperative Patienten zu wählen, mit denen eine gelungene Kommunikation etabliert ist.

Leistungserbringung in überschaubarer Zeit

Die Apotheken stehen damit individuell vor der Aufgabe, Patienten zu identifizieren und für die Medikationsberatung zu gewinnen, die eine Leistungserbringung in überschaubarer Zeit erwarten lassen. Das ist auch in pharmazeutischer Hinsicht besser, als diese Leistung gar nicht zu erbringen.

Aus der Perspektive der gesamten Versorgung bleibt dann das Problem zu lösen, dass gerade die Patienten mit dem größten Interventionsbedarf möglichweise keine solche Leistung erhalten. Doch diese Sorge sollte die Apothekenteams nicht zu sehr belasten, denn dies ist ein Systemproblem, das auf einer übergeordneten Ebene gelöst werden muss, idealerweise durch einen neuen Honoraransatz, der den zusätzlichen Aufwand abbildet. Dass solche Erkenntnisse bei einer neuen Leistung erst im praktischen Ablauf entstehen, sollte nicht verwundern.

Verschenktes Honorar bei der Inhalationsschulung

Ganz andere Überlegungen gelten für die Inhalationsschulung. Hier verschwimmt die abgabebegleitende Beratung bei einer Erstmedikation mit einer späteren Nachschulung, möglicherweise als Reaktion auf arzneimittelbezogene Probleme. Streng genommen passt nur der letztere Fall zum Ansatz der abgabeunabhängigen Dienstleistungen.

Es kann unterstellt werden, dass solche Beratungen in Apotheken häufig stattfinden, sei es bei einer Erstmedikation oder als Intervention bei Problemen. Sie folgen dann möglicherweise nicht exakt dem vorgesehenen Regelwerk für die pharmazeutische Dienstleistung, aber der zusätzliche Aufwand dafür ist dann nur sehr gering.

Bei dieser Konstellation ist es betriebswirtschaftlich dringend geboten, diesen geringen zusätzlichen Aufwand zu treiben, um damit die ganze Leistung abrechenbar zu machen. Denn anderenfalls gebe es nur die Honorierung über den packungsbezogenen Zuschlag.

Hier verschenken viele Apotheken offensichtlich Geld. Denn angesichts des gut gefüllten Dienstleistungsfonds muss derzeit niemand befürchten, dass abgerechnete Inhalationsschulungen nicht honoriert würden. Als Erklärung für das erstaunliche Zögern der Apotheken an dieser Stelle bleibt wohl nur, dass der organisatorische Rahmen für die Abrechnung der Dienstleitungen zu aufwendig und zu abschreckend ist.

Organisatorischer Rahmen: Offene Fragen …

Zum organisatorischen Rahmen ergibt sich zunächst ein grundsätzlicher Aspekt: Im Schiedsspruch werden zwar viele organisatorische Anforderungen erwähnt, aber es wird nicht deutlich, ob der erhebliche bürokratische Aufwand bei der Bemessung der Zeit berücksichtigt wird. Für die erweiterte Medikationsberatung werden 80 Minuten veranschlagt, von denen fünf bis zehn Minuten „der Hilfestellung durch qualifiziertes Personal zugerechnet wurden“. Was damit genau gemeint ist, bleibt offen.

Zu einer vollständigen Betrachtung müsste der gesamte begleitende Aufwand von der Terminplanung bis zur Dokumentation berücksichtigt werden. Dazu zählt auch die oftmals wohl zeitintensive Einwilligung des Patienten mit der dazu nötigen Aufklärung.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind dies alles Teilkosten, weil sie allein durch die Dienstleistungen verursacht werden. Sie müssen bei der eigentlichen Leistung berücksichtigt werden und können nicht den Vollkosten der gesamten Apotheke zugeordnet und auf alle Leistungen der Apotheke umgelegt werden. Denn dann würde die Arzneimittelabgabe die Dienstleistungen subventionieren.

Doch genau das soll durch die eigenständige Honorierung verhindert werden. Wenn der Zeitaufwand für den organisatorischen Rahmen also in den angesetzten Zeiten nicht berücksichtigt wurde, müsste dies nachgebessert werden.

… und Möglichkeiten

Unabhängig davon bildet der organisatorische Aufwand ein weiteres Starthindernis und in Apotheken, die nur sehr wenige Dienstleistungen anbieten, wird dieser Aufwand unverhältnismäßig groß sein. Die betriebswirtschaftliche Bewertung fällt dann noch schlechter aus.

Doch auch hier gibt es Lerneffekte und Einflussmöglichkeiten, den Ablauf zu beschleunigen. Dazu gehört insbesondere geeignete Software (pDL Manager, siehe Kasten). Diese unterstützt bereits die Terminbuchung, die Erfassung der Patientendaten und die elektronische Einwilligung der Patienten. Außerdem begleitet sie die Durchführung in der Apotheke und ermöglicht die Dokumentation der Dienstleistung. Naturgemäß wirkt sich dies bei mehr Dienstleistungen umso günstiger aus.

Perspektiven auf kurze Sicht …

Die derzeit geltende Honorierung für die pharmazeutischen Dienstleistungen stellt die Apotheken also vor viele Herausforderungen, aber sie haben durchaus Gestaltungsmöglichkeiten. Die überzeugenden pharmazeutischen Gründe für die Dienstleistungen, das Wohl der Patienten und der dreistellige Millionenbetrag im Fonds sprechen für diesen Weg.

Mit den oben aufgezeigten Einflussmöglichkeiten sollten sich genügend Apotheken so organisieren können, dass die verfügbaren Mittel künftig ausgeschöpft werden. Dies ist im Sinne der Patienten wichtig und zudem berufspolitisch nötig, damit die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen weiterverfolgt werden.

… und auf lange Sicht

Langfristig bleibt jedoch ein grundlegendes Problem bestehen: Wenn eine Leistung durch die Selbstverwaltung gestaltet werden soll, muss ein Grundkonsens über die Sinnhaftigkeit der Leistung vorausgesetzt werden. Anderenfalls können die Krankenkassen durch eine Blockadehaltung bei der Preisregelung alles verhindern.

Eine Schiedsstellenentscheidung, die zudem beklagt wird, kann kein Honorar generieren, das langfristig tragfähig ist. Doch ohne ein auskömmliches Honorar mit Gewinnperspektive wird die Leistung bestenfalls ein Nischendasein führen. Wenn die Dienstleistungen zur Zukunftsperspektive für die Apotheken werden sollen, ist ein deutlich höheres Honorar nötig.

Außerdem zeigt diese Erfahrung, wie wichtig der staatliche Einfluss auf die hier maßgeblichen Preise ist, wenn der Grundkonsens in der Selbstverwaltung fehlt. Vor diesem Hintergrund sollte auch der Plan, die Festzuschläge für Rx-Arzneimittel für die Zeit ab 2027 in der Selbstverwaltung auszuhandeln, sehr kritisch hinterfragt werden.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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