DAZ aktuell

Kassen müssen Linola & Co. nicht erstatten

BSG-Entscheidung zum Ausschluss von Neurodermitis-Basistherapeutika

KASSEL (jz/ks). Basistherapeutika bei Neurodermitis bleiben Privatsache: Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass Neurodermitis-Basispflegeprodukte zurecht nicht von den Kassen erstattet werden. Nach Auffassung der Richter durfte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) es ablehnen, sie als verordnungsfähige Standardtherapie in die OTC-Ausnahmeliste aufzunehmen. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, Az. B 1 KR 24/10

Bitter Die für Neurodermitispatienten zwingend notwendigen Basispflegeprodukte bleiben von der OTC-Ausnahmeliste ausgeschlossen. Foto: BepantholHandbalsam

Die bei der Ersatzkasse versicherte Patientin erhielt vor 2004 zur Basispflege der Haut Linola®, Linola® Fett, Anaesthesin® Salbe 20%, Balneum Hermal® F sowie Pasta Zinci Mollis auf Kosten der beklagten Kasse. Sie benötigt die Basispflegeprodukte, um schwere Neurodermitis-Schübe zu verhindern. Als zum 1. Januar 2004 die Verordnungsfähigkeit nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich ausgeschlossen wurde, nahm der G-BA die betroffenen Mittel nicht in die OTC-Ausnahmeliste auf.

Weil die klagende Patientin seit April 2004 die Produkte nur noch auf Privatrezept erhielt und dadurch nach eigenen Angaben monatliche Kosten von rund 500 Euro hatte, klagte sie gegen die DAK auf Erstattung. Nach einem langjährigen Gerichtsverfahren unterlag die Patientin letzte Woche in der letzten Instanz. Der Senat holte für seine Entscheidung unter anderem Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Zulassungsstand der Mittel ein. Hinsichtlich Linola® und Anaesthesin® Salbe 20% scheide ein Anspruch auf Erstattung aus, weil diese Arzneimittel allenfalls wegen der verfahrensrechtlichen Aufrechterhaltung einer Alt-Zulassung nach dem AMG 1961 verkehrsfähig seien, so der Senat. Ein solcher Zulassungsstatus genügte dem Senat nicht, um die Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV zu begründen: "Es fehlt an der erfolgreichen Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Mittel."

G-BA: Basistherapeutika kein Therapiestandard

Der G-BA führte während des Verfahrens aus, Basistherapeutika stellten nicht den Therapiestandard zur Behandlung einer Neurodermitis im Sinne einer schwerwiegenden Erkrankung dar. Die neuesten HTA-Berichte und Leitlinien bestätigten den Mangel an Evidenz für den Nutzen der Mittel, auch wenn Leitlinien eine Hautpflege mit Basistherapeutika empfehlen würden. Es gebe keine Studien, die eine Überlegenheit eines als Arzneimittel zugelassenen Basistherapeutikums gegenüber Kosmetika oder Medizinprodukten belegten, welche in der Regel preiswerter seien.

Die Richter entschieden damit, dass der Ausschluss der Neurodermitis-Basistherapeutika aus der OTC-Ausnahmeliste rechtmäßig war. "Bei Bedürftigkeit Betroffener übernehmen andere Teile des Sozialsystems unter den dort genannten Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Leistungen, etwa das SGB II und SGB XII", so der Senat. Er sah auch die Versorgung Versicherter in Fällen schwerer Verlaufsformen der Neurodermitis mit dem allgemein anerkannten Therapiestandard als gesichert an, etwa durch Anwendung lokal applizierter Glukokortikoide oder der topischen Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren. "Die Qualität der Mittel der Krankheitsbekämpfung und die Schwere der Krankheit, nicht aber die ökonomische Bedürftigkeit des Betroffenen bestimmen systemgerecht und verfassungskonform den Umfang des GKV-Leistungskatalogs."

BPI: Rückschlag für Neurodermitiker

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bedauerte das Urteil. Es sei ein "Rückschlag für die rund sechs Millionen Neurodermitiker in Deutschland, die sich in ihrem unverschuldeten chronischen Leiden häufig nicht ernst genommen fühlen und hohe Therapiekosten selbst schultern müssen", sage BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Neurodermitis sei eine schwerwiegende Erkrankung, die die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtige und die kontinuierlich behandelt werden müsse. "Das muss der Gemeinsame Bundesausschuss endlich anerkennen und die therapienotwendigen Salben auf die OTC-Erstattungsliste setzen", so Fahrenkamp.



DAZ 2012, Nr. 11, S. 24

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