Antragsentwurf

FDP-Bundestagsfraktion will Erstattung von OTC-Arzneien ausweiten

Berlin - 29.12.2020, 11:00 Uhr

Geht es nach den Liberalen, sollen die Krankenkassen künftig auch vermehrt für OTC-Arzneimittel bezahlen. (c / Foto: Schelbert)

Geht es nach den Liberalen, sollen die Krankenkassen künftig auch vermehrt für OTC-Arzneimittel bezahlen. (c / Foto: Schelbert)


Die FDP-Fraktion im Bundestag wagt in Sachen OTC-Erstattung einen Vorstoß: Sie will einen Antrag in den Deutschen Bundestag einbringen mit dem Ziel, unter anderem Mittel zur Raucherentwöhnung auf Kassenkosten verordnen zu lassen. Zudem will sie die Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) deutlich ausweiten, wenn es um die Aufnahme von Arzneimitteln in die OTC-Ausnahmeliste geht. Für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sollen OTC-Präparate auf ärztliche Verordnung hin grundsätzlich erstattet werden.

Insgesamt 44 Positionen umfasst die OTC-Ausnahmeliste – viel zu wenig, findet die FDP-Fraktion im Bundestag. In dem Entwurf eines Antrags, der DAZ.online exklusiv vorliegt, fordert sie, die Erstattungsfähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Medikamente deutlich auszuweiten.

„Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind, können ebenso wie verschreibungspflichtige Arzneimittel einen wichtigen Beitrag zur Therapie von Erkrankungen leisten“, heißt es in dem Antragsentwurf. „In vielen Fällen werden sie zu einer wirksamen Therapie benötigt, etwa in der Schmerztherapie oder bei vielen chronischen Erkrankungen.“

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Seit im Jahr 2004 nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung explizit ausgeschlossen wurden, müssen die Kassen auf ärztliche Verordnung hin lediglich noch für ein sehr begrenztes Spektrum von OTC-Arzneien zahlen. Welche Medikamente das betrifft, regelt die sogenannte OTC-Ausnahmeliste. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet, welche Mittel darin aufgenommen werden. In der Regel sind es Arzneien für Kinder und Jugendliche sowie für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, wenn das Medikament zum Therapiestandard zählt.

Die FDP-Fraktion sieht diesbezüglich Verbesserungsbedarf. „Um die Versorgung zu verbessern und chronisch erkrankten Menschen eine bessere Behandlung zu ermöglichen, sollte der G-BA mehr Kompetenzen bekommen, um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in die GKV-Versorgung aufnehmen zu können. Außerdem soll bei Kindern und Jugendlichen eine Erstattung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr erfolgen, dies entlastet Familien und kann Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter vermindern“, schreiben die Abgeordneten.

Erstattung aller OTC-Präparate wäre zu teuer

Eine komplette Wiederaufnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in die Versorgung der GKV halten die Liberalen aus medizinischen und wirtschaftlichen Gründen allerdings nicht für sinnvoll. Bei chronischen Erkrankungen bestehe jedoch ein Handlungsbedarf, schreiben die Abgeordneten in der Begründung zum Antrag. „Es ist kaum vermittelbar, warum Menschen, die an einer chronischen Erkrankung leiden, die mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln behandelt werden kann, voll für die Kosten der Arzneimittel aufkommen müssen, während Menschen, deren Erkrankung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln behandelt werden kann, nur die Rezeptgebühr zahlen müssen.“

Eine vollständige Wiederaufnahme aller nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung würde zudem zu erheblichen Kosten und zu erheblicher Bürokratie führen, räumt die FDP ein. „So müsste für jedes Arzneimittel eine Nutzenbewertung nach §35a SGB V vorgenommen werden. Die Kosten für diese Nutzenbewertung könnte dazu führen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen der hohen Kosten vom Markt genommen werden würden, womit sie dann weder in der GKV noch für Selbstzahler zur Verfügung stünden.“

GKV soll Raucherentwöhnung finanzieren

Allerdings sollte die Gesetzliche Krankenversicherung nach Ansicht der Liberalen künftig Arzneimittel zur Rauchentwöhnung finanzieren dürfen, sofern diese qualitätsgesichert und unter ärztlicher Aufsicht stattfindet. „Bei einer erfolgreichen Rauchentwöhnung können Gesundheitsrisiken in erheblichem Ausmaß vermindert werden. Dies verbessert die Lebensqualität der betroffenen Menschen und entlastet die Krankenkassen von teuren Folgekosten für durch das Rauchen verursachte Erkrankungen“, halten sie in dem Entwurf fest. „Eine Aufnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in die Versorgung kann in einigen Fällen aus medizinischen und wirtschaftlichen Gründen sinnvoll sein, etwa um das Ausweichen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verhindern oder um Menschen mit niedrigen Einkommen zu entlasten, die bei einer ärztlichen Verschreibung auf den Kauf von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten verzichten könnten.“

Einsatz von Lifestyle-Präparaten kann medizinisch sinnvoll sein

Ebenso gelte es zu überprüfen, ob die in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V ausgeschlossenen Arzneimittel, sogenannte Lifestyle-Präparate, nicht nur der Erhöhung der Lebensqualität dienen, sondern auch einen praktischen Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten können. „Insbesondere sollte bei einer Neubewertung die Prävention von Erkrankungen im Vordergrund stehen. So könnte etwa eine Adipositas-Behandlung mit Arzneimitteln durchaus eine medizinische Möglichkeit darstellen, Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkerkrankungen zu vermeiden oder deren Folgen zu reduzieren.“

Erektile Dysfunktion kann Psyche belasten

Auch die medikamentöse Behandlung erektiler Dysfunktionen könnte demnach etwa im Bereich der Familienplanung oder der psychischen Gesundheit aus medizinischen Gründen angebracht sein. „Es ist insgesamt falsch, Arzneimittel generell aus der Versorgung auszuschließen, die einen medizinischen Nutzen haben können. Entscheidend für eine Versorgung muss vielmehr sein, ob diese Arzneimittel ärztlich verordnet werden und ob sie aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll eingesetzt werden können“, betonen die Abgeordneten in der Begründung zu ihrem Antrag.

Nach dem Willen der FDP soll die Bundesregierung bis zum 31. März 2021 einen Gesetzentwurf vorlegen, der

  • dem Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzlich die Entscheidungsbefugnis überträgt, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Behandlung spezifischer chronischer Erkrankungen in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen, unter der Maßgabe, dass diese von einem Vertragsarzt verordnet wurden,
  • die Erstattung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch die Gesetzliche Krankenversicherung für Kinder und Jugendliche verbessert, indem die Versorgung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gewährleistet wird und bei Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 24. Lebensjahr,
  • den Krankenkassen ermöglicht, Arzneimittel zur Rauchentwöhnung zu erstatten, sofern diese im Rahmen einer Entwöhnungstherapie und unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden und
  • der nach aktuellen Erkenntnissen eine Neubewertung der in § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossenen Arzneimittel vorsieht, die laut Gesetz vordergründig zur „Erhöhung der Lebensqualität“ dienen.

Der FDP-Gesundheitsexperte Wieland Schinnenburg, der den Antragsentwurf federführend vorlegt, nennt den Verordnungsausschluss von OTC-Arzneien im Jahr 2004 einen Fehler. Als einzige Fraktion habe die FDP der Änderung damals nicht zugestimmt, unterstreicht er. Schinnenburg fordert, besonders belastete Personengruppen wie chronisch kranke Menschen und Familien durch eine Kostenübernahme nicht verschreibungspflichtiger Medikamente durch die Krankenkassen zu entlasten. „Dies steigert auch den Behandlungserfolg, denn viele Menschen können sich solche Arzneimittel nicht leisten und verzichten trotz einer Verschreibung auf den Kauf”, ist er sich sicher. „Auch durch eine erfolgreiche Rauchentwöhnung helfen wir den Menschen und können die Risiken für schmerzhafte und teure Folgeerkrankungen reduzieren. Deshalb legen wir Freien Demokraten einen Vorschlag zur Verbesserung der Versorgung vor, der genau in diesen Punkte Änderungen vorsieht.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

FDP

von Gregor Nelles am 30.12.2020 um 20:00 Uhr

Da war doch war mit FDP?
Ach ja, die Unterstützung für den Versandhandel..., wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, möchte die FDP, dass der Versandhandel die Teile der OTC Arzneimittel auch auf Rezept richtig gut bezahlt bekommen..., was für ein Politischer Haufen..., total unseriös und Unglaubwürdig...
Es gibt wirklich nicht mehr was mir früher mal an denen gefallen hat....

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