Kammerversammlung in Schleswig-Holstein

Christiansen erwartet weiterhin mehr Apothekenhonorar für Corona-Impfstoffe

Kiel - 10.06.2021, 12:15 Uhr

 Trotz der zahlreichen bürokratischen Belastungen schulterten die Apotheken in der Pandemie vielfältige zusätzliche Aufgaben. (c / Foto: IMAGO / Hanno Bode)

 Trotz der zahlreichen bürokratischen Belastungen schulterten die Apotheken in der Pandemie vielfältige zusätzliche Aufgaben. (c / Foto: IMAGO / Hanno Bode)


Wegen der Kürzung der Honorare für Corona-Tests werden zahlreiche Apotheken diese Tests einstellen – davon geht Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, aus. Außerdem reiche die Honorierung der Apotheken für den Umgang mit den Corona-Impfstoffen nicht aus. Christiansen erwartet daher weiterhin eine Korrektur dieses Honorars.

Bei der Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch machte Kammerpräsident Kai Christiansen deutlich, dass er noch eine Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums zum Apothekenhonorar für die Corona-Impfstoffe erwarte. Die bisher ausgebliebene Honorarerhöhung sei ein Affront gegen die Apothekerschaft. Jede Woche gelte es seitenweise Änderungen umzusetzen. Dies mit 6,58 Euro pro Vial zu vergüten, „geht an der Wirklichkeit komplett vorbei“, so Christiansen. Dabei sei auch zu beachten, dass die Apotheken hier einem Kontrahierungszwang unterliegen. Er gehe davon aus, dass die ABDA die bisherige Honorierung nicht hinnehmen und das Thema erneut vorbringen werde.

Apotheker als Problemlöser, aber nicht immer gefragt

In seinem Bericht erklärte Christiansen: „Arzneimittelversorgung lässt sich nicht aus dem Homeoffice sicherstellen.“ Trotz der zahlreichen bürokratischen Belastungen schulterten die Apotheken in der Pandemie vielfältige zusätzliche Aufgaben. Christiansen erinnerte beispielsweise an die Vorreiterrolle bei der Installation von Spuckschutzwänden und an die Herstellung von Desinfektionsmitteln. „So gab es 630 Problemlöser in Schleswig-Holstein“, folgerte Christiansen, aber er beschrieb auch problematische Erfahrungen. So hätten die Apotheker schon im Sommer 2020 angeboten, die Verteilung von Schutzausrüstung zu übernehmen, seien aber nicht gehört worden. Später sei die Maskenverteilung „übers Knie gebrochen“ worden.

Außerdem habe eine Arbeitsgruppe von Apothekern in Schleswig-Holstein ein schlüssiges Konzept zur Rekonstitution des Biontech-Impfstoffs vorgeschlagen. Dieser hätte in den Krankenhausapotheken rekonstituiert und mit dem THW in die Impfzentren verteilt werden können. Das pharmazeutische Institut der Uni Kiel hätte dafür Studierende geschult und freigestellt und die Arbeit organisiert. Christiansen betonte, dass Herstellungsfehler zum totalen Verlust der Impfwirkung führen könnten, und ergänzte: „Umso unverständlicher war für uns die Reaktion der Ärzte, man müsse deren emotionale Lage verstehen, nicht etwas impfen zu können, was man vorher nicht selbst hergestellt hätte, und diese Herstellung sei wahrlich keine Raketenwissenschaft.“ Dass in den Impfzentren in Schleswig-Holstein keine Apotheker eingesetzt würden, sei nicht nur der angeblich fehlenden Transportstabilität, sondern auch dem Druck der Ärzte zu verdanken.

Erfolgreiche Tests und Ärger um die Masken

Als erfolgreiche Aktion auf Landesebene führte Christiansen die zweimal wöchentlichen Corona-Tests bei Lehrern und Kindergartenmitarbeitern an. Fast 200 Apotheken hätten dies in kürzester Zeit umgesetzt. Die Abrechnungen dafür habe die Geschäftsstelle jedoch an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Denn die Kammer habe die Kartons mit Abrechnungen sortiert, erfasst und beim Land eingereicht. Christiansen betonte, dass die Kammer den vollen Betrag von mehr als 4,9 Millionen Euro ohne Abrechnungsgebühr an die Apotheken weitergereicht habe. Aus diesen Tests seien später die Bürgertests und die Tests für Touristen in Modellregionen geworden. So habe das flächendeckende Apothekennetz auch zum Entstehen der Modellregionen im Land beigetragen. 

Zur Maskenverteilung erklärte Christiansen, dass keine andere Organisation als die Vor-Ort-Apotheken dies in so kurzer Zeit so beeindruckend hinbekommen hätte. Doch die Marketingaktionen einiger weniger „schwarzer Schafe“ hätten dazu geführt, dass alle Apotheken unter Generalverdacht gestellt worden seien. Bei den Bezugsscheinen habe es auch „Glücksritter und Trittbrettfahrer“ gegeben. Das SHZ-Medienhaus, der größte schleswig-holsteinische Zeitungsverlag, habe mit einem fragwürdigen Angebot mitgemischt. Das habe zu großer Verärgerung bei den Apothekern geführt. Außerdem erinnerte Christiansen an die Behauptung von Eckart von Hirschhausen in der Fernsehsendung „hart aber fair“, die Apotheken würden sich an Masken gesundstoßen. Christiansen habe angesichts der angekündigten Aktion des Bundesgesundheitsministeriums, das von Hirschhausen mitherausgegebene „Impfbuch für alle“ über die Apotheken verteilen zu lassen, an von Hirschhausen geschrieben und warte noch auf eine Antwort. 

Fachpersonal für Test gefordert

Christiansen kritisierte die unterschiedliche Honorierung von Ärzten und Apotheken für Corona-Tests und die geplante Honorarkürzung. Wie damit die Qualität zu steigern sei, bleibe ihm schleierhaft. Die Honorarabsenkung werde dazu führen, dass zahlreiche Apotheken diese Aktivitäten einstellen würden, erklärte Christiansen und forderte: „Statt wie geplant das Honorar abzusenken, sollte der Bundesgesundheitsminister dafür sorgen, dass die Tests nur durch wirkliches Fachpersonal durchgeführt und angemessen und gerecht honoriert werden.“ Christiansen regte an, die Qualität der Tests zu hinterfragen.

Gesundheitssystem verdient Stärkung

Christiansen betonte: „Wenn die Corona-Pandemie eins gezeigt hat, dann wie unverzichtbar die Apotheke-vor-Ort ist.“ Darum habe es das System verdient, gestärkt zu werden. Gemeinsam mit anderen Leistungserbringern hätten die Apotheken dafür gesorgt, dass Deutschland die Pandemie so gut überstanden habe. Das müsse die Politik honorieren, forderte Christiansen und folgerte: „Wir sind keine Kostenverursacher, wir sind unverzichtbar.“ 

In der Diskussion verteidigte Christiansen die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA gegen die Kritik, die Apotheker seien zu wenig wahrnehmbar. Christiansen verwies auf eine frühere Äußerung von ABDA-Pressesprecher Dr. Reiner Kern, die Apotheker dürften sich dabei nicht mit den Ärzten vergleichen. Zur Position, die Apotheker würden in der Pandemie Aufgaben als „Lückenbüßer“ erfüllen, entgegnete Christiansen: „Ich fühle mich nicht als Lückenbüßer.“ 

QMS-Zertifizierung wird „heruntergefahren“

Ohne Diskussion beschloss die Kammerversammlung, die QMS-Zertifizierungen durch die Kammer auslaufen zu lassen. Daraufhin werden beantragte Zertifizierungen und Rezertifizierungen noch bis Ende 2021 abgearbeitet, aber keine neuen Anträge mehr angenommen. Die letzten Zertifikate werden dann Ende 2024 auslaufen. Jutta Clement, Leiterin der Fortbildungsakademie der Kammer, bezeichnete dies als „reguliertes Herunterfahren“. Zur Begründung erklärte sie, das Interesse an Zertifizierungen sei deutlich zurückgegangen, weil Apotheken zwar über ein QMS, aber nicht über eine Zertifizierung verfügen müssten. Dies betreffe auch andere Kammern und sonstige Zertifizierer. Einen Bericht über weitere Inhalte der Kammerversammlung finden Sie in der nächsten DAZ.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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