PEI gibt Teilentwarnung

Corona-Impfung für Allergiker unbedenklich?

Remagen - 07.01.2021, 12:15 Uhr

Das PEI gibt Empfehlungen zum Umgang mit Allergikern, die BNT162b (Comirnaty) erhalten sollen. (Foto: sharryfoto / stock.adobe.com)

Das PEI gibt Empfehlungen zum Umgang mit Allergikern, die BNT162b (Comirnaty) erhalten sollen. (Foto: sharryfoto / stock.adobe.com)


In Großbritannien waren schon zu Beginn der dortigen COVID-19-Impfkampagne mit der Biontech/Pfizer-Vakzine Fälle schwerwiegender, mutmaßlich allergischer Nebenwirkungen aufgetreten. Kommt die COVID-19-Impfung mit BNT162b2, das seit dem 21. Dezember auch in der EU zugelassen ist, angesichts dessen für Allergiker überhaupt infrage? Das Paul-Ehrlich-Institut hat die Datenlage dazu gesichtet und gibt zumindest eine Teil-Entwarnung.

Bereits kurz nach dem Start der Impfkampagne in Großbritannien, die mittlerweile seit fast vier Wochen läuft, waren dort zwei Fälle schwerwiegender, mutmaßlich allergischer Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Vakzine aufgetreten. Die britische Arzneimittelbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) reagierte unmittelbar und sprach eine Kontraindikation für bestimmte Personen aus.

Personen, bei denen in der Vergangenheit eine Anaphylaxie gegen einen Impfstoff, ein Arzneimittel oder ein Lebensmittel aufgetreten ist, sollen BNT162b2 nicht und Personen, bei denen nach Verabreichung der ersten Dosis des Impfstoffs eine Anaphylaxie aufgetreten ist, keine zweite Dosis erhalten.   
Um einer etwaigen Verunsicherung von Allergikern in Deutschland vorzubeugen, haben die Allergologie- und Pharmakovigilanzexpert:innen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) die vorhandene Datenlage gesichtet und bewertet und die Ergebnisse in einer Stellungnahme zusammengefasst. Diese wurde zwei Tage nach der Zulassung des Impfstoffs in der EU kurz vor Weihnachten veröffentlicht. 

Sicherheitsdaten aus Studien

Hinsichtlich der Daten aus klinischen Studien mit dem Impfstoff BNT162b2 nimmt das PEI Bezug auf den öffentlichen Bewertungsbericht der MHRA zu der temporären Genehmigung der Vakzine vom 11. Dezember 2020.

Hiernach erhielten in Phase 2/3-Studien 21.621 Personen den Impfstoff (Verum) und etwa dieselbe Personenzahl Placebo. Schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen traten bei 126 Personen der Verumgruppe (0,6 Prozent) bei 111 Personen der Placebogruppe (0,5 Prozent) auf. In der Verumgruppe sahen die Prüfärzte bei vier Fällen einen Bezug zum Impfstoff. Unmittelbare unerwünschte Wirkungen (innerhalb von 30 Minuten nach Verabreichung) berichteten nach ersten Dosis 101 Teilnehmer:innen in der Verum- und 77 in der Placebogruppe. Nach der zweiten Doris waren es 57 (Verum) versus 46 (Placebo). Die häufigsten Nebenwirkungen bei Personen ab 16 Jahren waren Schmerzen an der Injektionsstelle (> 80 %), Müdigkeit (> 60 %) und Kopfschmerzen (> 50 %). Alle Reaktionen klangen innerhalb weniger Tage nach der Impfung ab. Kein:e Studienteilnehme:rin berichtete über eine unmittelbare allergische Reaktion nach einer der beiden Dosen von BNT162b2. 

Bei der organspezifischen Betrachtung (System Organ Class, SOC) aller unerwünschten Nebenwirkungen (5.770 in der Verum- und 2.638 in der Placebogruppe) entfallen in der Verumgruppe 26 unerwünschte Reaktionen (0,1 Prozent) auf die SOC „Erkrankungen des Immunsystems“ im Vergleich zu 22 (0,1 Prozent) in der Placebogruppe. 

Das PEI gibt zu bedenken, dass Proband:innen mit einer Vorgeschichte einer schweren unerwünschten Reaktion im Zusammenhang mit einem Impfstoff und/oder einer schweren allergischen Reaktion (z. B. Anaphylaxie) auf eine Komponente der Studienmedikation von den Studien ausgeschlossen waren, Personen mit einer nicht-schweren Ausprägung solcher Reaktionen in der Vorgeschichte jedoch nicht. Eine gezielte Subgruppenanalyse von behandelten Personen mit allergischen Grunderkrankungen liegt noch nicht vor. 

Informationen aus dem europäischen Spontanmelderegister

Ein Blick in das europäische Spontanmelderegister für unerwünschte Arzneimittelwirkungen kann aufgrund der erst sehr kurzen Anwendungsdauer naturgemäß noch nicht sehr aufschlussreich sein. Bei der bisherigen Spontanerfassung von unerwünschten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Verimpfung von BNT162b2 fehlen nach der Analyse des PEI zudem häufig wichtige fallbezogene Informationen, die erforderlich sind, um Risikofaktoren und Risikogruppen einzuengen. Das Paul-Ehrlich-Institut hält die derzeitige Datenlage aus der Spontanerfassung daher noch nicht für ausreichend, um hieraus eine schlüssige allergologische Risiko-Bewertung abzuleiten.

Lipidnanopartikel als mögliche Auslöser

Unabhängig davon, ob die in Großbritannien gemeldeten schwerwiegenden Reaktionen tatsächlich mit dem Impfstoff in Zusammenhang stehen, kommen als Auslöser zum einen der Wirkstoff selbst, inklusive seiner Reaktions-/Abbauprodukte, und zum anderen die verwendeten Hilfsstoffe infrage. Latexspuren aus dem Stopfen der Durchstechflaschen scheiden hierfür laut PEI ebenso aus wie ein Adjuvans, ein Konservierungsstoff oder Hühnereiweiß, da diese in dem Impfpräparat allesamt nicht vorkommen. Vornehmlich zieht das PEI die in dem Impfstoff enthaltenen Lipidnanopartikel in Betracht, die die mRNA einschließen. Diese ähneln den bereits seit vielen Jahren pharmazeutisch eingesetzten Liposomen, die als Träger für Arzneistoffe dienen. Mögliche pseudoallergische, das heißt nicht-IgE-vermittelte Reaktionen (sog. CARPA, complement activation-related pseudoallergy), seien im Zusammenhang mit Liposomen beschrieben, schreibt das PEI. 

Sensibilisierung über PEG-haltige Kosmetika und Medikamente

Die in BNT162b2 enthaltenen Lipidnanopartikel setzen sich zusammen aus zwei strukturellen (2-Distearoyl-sn-glycero-3 phosphocholin, Cholesterol) und zwei funktionellen Lipiden (ALC-0315, ALC-0159). Eines davon (ALC-0159) enthält ein Polyethylenglykol(PEG)-Polymer. Ähnliche PEG-Polymere mittlerer Größe mit einem allergenen Potenzial werden nach Darlegung des PEI in einer Vielzahl von Kosmetika und Medikamenten als Zusatzstoff oder zur PEGylierung von Arzneistoffen eingesetzt. Deshalb könnten bei Impflingen durch eine vorherige Sensibilisierung über die Anwendung entsprechender Produkte eventuell Anti-PEG-IgM und/oder -IgG (theoretisch denkbar auch IgE) vorhanden sein. Über die Prävalenz von Anti-PEG-Antikörpern in der Bevölkerung soll allerdings wenig bekannt sein. Außerdem könnten die Antikörper auch durch die erste Impfung selbst erzeugt werden.

Die Vermutung, dass PEG Auslöser der allergischen Reaktion auf BNT162b2 sein könnte, stellte im Dezember bereits Dr. Paul A. Offit, Impfstoffexperte und Mitglied eines externen Beratungsgremiums, das der FDA die Notfallzulassung von BNT162b2 empfohlen hatte. Er äußerte sich in der „New York Times“, dass Polyethylenglykol die allergische Reaktion ausgelöst haben könnte.

Kein generell erhöhtes Risiko

Basierend auf den bis zum 23. Dezember 2020 vorliegenden Daten ist aus Sicht des Paul-Ehrlich-Instituts für Personen mit bekannten Erkrankungen aus dem atopisch-allergischen Formenkreis bei Impfung mit BNT162b2 kein generell erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte Wirkungen abzuleiten. Die Experten, die an der Zulassungsempfehlung für Comirnaty® in der EU beteiligt waren, teilen offensichtlich diese Auffassung. Hiernach gibt es im Gegensatz zu der temporären Genehmigung in Großbritannien keine Kontraindikation für Allergiker:innen beziehungsweise Menschen mit Anaphylaxien in der Vorgeschichte. Eine vorbekannte Allergie auf darin enthaltene Inhaltsstoffe (z. B. PEG) ist jedoch eine Gegenanzeige für die Impfung mit Comirnaty®. Auch Personen, die auf die erste Dosis mit einer Überempfindlichkeit reagiert haben, sollen die zweite Dosis nicht bekommen. Gemäß der für die EU zugelassenen Produktinformation sollen alle geimpften Personen mindestens 15-Minuten lang nachbeobachtet werden. Außerdem sollen die Impfzentren die personelle, räumliche und technische Ausstattung zur Notfall-Behandlung vorhalten.

Anaphylaxie unter besonderer Überwachung

Nach dem Bewertungsbericht zu Comirnaty®, den die Europäische Arzneimittelagentur anlässlich der Zulassung in der EU am 21. Dezember veröffentlicht hat, bleibt die Anaphylaxie als „important Safety Concern“ im Rahmen der zusätzlichen Maßnahmen zur Risikominimierung verstärkt unter dem Überwachungs-Radar. Auch in den diversen Studien, deren Ergebnisse aber nicht vor Mitte oder Ende 2023 erwartet werden, soll ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Lebensmittelunverträglichkeit/anaphylaktischer Schock/Corona Impfung

von Hildegard Arnold am 02.02.2021 um 10:39 Uhr

Lebensmittelunverträglichkeit/anaphylaktischer Schock/Corona Impfung
Laut Bluttest vertrage ich weder Milch oder Milchprodukte noch Ei oder Eiprodukte. Seit elf Monaten esse ich weder Milch noch Ei, habe keine Beschwerden mehr. da ich Allergietyp drei bin, darf ich nach zwölf Monaten, also in einem Monat, Zufuhr geringer Milch oder Eiprodukte testen.
Im Coronaimpfstoff sind Proteine enthalten. Wie steht es dann mit einer Impfung für mich? Bin 72 Jahre alt.

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Allergien auf: Nüsse. Alkohol. Latex, Duftstoffe, Weichmacher, Histamin, parabenemix, ....! Läßt alles einen Schub der Neurodermitis aus.

von Christa Berger am 28.01.2021 um 11:48 Uhr

Ich sollte demnächst geimpft werden. Mache mir aber bezüglich meiner vielen Allergien Sorge.
Bei vorangekommen Grippeimpfungen war ich den ganzen Winter über angeschlagen.
Bitte um Auskunft
Mit freundlichen Grüßen hgista berger

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Allergien

von eckre am 19.01.2021 um 22:01 Uhr

Guten Abend,
ich interesiere mich auch aufgrund einer Allergie meineseits für das Thema der Impfstoffe gegen die Covid 19 Infektion.
Die Impfstoffe haben ein unterschiedliche Zusammensetzungen der Inhaltsstoffe .Auf jeden Fall den Hautarzt danach befragen, um sicher zugehen, was beachtet werden muss!

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Covid19-Impfung bei Allegiker

von Roswitha Kuhnert am 08.01.2021 um 22:39 Uhr

Die Aussagen im Beitrag sind nur bedingt hilfreich. Mein Mann ist Dialyse-Patient, Er ist sein Leben lang Allegiker
( Abfolge: Haut - Heuschnupfen - Asthma). Die Impfung soll im Dialysezentrum erfolgen. Die dort arbeitenden Ärzte konnten ihm bisher keine Auskunft geben, ob er mit und mit welchen Komplikationen rechnen muss. Können Sie mir zugängliche Informationen zu diesem Problem nennen?
Danke und freundliche Grüße
Roswitha Kuhnert

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