Was ist zu beachten?

Wie steht es um den Versicherungsschutz bei Grippeimpfung in der Apotheke?

Hamburg - 10.08.2020, 07:00 Uhr

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 


Vorsicht bei Beweislastumkehr!

Zwar leisten die Gesellschaften, wenn nur eine sogenannte einfache Fahrlässigkeit vorliegt, tückischerweise sehen die Bedingungswerke hier aber eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Versicherungsnehmers vor. Beispielhaft die AXA:

„Ausgeschlossen sind: Haftpflichtansprüche wegen Per­sonenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des Ver­sicherungsnehmers resultieren.

Es besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.“

(Quelle:AXA Konzern AG, AHB [01/08], Ziffer 7.18)

Die Apotheker müssen also gerichtsfest nachweisen, dass sie – im Falle von COVID-19 – beispielsweise vorschriftsgemäß Mundschutz getragen, Hände desinfiziert haben etc. Dieser Gegenbeweis wird in der Praxis schwerlich zu erbringen sein. Stecken sich Patienten während der Impfung an, so wären die Pharmazeuten dann bei eventuellen Schadensersatz­ansprüchen de facto auf sich allein gestellt und würden unbeschränkt persönlich haften!

Dies ist umso heikler, da laut der Rechtsprechung teilweise die in der Arzthaftung anerkannte Umkehr der Beweislast wegen grober Fehler auch für die Haftung des Apothekers bei (vermeintlichen) Beratungsfehlern gelten soll (so OLG Köln [5. Zivil­senat], Teilurteil vom 07.08.2013 - 5 U 92/12). Wenn diese strengen arzttypischen Haftungsregeln aus § 630h Abs. 5 BGB bereits bei klassischer Apothekentätigkeit wie der Beratung angewendet werden sollen, so müsste dies erst recht der Fall sein bei einer Erweiterung auf eine klassisch ärztliche Tätigkeit wie das Impfen, welches eine medizinische Maßnahme im Sinne von § 630d BGB darstellt. Die Apotheker sind demnach also nicht nur gegenüber der Versicherungsgesellschaft im Rahmen der Deckungsanfrage beweispflichtig, sondern auch im eigentlichen Schadensersatzprozess gegenüber dem Geschädigten – eine prozessual äußerst nachteilige Situation. Mit einer sorgfältigen Dokumentation und Beweissicherung lassen sich die Risiken reduzieren – ausschließen jedoch nicht. Die schwierige Abgrenzung von versicherter einfacher Fahrlässigkeit und unversicherter grober Fahrlässigkeit birgt im Schadenfall zudem Streitpotenzial mit dem Versicherer.

Die Repräsentantenklausel

In diesem Zusammenhang sollte auch auf die „Repräsentantenklausel“ in den Versicherungsbedingungen geachtet werden. Vielen Apothekeninhabern wird gemäß ihren Bedingungswerken das Verhalten und die Kenntnis der „Repräsentanten“ zugerechnet – und dadurch auch deren grobe Fahrlässigkeit. Teilweise werden alle pharmazeutischen Fachkräfte als „Repräsentanten“ definiert. Um diese weite Haftung für das Verhalten der (impfenden approbierten) Mitarbeiter zu vermeiden, sollten Tarife gewählt werden, die nur den Apothekeninhaber selbst als „Repräsentant“ definieren.



Jascha Arif, Rechtsanwalt, Hamburg
redaktion@daz.online


Steffen Benecke, Versicherungsmakler, Hamburg
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Impfen & Versicherung

von AM am 14.08.2020 um 16:47 Uhr

Vielen vielen Dank den beiden Fachleuten(!) für ihren treffenden, für uns juristische Laien einfach verständlichen Kommentar zu dieser Problematik. Dieser beleuchtet sehr viele interessante Aspekte & bestätigt die vielen kritischen Ansichten einiger Apotheker eindrucksvoll!

Impfen wird i.d.R. in >90% der Policen nicht unter apothekentypische Tätigkeiten bzw. Risiken fallen - d.h. Zusatzversicherung, was definitiv nicht ohne Mehrkosten von statten gehen wird, da zusätzliche(!) Deckung zum bereits bestehenden Versicherungspaket. Wie war nochmal das angeplante Impf"honorar"? Wie wird die Prämienerhöhung ausfallen? Fragen über Fragen...

Dann der Punkt mit der ärztlichen Tätigkeit, der immer wieder von Kritikern erwähnt wurde bezüglich Impfen = Heilen. Juristisch absolutes Glatteis, wie hier bestätigt wird. Das wird zu Klagewellen seitens der Versicherer führen - und meint ihr ernsthaft, dass dies gut für Apotheken ausgehen wird? ...

"Auch wenn dann impfimmanente Risiken abgesichert sind, muss sich die Apothekerschaft darüber hinaus bewusst machen, dass das Haftungsrisiko bei der Übertragung von Krankheiten nach den am Markt vorhandenen Bedingungswerken gegenwärtig nicht zufriedenstellend versicherbar ist und weitestgehend selbst getragen werden muss. Dabei ist zu befürchten, dass die strengen Grundsätze des Arzthaftungsrechts mit der Umkehr der Beweislast Anwendung finden." - Puuuuh.

Der Punkt bezüglich der Übertragung von Krankheiten - vor allem im Hintergrund der derzeitigen Situation - hat mich ehrlich gesagt etwas erschreckt, da ich dies noch gar nicht so weit bedacht habe. Vor allem, dass der Versicherungsschutz als Inhaber gegen 0 geht (arzttypische Haftungsregeln bzw. Beweis gegenüber Geschädigtem) & mit der Rechtsform "e.K." bei Auftreten eines solchen Falls durch den Punkt der Beweislastumkehr gleich die Privatinsolvenz angemeldet werden kann (v.a. s. Repräsentantenklausel, denn keiner wird alle Approbierten als "Impfer" versichern (Kosten?))... Alles natürlich abgerundet durch eine dreiseitige Impfdokumentation - logischerweise, wie allseits bekannt, unvergütet...

Ich, als 27-jähriger Apotheker-Frischling, würde mir gerne mehr kritisch-hinterfragendes Denken von vielen meiner Fachkollegen wünschen. Vieles wird meiner Meinung nach einfach gedankenlos bejubelt (pharm. Dienstleistungen, Boni-Deckel usw.), ohne auch nur im Ansatz die Folgen zu durchdenken.

Auch wünsche ich mir eine rein nüchterne Analyse bzw. Diskussion dieser ganzen Impf-Sache (auch gerne zu anderen disruptiven Umbrüchen im Apothekenwesen) - angefangen von Versicherungsgeschichten über bauliche Maßnahmen, Schulungen/Dokumentationen, Verantwortung/Personal vereinbartes Impfhonorar, führend zu einer betriebswirtschaftlichen Analyse - man arbeitet ja nicht für Luft & Liebe - durch unsere Standesvertretung.
Allerdings müsste man ja dann befürchten, dass dieser ganze Schwachsinn - ebenfalls wie die pharm. Dienstleistungen (da könnte ich Romane zu schreiben...) - höchst defizitär für alle Apotheken ausfallen würde...

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Versicherungsschutz bei Impfen durch Apotheker

von Uwe Hansmann am 11.08.2020 um 17:08 Uhr

DANKE!

Dieser Bericht war überfällig und öffnet hoffentlich die Augen derer, die sich im vorauseilenden Gehorsam auch auf diesem Gebiet schon wieder ganz weit vorne wähnen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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