Zweites Schweizer Paket

Enttäuschung bei pharmaSuisse wegen Missachtung der Apotheken

Remagen - 25.11.2020, 13:15 Uhr

Der Apothekerverband pharmaSuisse begrüßt die Initiative zum zweiten Kostendämpfungspaket, ist aber enttäuscht, weil die Apotheker nicht zu den Erstberatungsstellen für Patienten gehören sollen. (Foto: Kavalenkava / adobe.stock.com)

Der Apothekerverband pharmaSuisse begrüßt die Initiative zum zweiten Kostendämpfungspaket, ist aber enttäuscht, weil die Apotheker nicht zu den Erstberatungsstellen für Patienten gehören sollen. (Foto: Kavalenkava / adobe.stock.com)


Warum Apotheken nicht als Erstberatungsstellen?

Gerade in der Erstberatung könnten die Schweizer Apotheker eine wichtige Rolle spielen, weshalb sie das Vorhaben grundsätzlich unterstützen. Allerdings kommen sie selbst an der Stelle in der Gesetzesvorlage nicht vor. Das hat pharmaSuisse in seiner Stellungnahme zu dem Paket heftig kritisiert.

Mit den Revisionen des Heilmittelgesetzes (HMG) und des Medizinalberufegesetz (MedBG) seien die Kompetenzen der Apotheken deutlich ausgebaut worden, macht der Verband geltend. Apotheker könnten hiernach unter klar definierten Bedingungen leichte Erkrankungen behandeln. Außerdem gebe es schon jetzt Versicherungsmodelle, die die Apotheke als erste Anlaufstelle in der medizinischen Grundversorgung festlegen und damit die Hausarzt- und Telemedizin-Modelle ergänzen. Daneben spricht sich pharmaSuisse dezidiert gegen den verpflichtenden Ansatz aus. Die Versicherten sollten selbst darüber entscheiden und ihre 
Erstberatungsstelle innerhalb von einer Liste der dafür qualifizierten Leistungserbringer frei wählen und jederzeit wechseln dürfen, so die Forderung.

Netzwerke zur koordinierten Versorgung

Modelle interprofessioneller Netzwerke für die koordinierte Versorgung passen pharmaSuisse gut ins Konzept. Im Idealfall sollten die Versicherten jedoch nach Meinung des Verbandes die Möglichkeit haben, ihr eigenes Netzwerk durch Wahl eines Apothekers, einer Hausärztin, einer Advanced Practice Nurse (APN), eines Spitex-Teams usw. zusammenzustellen. Zur Auswahl sollten nur Dienstleister stehen, die für die interprofessionelle Arbeit ausgebildet sind und die eine Qualitätscharta unterzeichnet haben. Es gebe bereits jetzt zahlreiche Versicherungsmodelle, bei denen sich die Versicherten freiwillig für eine eingeschränkte Auswahl entscheiden. 

Prävention und Patientenversorgung 

Auch die mögliche Beteiligung von Apothekern an Präventions- und Patientenversorgungsprogrammen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wird begrüßt. pharmaSuisse hält die vorgeschlagene Öffnung jedoch für zu zögerlich. Apotheker könnten aufgrund ihrer gestärkten Rolle eine breite Palette an Leistungen mit kostendämpfender Wirkung anbieten, meint der Verband geltend. Nach derzeitigem Recht dürften jedoch nur Apothekerleistungen tarifiert und von der Krankenkasse abgegolten werden, die bei der Abgabe eines Medikaments erbracht werden. Der Vorlage-Entwurf sehe keine Korrektur dieses Grundsatzproblems vor, so die Kritik. Dabei könnten Apotheker besonders aufgrund ihrer Kompetenz in klinischer Pharmazie Einsparungen erwirken, zum Beispiel im Rahmen der Qualitätszirkel Ärzte-Apotheker oder der pharmazeutischen Betreuung in Alters- und Pflegeheimen.

Gelegenheit verpasst

Abschließend nehme pharmaSuisse „mit Unverständnis zur Kenntnis, dass der Bundesrat dieses zweite Maßnahmenpaket nicht genutzt hat, um die Position der Apotheken als einfach zugängliche Anlaufstelle in der medizinischen Grundversorgung wirklich zu stärken und sie besser in die Prävention, Beratung und Koordination einzubinden“, heißt es in einer Medienmitteilung. Er habe die Gelegenheit verpasst, auf die Motionen* Humbel und Ettlin zu reagieren. Beide hatten sich ganz klar in dieser Richtung positioniert. 

*Anmerkung der Redaktion: Motion ist ein schweizerischer Begriff für einen parlamentarischen Vorstoß auf eidgenössischer, kantonaler oder kommunaler Ebene, der die Regierung beauftragt, tätig zu werden. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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