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Die Folgen der Hochwasserkatastrophe
Die Hölle in der Paradies-Apotheke
Auf Hoffnung folgen Rückschläge
Als sie zurückkehren darf, ist ihre Apotheke zum Betreten freigegeben. Freunde, Mitarbeiter und zahlreiche Menschen aus Nah und Fern bieten der Apothekerin ihre Hilfe an. Die Bürgerinitiative findet sie großartig. Eine ehemalige Kommilitonin kümmert sich um die Abrechnung der Rezepte. Fast 40 Bundeswehrsoldaten
räumen die Offizin und weitere Räume der Apotheke aus. Retten kann Wierzgalla vor allem ein gerahmtes Bild, das die Historie ihrer Apotheke darstellt, darüber hinaus vier Aktenordner und einige wenige alte Standgefäße aus der Gründungszeit der Apotheke um 1903. „Diese Momente waren schlimmer als die Hochwasserkatastrophe selbst“, sagt sie. Die Apothekerin hängt sehr an der Apotheke und ihrer Geschichte. Bei einer 88-jährigen Kundin findet sie eine vorübergehende Bleibe. Die Dame wäscht jeden Tag für sie und versorgt sie mit Essen.
Der Tresor mit den Betäubungsmitteln wird polizeilich gesichert. Nach einer
Woche darf sie ihn unter Aufsicht der Beamten öffnen. Darin befinden sich neben den Arzneimitteln auch die Tageseinnahmen des 14. Juli, ein Ordner mit Passwörtern, die letzte Datensicherung sowie Schlick.
Die zweite Apotheke in Altenahr schafft es in der Zwischenzeit; Container zu besorgen und ihren Betrieb darin wieder aufzunehmen. Mit jedem Tag, an dem die Container-Apotheke arbeitet, hat Wierzgalla das Gefühl, dass das Interesse für ihre Paradies-Apotheke vor Ort schwindet. Die Behörden weisen die Apothekeninhaberin an, ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Plastiksäcke zu füllen. Doch abholen tut sie keiner. Zwei bis drei weitere Tage vergehen. Auch aus dem Labor sollen die Chemikalien entsorgt werden. Doch niemand fühlt sich zunächst verantwortlich. Eine Müllabfuhr existiert nicht. Mobil ist Gabriele Wierzgalla nicht, weil ihre Privat- und Botendienstfahrzeuge zerstört sind. Verschiedene Organisationen und Privatpersonen bieten immer wieder Hilfe an. Doch auf die Hoffnung folgen auch meist Rückschläge.
Ihre Mitarbeiterinnen sind größtenteils selbst betroffen und müssen auch im privaten Umfeld die Schäden beseitigen. Zum Teil verletzten sich die Angestellten sogar bei den Aufräumarbeiten und fallen aus. Auch Wierzgalla verletzt sich an der Hand. Die Wunde infiziert sich und schwillt an. Sie lässt sich gegen Tetanus impfen. In Altenahr spricht man von Infektions- und Seuchengefahr. Die Flut hat auch den örtlichen Friedhof durchspült. Ein Geruch von Verwesung und Kloake hängt in den Straßen.
Apothekerin Wierzgalla will nicht aufgeben. Sie spielt mit dem Gedanken, ebenfalls eine Container-Apotheke zu betreiben, obwohl sie weiß, dass viele Menschen echte Räumlichkeiten bevorzugt aufsuchen möchten. Kunden machen ihr Mut und bitten sie, bald wiederzueröffnen. Die Situation vor Ort bleibt ungeklärt: Von drei Hausärzten arbeiten zwei in provisorischen Unterkünften, ein Arzt in seinen Praxisräumlichkeiten. Auch die Zahnärztin hat sich entschlossen, ihren Betrieb wieder aufzunehmen. Der Orthopäde will sich derweil nicht festlegen.
Gabriele Wierzgalla ist stolz, die eingerahmte Geschichte der Paradies-Apotheke gerettet zu haben. Am liebsten würde sie in denselben Räumlichkeiten einen Neuanfang wagen und die Tradition fortsetzen. Aktuell schätzt sie ihre Schäden auf eine Summe in Höhe von rund 800.000 Euro.
Mit 21 Jahren kam sie aus Polen nach Deutschland und studierte Pharmazie in Bonn. Als sie 1990 fertig wird, beginnt sie für mehr als zehn Jahre in verschiedenen Apotheken in Rheinbach und Köln zu arbeiten, bis sie 2002 durch eine Zeitungsanzeige erfährt, dass ihr Vorgänger die Paradies-Apotheke abgeben möchte. Heute, 20 Jahre später, würde die 61-Jährige gerne selbst die Apotheke weitergeben, sodass die Geschichte hinter dem Glas im Bilderrahmen fortgeschrieben werden kann.
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