Behandlung der akuten myeloischen Leukämie

Ivosidenib – viertes Orphan Drug mit erheblichem Zusatznutzen

Stuttgart - 07.02.2024, 09:15 Uhr

Inhaber der Zulassung von Ivosidenib (Tibsovo) ist das Pharmaunternehmen Laboratoires Servier. (Foto: HJBC / AdobeStock)

Inhaber der Zulassung von Ivosidenib (Tibsovo) ist das Pharmaunternehmen Laboratoires Servier. (Foto: HJBC / AdobeStock)


Wenn bei Patient:innen mit akuter myeloischer Leukämie eine Mutation des Enzyms Isocitrat-Dehydrogenase vorliegt, ist das keine gute Nachricht für deren Prognose. Es ist von einer palliativen Behandlungssituation auszugehen. Allerdings gibt es seit Juli 2023 mit Ivosidenib (Tibsovo) ein neues Arzneimittel, das diesen Patient:innen laut Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) einen erheblichen Vorteil im Gesamtüberleben verschafft.

Im vergangenen Jahr wurden neun Krebstherapeutika neu eingeführt – darunter auch der IDH1-Inhibitor Ivosidenib (Tibsovo®). IDH steht für das Enzym Isocitrat-Dehydrogenase. Dieses Enzym ist bei etwa jedem zehnten Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) mutiert, was schlecht für deren Prognose ist [1]. Die neuen blauen ovalen Filmtabletten sind bei folgenden Anwendungsgebieten indiziert [2]:

  • in Kombination mit Azacitidin zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) mit einer Isocitrat-Dehydrogenase-1 (IDH1)-R132-Mutation, die für eine Standard-Induktionschemotherapie nicht geeignet sind
  • als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom mit einer IDH1-R132-Mutation, die zuvor bereits mit mindestens einer systemischen Therapie behandelt worden sind

Die beschriebene Unterform der AML ist zwar selten, dennoch hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 18. Januar nun den Zusatznutzen von Ivosidenib als „erheblich“ beschrieben – das ist die höchste Bewertungskategorie, die der G-BA vergeben kann, wie er selbst in einer Mitteilung betont [3]. 

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Seit 2011 hat der G-BA nur zwölf Mal (von 796) einem neuen Arzneimittel den Status „erheblicher Zusatznutzen“ zuerkannt. Für Orphan Drugs (zur Behandlung seltener Erkrankungen) wie Ivosidenib gilt der Zusatznutzen zwar bereits durch die Zulassung als belegt, das Ausmaß „erheblich“ wurde aber seit 2011 nur vier (von 128) neuen Arzneimitteln zuerkannt [3,4].

Der Nutzenbewertung von Ivosidenib wurde laut den „tragenden Gründen zum Beschluss“ des G-BA die laufende, randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Phase III-Studie AGILE zugrunde gelegt. Darin wurde Ivosidenib in Kombination mit Azacitidin gegenüber Placebo in Kombination mit Azacitidin verglichen. Während sich dabei in der Symptomatik, beim Gesundheitszustand, der Lebensqualität und den Nebenwirkungen keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede zeigten, war das beim Endpunkt Gesamtüberleben anders. Dort „zeigt sich ein statistisch signifikanter Unterschied zum Vorteil von Ivosidenib in Kombination mit Azacitidin“. 

Erheblicher Zusatznutzen verspricht keine Heilung

Das Ausmaß dieses Vorteils werde auch vor dem Hintergrund der bekannten schlechten Prognose für die Patient:innen im Anwendungsgebiet als eine erhebliche Verbesserung im Gesamtüberleben bewertet, heißt es. Dabei sei nicht von einer potentiell kurativen Therapieintention, sondern einer palliativen Behandlungssituation auszugehen: „Inwieweit mit Ivosidenib ein potentiell kurativer Therapieansatz vorliegt, ist zum derzeitigen Zeitpunkt anhand der vorliegenden Informationen nicht abschätzbar“ [5].

Einen eheblichen Zusatznutzen definiert der G-BA so [4]: „nachhaltige und bisher nicht erreichte große Verbesserung des therapierelevanten Nutzens

  • Heilung
  • erhebliche Verlängerung der Überlebensdauer
  • langfristige Freiheit von schwerwiegenden Symptomen
  • weitgehende Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen“

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Wie „nützlich“ sind Orphan Drugs?

Auf Grundlage der Nutzenbewertung durch den G-BA vereinbaren der GKV-Spitzenverband und die pharmazeutischen Unternehmer, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung für das bewertete Arzneimittel künftig zahlt [3].

Literatur

[1] Neubeck M. Neue Arzneimittel 2023. DAZ 51-52/2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-51-2023/neue-arzneimittel-2023

[2] Fachinformation zu Tibsovo® 250 mg Filmtabletten, Stand Dezember 2023, www.fachinfo.de/

[3] Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Neues Orphan Drug bei Unterform der akuten myeloischen Leukämie: G-BA sieht erheblichen Zusatznutzen. Stand 18. Januar 2024, www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1156/

[4] Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Ergebnisse der Nutzenbewertung – Kategorien des Zusatznutzens. Stand 22.01.2024, www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/nutzenbewertung-35a/zusatznutzen/

[5] Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII: Ivosidenib (Akute Myeloische Leukämie mit IDH1-R132-Mutation, Erstlinie, Kombination mit Azacitidin). Stand 18.01.2024, www.g-ba.de/beschluesse/6410/


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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