Zwist um direkte E-Rezept-Übermittlung in der Heimversorgung

Direkt mit KIM oder mit Token-Boten übers Heim?

Berlin - 10.01.2024, 17:45 Uhr

Heimversorgende Apotheken wünschen sich den direkten Rezeptaustausch mit Ärzten per KIM. (Foto: imago images / / Westend61)

Heimversorgende Apotheken wünschen sich den direkten Rezeptaustausch mit Ärzten per KIM. (Foto: imago images / / Westend61)


Das E-Rezept für Arzneimittel ist jetzt Pflicht – auch in der Heimversorgung. Doch nach wie vor gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob Ärzte E-Rezepte für Heimbewohner via KIM direkt an die heimversorgende Apotheke übermitteln dürfen. Das sorgt für erhebliche Verunsicherung bei den betroffenen Apotheken. Der Bundesverband der Versorgungsapotheker ist überzeugt, dass dieser Weg zulässig ist – und macht seine Position jetzt nochmals in einem Rundschreiben deutlich.

Beim Papierrezept ist es ganz normal: Für Heimbewohner*innen, die in die Versorgung durch diejenige Apotheke eingewilligt haben, mit der ihr Heim einen Vertrag (§ 12a ApoG) geschlossen hat, können Verordnungen direkt von der Praxis in diese Apotheken übermittelt werden. Ein Apothekenbote kann die Rezepte in der Praxis abholen oder aber die Praxis versendet sie an die Apotheke. 

Setzt das E-Rezept diese bewährte Praxis nun aufs Spiel? Davor warnt der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA). Hier ist man überzeugt: Auch E-Rezepte bzw. ihr Token sollten in diesen Fällen direkt von der Praxis an die Apotheke gehen können – und zwar über KIM, den sicheren Mail-Dienst der Gematik. Praxen und Apotheken sind – anders als die Pflegeeinrichtungen – bereits an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen und können KIM nutzen. Der Verband sieht für diesen Einlöseweg weder rechtliche noch tatsächliche Hürden.

Gematik: Pflegeeinrichtung ist stets einzubinden

Das Problem: Es gibt ein Feature der Gematik („KIM-Nachrichten für das E-Rezept“), wonach das Heim in die Anforderung und den Transport des E-Rezept-Tokens stets eingebunden sein muss. Selbst dann, wenn die Apotheke vom Heim vertraglich ausdrücklich mit dem Rezeptmanagement für die Dauermedikation beauftragt ist, soll die Pflegeeinrichtung immer das Bindeglied zwischen Arzt und Apotheke sein. Das ist zwar im Grunde nachvollziehbar, schließlich muss die Pflegeeinrichtung Bescheid wissen, jedenfalls wenn es Änderungen in der Medikation gibt. Unproblematisch funktioniert das aber nur, wenn alle drei Beteiligten KIM nutzen können. Und das ist derzeit eine große Ausnahme. 

BMG: Vertrag besteht nur zwischen Heim und Apotheke

Bei einer Nachfrage der DAZ im vergangenen Herbst, warum nicht auch eine Übermittlung des Tokens via KIM direkt vom Arzt an die Apotheke möglich sein soll, hatte die Gematik ans Bundesgesundheitsministerium (BMG) verwiesen – dieses ist schließlich Gematik-Mehrheitsgesellschafter. Ein Sprecher bestätigte der DAZ, dass das BMG die Einbindung des Heimes für erforderlich hält. Denn der Versorgungsvertrag nach § 12a ApoG bestehe nur zwischen dem Heim und der Apotheke, Arztpraxen seien nicht einbeziehbar. Auf das Zuweisungs- oder Abspracheverbot zwischen Arzt und Apotheke hätten diese Verträge somit keine Auswirkung und eine direkte Zuweisung von Rezepten vom Arzt an eine Apotheke sei ausgeschlossen.

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Auch die ABDA schreibt in ihren FAQ zum E-Rezept, dass KIM im Regelfall kein zulässiger Übertragungsweg vom Arzt zur Apotheke sei. Anderenfalls könne das Zuweisungs- und Makelverbot ausgehebelt werden. Tatsächlich gibt es für Zyto-Zubereitungen eine ausdrückliche Ausnahme. Speziell zum Thema Pflegeeinrichtungen schreibt die ABDA: „Rechtlich unzulässig ist die Direktübermittlung von der Arztpraxis an eine Apotheke. Hier ist die freie Apothekenwahl nicht gewährleistet.“ Sowie: „Rechtlich zulässig kann die Direktübermittlung von der Arztpraxis an das Pflegeheim dann sein, wenn der Heimpatient dem Pflegeheim eine entsprechende Empfangsbevollmächtigung erteilt hat. Das Pflegeheim leitet die E-Rezept-Token an die heimversorgende Apotheke weiter, sofern mit dem Versicherten nichts anderes vereinbart wurde.“

KBV: Token-Ausdrucke fürs Heim oder Muster 16

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung folgt in ihrer E-Rezept-Serie dieser Auffassung: Die Praxen sollen nach einer Anforderung aus dem Heim, das gewünschte Arzneimittel elektronisch verordnen und den Token ausdrucken. Ein Botendienst des Heims hole diese Ausdrucke ab und bringe sie in die Apotheke. Erfolge die Verordnung im Heim, sei das Muster 16 zu nutzen – noch haben Ärzte nämlich keine Möglichkeit, die TI mobil zu nutzen, sie läuft nur in den Praxen. Die KBV fände eine volldigitale Lösung für die Heime besser. Doch die flächendedeckende Anbindung der Pflegeeinrichtungen an die TI ist erst ab 1. Juli 2025 verpflichtend – und freiwillig hat sich erst ein Bruchteil vorgewagt.

BVVA: Fern der Realität

Für den BVVA ist diese Auffassung „fern der Realität und rechtlich nicht geboten“. Das stellt der Verband aktuell in einem Rundschreiben an seine Mitglieder klar. Und das vertritt er auch gegenüber dem BMG. Für die Interessenvertretung der heimversorgenden Apotheken ist klar: Die freie Apothekenwahl ist gewährleistet, wenn sich Heimbewohner bewusst dafür entschieden haben, sich von der Vertrags-Apotheke mit Arzneimitteln versorgen zu lassen. Dass das Recht auf freie Apothekenwahl gewahrt bleibe, werde auch im Zuge der Genehmigung des Heimversorgungsvertrages behördlich überprüft.

Weiterhin führt der BVVA aus, dass in den Konstellationen, in denen es um Dauermedikation oder akute Bedarfsmedikation geht, kein Verstoß gegen das Abspracheverbot (§ 11 Abs. 1 ApoG) vorliege. Weder würden nach einer Absprache zwischen Arzt und Apotheke Patienten zugeführt, noch Verschreibungen zugewiesen. Die Patienten hätten sich ja selbst für die Apotheke entschieden. Bei Papierrezepten gebe es hierzu bestätigende Rechtsprechung, für E-Rezepte gelte nichts anderes. Zudem: Bei der Änderung von § 11 ApoG im Zuge des Patientendatenschutzgesetzes stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich klar, dass das Verbot nicht für gesetzlich vorgesehene Rechtsgeschäfte – z. B. den Heimversorgungsvertrag – gelte.

Überdies weist der BVVA darauf hin, dass der behandelnde Arzt Arzneimittelanforderungen einer heimversorgenden Apotheke ohnehin nicht „blind“ mit einer Verordnung bediene. Die medizinische Notwendigkeit müsse geprüft werden. Besteht sie nicht, müsse er sowohl mit Heim als auch mit Apotheke kommunizieren. Sei sie gegeben, könne der Token direkt an die Apotheke übermittelt werden. Anders sei das den Beteiligten obliegende Medikationsmanagement auch gar nicht zu erfüllen.

Effiziente Arzneimittelversorgung entlastet Pflegepersonal

Nicht zuletzt argumentiert der BVVA auch mit dem allerorts beklagten Mangel an Pflegepersonal. Es gebe gar nicht genug Personal, um selbst die gesamte Kommunikation zu benötigten ärztlichen Anschlussverordnungen bei Dauermedikationen gewährleisten zu können. Ebenso wenig ergäbe es Sinn, einen E-Rezept-Token zu einer Bedarfsmedikation erst an die Pflegeeinrichtung und in einem weiteren Schritt durch die Pflegeeinrichtung an die Apotheke zu übermitteln. Das Pflegepersonal würde das E-Rezept ohnehin nicht fachlich prüfen, sondern es nur weiterleiten.

Letztlich bestätigt auch der BVVA: Wenn die Heime schon an die TI angeschlossen wären, wäre alles ganz einfach. Dann kann das Heim unmittelbar in die Kommunikation zwischen Apotheke und Praxis eingebunden werden. So könnten E-Rezepte via KIM ans Heim geschickt und automatisch auch an die Apotheke weitergeleitet werden. Doch bis Juli 2025 muss es eine andere Lösung geben. Zwar werden bis dahin bei jeder Änderung in der Medikation andere Kommunikationswege mit dem Heim nötig sein – für den BVVA ist dies aber kein Grund, die KIM-Kommunikation zwischen Praxis und Apotheke zu unterbinden.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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