Auffassung von BMG und Gematik

E-Rezepte fürs Heim: Nicht mehr direkt vom Arzt zur Apotheke?

Stuttgart - 03.11.2023, 07:00 Uhr

Die Apotheken sind bereit fürs E-Rezept, allerdings sind noch viele Detailfragen zu klären. (Foto: IMAGO / Michael Gstettenbauer)

Die Apotheken sind bereit fürs E-Rezept, allerdings sind noch viele Detailfragen zu klären. (Foto: IMAGO / Michael Gstettenbauer)


In der Heimversorgung landen Rezepte im Regelfall direkt von der ausstellenden Arztpraxis in der versorgenden Apotheke. Dieser Spezialfall stellt eine Ausnahme vom Zuweisungsverbot dar. Mit Einführung des E-Rezepts könnte dies allerdings vorbei sein. Denn zumindest nach aktuellem Stand muss eine elektronische Verordnung immer erst vom Arzt ans Heim geschickt werden – und von dort aus in die Apotheke.  

Die direkte Zuweisung von Rezepten von Arztpraxen an eine Apotheke ist bekanntermaßen im Regelfall nicht zulässig – dies gilt sowohl für herkömmliche als auch für elektronische Verordnungen. Eine Ausnahme gibt es in der Heimversorgung. Hier hatte sich der Bundesverband der Versorgungsapotheken seinerzeit dafür eingesetzt, dass auch im Gesetz klargestellt wird, was im Versorgungsalltag längst an der Tagesordnung war. Nämlich dass Arztpraxen Rezepte direkt an die heimversorgende Apotheke geben, ohne einen Umweg über das Heim zu gehen. Wichtig ist dabei, dass sowohl die Pflegeeinrichtung als auch die Arztpraxis das Rezept für einen Bewohner oder eine Bewohnerin der Pflegeinrichtung aufgrund dieser Ausnahmeregelung nur dann an eine Apotheke weiterleiten dürfen, wenn mit dieser ein Heimversorgungsvertrag nach § 12a Apothekengesetz abgeschlossen wurde. Zudem muss sich der betreffende Patient beziehungsweise die Patientin für die Teilnahme an der zentralen Versorgung entschieden haben.

Mehr zum Thema

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wie funktioniert das E-Rezept in Österreich?

Wie Apotheken Pflegeheime optimal versorgen – Auftakt der Interpharm online 2023

Heimversorgung als Chance begreifen

Wenn im kommenden Jahr E-Rezepte für Arzneimittelverordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen und somit auch in der Heimversorgung wirklich Pflicht werden, droht aber möglicherweise die Rolle rückwärts. Die Gematik schreibt dazu in ihrem Feature „KIM-Nachrichten für das E-Rezept“ zu dem Thema „Rezeptanforderung durch eine Pflegeeinrichtung oder heimversorgende Apotheke“ nämlich folgendes: „Die Apotheke sendet die Rezeptanforderung mit allen relevanten Informationen an die Pflegeeinrichtung. Die Pflegeeinrichtung leitet die Rezeptanforderung an den Verordnenden weiter. Das Weiterleiten kann automatisiert erfolgen. Der Verordnende erstellt ein E-Rezept und sendet die Informationen zum Rezept zurück an die Pflegeeinrichtung. Diese leitet die Informationen zum E-Rezept an die Apotheke weiter. Das Weiterleiten kann automatisch erfolgen.“ Und auch wenn die Pflegeeinrichtung das Rezept selbst beim Arzt anfordert, soll der Arzt die Verordnung zunächst ans Heim weiterleiten, was sie dann wiederum an die Apotheke schickt. All dies soll also über die TI-Anwendung „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM) geschehen.

Rezepte immer erst ans Heim

Das heißt: Aus Sicht der Gematik muss ein Rezept immer erst an die Pflegeeinrichtung gehen, die es dann an die Apotheke weitergeben kann. Sie verweist allerdings bezüglich konkreter Rechtsauslegungen an das Bundesgesundheitsministerium (BMG). 

Die DAZ hat daher beim BMG nachgefragt. Ein Ministeriumssprecher erklärte daraufhin, dass das Vertragsverhältnis für die Heimversorgung nur zwischen dem Heim und der Apotheke bestehe. Arztpraxen seien in diese Verträge nicht einbeziehbar. Auf das Zuweisungs- oder Abspracheverbot zwischen Arzt und Apotheke haben diese Verträge somit keine Auswirkung; eine direkte Zuweisung von Rezepten vom Arzt an eine Apotheke sei ausgeschlossen.

Nicht alle Heime haben KIM

Der Umweg der Rezepte übers Heim soll über KIM laufen. Wann der Dienst in Heimen flächendeckend verfügbar ist, ist fraglich. Hat allerdings ein Heim kein KIM, könnten weiter Papier-Rezepte ausgestellt werden. Denn bei technischen Schwierigkeiten soll die E-Rezept-Pflicht ausgesetzt werden. Oder die Praxen schicken einfach das Rezept direkt per KIM an die Apotheke, ohne es an die große Glocke zu hängen, denn Arztpraxen müssen KIM bereits eingerichtet haben, bei den Apotheken ist das im kommenden Jahr der Fall. Dann sollten heimversorgende Apotheken aber auf eine erneute Klarstellung hinwirken. Denn der Umweg der Rezepte erschwert, sofern es keine automatisierte Weiterleitung gibt, die Heimversorgung immens. 

Weitere ungelöste Probleme

Und die Weiterleitung der E-Rezepte ist nicht das einzige ungelöste Problem in der Heimversorgung. Auch noch völlig unklar ist, wie Apotheken, die patientenindividuell verblistern, der Pflicht bei E-Rezepten die Charge zu übermitteln, nachkommen können. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

In der Heimversorgung droht mit dem E-Rezept die Rolle rückwärts

Nicht mehr direkt vom Arzt zur Apotheke

Künftig einfacher dank KIM?

Das E-Rezept in der Heimversorgung

Zwist um direkte E-Rezept-Übermittlung in der Heimversorgung

Direkt mit KIM oder mit Token-Boten übers Heim?

Systeme für einen effizienten Informationsaustausch im Gesundheitswesen

KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

Von der Praxis in die Apotheke – die E-Rezept-Übertragungswege aus juristischer Sicht

KIM, Plattform und Drittanbieter-App

Systeme für effiziente Kommunikationswege im Gesundheitswesen

KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

E-Rezept in der Heimversorgung: Neues Angebot der Firma Red

Ungewöhnliche Lösung

Entdeckung des E-Health-Teams des Fraunhofer-Instituts

Fehlerhafte Schlüssel sorgen für Sicherheitslücke bei KIM

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.