Recht

Corona-Tests, Impfen & Co

Inwieweit besteht für neue Aufgabenfelder der Apotheke Versicherungsschutz?

In jüngster Zeit verändern sich die Tätigkeitsfelder der Apothekerschaft mit einer bisher nicht gekannten Geschwindigkeit. Erst seit vergangenem Herbst laufen Modellversuche zur Grippeschutzimpfung in der Apotheke und seit kurz vor Weihnachten führen Pharmazeuten SARS-CoV-2-Point-of-Care(PoC)-Antigentests durch. Neben Chancen bringen Tätigkeitserweiterungen indes auch Risiken mit sich, denen Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. In diesem Beitrag beleuchten wir die Auswirkungen auf den Versicherungsschutz.

Keinesfalls sollten Apotheker neue Tätigkeiten ungeprüft aufnehmen. Ohne Rücksprache mit dem Versicherer kann sich dieser im Schadenfall auf Leistungsfreiheit nach § 26 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) berufen oder eine Sonderkündigung nach § 24 VVG aussprechen. Dabei reicht die bloße Anzeige beim Versicherer nicht aus. Es sollte vielmehr eine valide formulierte Deckungszusage eingeholt werden. Einige wenige apothekenfreundliche Versicherer passen ihre Absicherung flexibel und rasch veränderten Gegebenheiten an, die Mehrzahl der Versicherungsgesellschaften tut dies jedoch nicht. Jedes zusätzliche Tätigkeitsfeld kann Auswirkungen haben und ggf. eine Anpassung des Versicherungstarifs erforderlich machen. Dies wird im Folgenden anhand einiger Beispiele illustriert.

SARS-CoV-2-PoC-Antigentests

Für die Durchführung der Antigentests stellt sich die Frage, inwieweit dies von der generellen Betriebshaftpflichtversicherung erfasst wird (auch u. a. für die Rechtsschutzversicherung kann sich diese Frage stellen). Nur weil etwas erlaubt oder vom Gesetz­geber bzw. der Standesvertretung gewollt ist, besteht nicht schon automatisch Versicherungsschutz, denn die Versicherungsgesellschaften entscheiden grundsätzlich eigenständig, ob und zu welchen Konditionen sie Deckung gewähren. Deswegen bieten einige wenige Tarife am Markt eine „Pharmazieratsklausel“ an – nur dort müssen die Versicherer den Vorgaben des Pharmazierates folgen. In allen anderen Fällen zählt allein der Text der jeweiligen Versicherungsbedingungen.

Zahlreiche Bedingungswerke stellen hinsichtlich des versicherten Risikos nur auf „apothekentypische Tätigkeiten“ ab. Dies ist bereits diskutabel – jedenfalls fehlt die Durchführung von Antigentests in der Auflistung nach § 2 Bundes-Apothekerordnung (BApO) und dürfte bundesweit bislang nur von einer kleinen Minderheit der Apotheken praktiziert werden.

Besonders relevant dürfte der verbreitete Ausschluss von Heil­behandlungen sein. Viele Gesellschaften klammern „Schäden aus Heilbehandlungen“ vom Versicherungsschutz aus. Was im Einzelfall als Heilbehandlung zu quali­fizieren ist, ist in der Juristerei für diverse Bereiche umstritten. Die Vornahme von Testungen dürfte indes als Maßnahme der Diagnostik hierunter zu subsumieren sein. Dafür spricht auch, dass in der einzig vorhandenen gesetzlichen Definition des Heilkunde­begriffs in § 1 Absatz 2 Heilpraktikergesetz (HeilprG) „jede berufs- oder gewerbsmäßige vorgenom­mene Tätigkeit zur Feststellung (…) von Krankheiten (...) bei Menschen“ als Ausübung der Heil­kunde eingestuft wird. Es ist daher zu erwarten, dass einige Versicherer sich auf diesen Ausschluss berufen werden.

Bei einer Meldung der neuen Tätigkeit bzw. der Anforderung der Deckungszusage sind insbesondere zwei negative Reaktionen der Versicherungsgesellschaften denkbar. Theoretisch könnte eine Kündigung ausgesprochen oder – deutlich wahrscheinlicher – ein Beitragszuschlag erhoben werden. Die gute Nachricht ist aber, dass in solchen Fällen den Versicherungsnehmern ihrerseits ein Sonderkündigungsrecht nach § 25 Absatz 2 VVG zusteht. Erhöht sich die Prämie als Folge der Gefahrerhöhung um mehr als 10 Prozent, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers fristlos kündigen. Ein sofortiger Wechsel zu einer apothekenfreundlicheren Versicherung ist dann möglich. Tatsächlich haben sich auch bereits diverse Gesellschaften kulant positioniert und schließen Point-of-Care-Testungen ohne Aufschlag ein.

Grippeimpfungen

Bei impfimmanenten Risiken – wie etwa einem anaphylaktischen Schock – stellen sich für die Betriebshaftpflichtversicherung dieselben Fragen wie bei den Antigentests. Sofern beim versicherten Risiko auf „Apothekenüblichkeit“ abgestellt wird, so ist dies hier noch zweifelhafter. Das Impfen in Apotheken findet bisher nur in ergebnisoffenen regionalen Modellprojekten statt, sodass bundesweit bislang lediglich eine kleine Minderheit der Apotheker in diesem noch nicht etablierten Segment tätig ist.

Für die Impfungen kann sich ebenfalls die Frage nach dem Ausschluss von Heilbehandlungen stellen. Obwohl vieles dafür spricht, Impfungen als Maßnahmen der Prophylaxe einzustufen, und auch die wohl herrschende Meinung hierin keine Ausübung der Heilkunde sieht, haben sich schon diverse Versicherer auf diesen Standpunkt gestellt. So sind bislang u. a. die Nürnberger, die HUK, die VGH oder die Mannheimer durch die Erhebung von Zuschlägen aufgefallen. Die Allianz verlangt gar zusätzliche 833 Euro für jeden Mitarbeiter, der die Impfungen durchführt. Dem­gegenüber haben die meisten Versicherungsgesellschaften auf einen Zusatzbeitrag für die Impfungen verzichtet. Insofern liegt es hier erneut nahe, einen Beitragszuschlag zum Anlass für einen Wechsel zu einer apothekenfreundlicheren Versicherung zu nehmen.

Auch beim Impfen ist die Ein­holung einer valide formulierten Deckungszusage dringend an­zuraten. Die bloße Anzeige beim Berufshaftpflichtversicherer – wie sie leider in der Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung bei Durch­führung von Grippeschutzimpfungen in öffentlichen Apotheken empfohlen wird – ist pauschal nicht ausreichend.

Da die Impfungen im Rahmen der Modellprojekte vielerorts sehr positiv aufgenommen wurden, erhielten einige Pharmazeuten auch Anfragen, außerhalb der Apotheke zu impfen – etwa im Rahmen von Betriebsimpfungen. Dies ist gegenwärtig allerdings noch nicht erlaubt und damit auch noch nicht versichert. Gesetzliche Grundlage für die Modellprojekte ist § 132j SGB V. Dessen Absatz 1 spricht von „Grippeschutzimpfungen in Apotheken“ und führt dann in Absatz 4 weiter aus: „Im Rahmen der Modellvorhaben dürfen Apothekerinnen und Apotheker Grippeschutzimpfungen bei Personen durchführen, (…) wenn in der jeweiligen Apotheke eine geeignete Räumlichkeit mit der Ausstattung vorhanden ist, die für die Durchführung einer Grippeschutzimpfung erforderlich ist.“ Die Impftätigkeit ist also erst einmal auf die Apotheke zu begrenzen.

Einige Versicherer haben schon erklärt, dass sie auch Impfungen außerhalb der Apotheke beitragsfrei mitabsichern werden, sobald dies im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich ist.

Hinsichtlich der Aufbewahrung des Impfstoffs im Medikamentenkühlschrank sollte die Inventarversicherung überprüft werden. Der unzureichend abgesicherte Medikamentenkühlschrank stellt geradezu einen „Klassiker“ der neuralgischen Punkte bei Apo­thekenversicherungen dar. Oft ist der Inhalt von Medikamentenkühlschränken lediglich gegen den seltenen Ausfall der öffent­lichen Stromversorgung versichert (etwa derzeit bei der AXA, Barmenia, Allianz oder Debeka) – und dann auch nur bis zu einem niedrigen Betrag von beispielsweise 5000 Euro. Gute Tarife bieten dagegen auch standard­mäßig Entschädigungen bis zu 100.000 Euro und decken als zusätzliche Schadensursachen jedes Niederbrechen der Kühl­einrichtung ab.

Hämophilie

Bei der seit 1. September 2020 durch den neu gefassten § 43 Absatz 3a Arzneimittelgesetz (AMG) möglichen externen Bevorratung von Medikamenten im Zusammenhang mit der Hämophilie ist ebenfalls besonderes Augenmerk auf die Absicherung der Medikamentenkühlschränke zu richten. Für den apothekeneigenen Kühlschrank gelten die auch sonst allgemein relevanten Fragen nach den versicherten Risiken und der ausreichenden Höchstentschädigung. Da Hämophilie-Arzneimittel hochpreisig sind, empfiehlt es sich, die vorhandenen Entschädigungsgrenzen entsprechend zu erhöhen.

Die Medikamentenbevorratung außerhalb der Apotheke in Notfalldepots, etwa in Arztpraxen, ist deutlich schwieriger abzusichern. Für die Apotheken besteht dann grundsätzlich kein Versicherungsschutz, da ein dauerhaft außerhalb des Versicherungsortes positionierter Medikamentenkühlschrank nicht von der so­genannten Außenversicherung erfasst ist. Eine alternative Abwälzung der Versicherungspflicht auf den Arzt ist anspruchsvoll und voller Tücken (etwa hinsichtlich der Absicherung von fremdem Eigentum oder Risiken durch Dritte, wie Mitarbeiter der Arztpraxen).

Die bisherigen Erfahrungen zeigen leider, dass die meisten Hämophilie-Apotheken für diese Risiken weder ausreichende vertrag­liche Vereinbarungen noch eine zu­friedenstellende Versicherungs­lösung gefunden haben – möglich ist beides.

Notfallkontrazeptiva

Die seit 2015 rezeptfrei verfüg­baren Notfallkontrazeptiva haben einen oft übersehenen Einfluss auf die Apothekenversicherungen. Nach Wegfall der Verschreibungspflicht treffen die Apotheker zusätzliche Pflichten, da laut § 20 Apothekenbetriebsordnung zur sachgerechten Anwendung verschreibungsfreier Arzneimittel beraten werden muss. Wenn dabei also z. B. nicht auf die zeitlich limitierte Wirksamkeit der „Pille danach“ oder eine mögliche körpergewichtsabhängige Wirkungsabnahme hingewiesen wird und die beratene Frau dann doch ungewollt schwanger wird, so wäre eine Haftung des Apothekers für die Unterhaltskosten des Kindes denkbar. Bei Ärzten sind Unterhaltskosten für ungewollte Kinder als ersatzfähiger Schaden bereits höchstrichterlich bestätigt worden.

Solche Unterhaltskosten werden rechtlich als sogenannte reine Vermögensschäden bezeichnet – also Schäden, bei denen weder eine Person noch eine Sache geschädigt wird. Gerade in älteren Tarifen sind reine Vermögensschäden regelmäßig nicht Bestandteil der Berufshaftpflichtversicherung, aber auch bei neueren Tarifen kann dies der Fall sein, etwa bei der Rhion Versicherung. Der eigene Haftpflichtversicherungsschutz sollte indes unbedingt reine Vermögensschäden in ausreichender Höhe erfassen.

Resümee: unversicherte Schäden vermeiden!

Das Berufsbild der Apotheker befindet sich im Wandel, dabei sollte die Anpassung des Versicherungsschutzes nicht vergessen werden. Eine automatische Erweiterung der Tarife auf neue Aufgaben- und Tätigkeitsfelder ist eine Illusion. Unter allen Umständen muss vermieden werden, dass es zu einem unversicherten Schaden in den neuen Bereichen kommt. Dies wäre auch Wasser auf die Mühlen der Kritiker und würde Initiativen wie das Impfen oder Antigentests nachhaltig beschädigen oder sogar zu deren Ende führen. Es ist daher erforderlich, mit jedem neuen Tätigkeitsfeld auch die Anpassung des Versicherungsschutzes im Blick zu haben. Da es zahlreiche gute Apothekenkonzepte am Markt gibt, stellt dies eigentlich keine große Herausforderung dar, wenn sie denn ernst genommen wird. |

Jascha Arif, Rechtsanwalt, und Steffen Benecke, Versicherungs­makler, Hamburg

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