Was ist zu beachten?

Wie steht es um den Versicherungsschutz bei Grippeimpfung in der Apotheke?

Hamburg - 10.08.2020, 07:00 Uhr

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 


Policen prüfen und ggf. nachverhandeln

Die am Pilotprojekt beteiligten Pharmazeuten sollten dringend ihre Policen überprüfen lassen und gegebenenfalls mit den Gesellschaften nachverhandeln oder sich um neuen bzw. ergänzenden Versicherungsschutz bemühen, welcher die Impftätigkeit so weit wie möglich absichert.

Auch wenn dann impfimmanente Risiken abgesichert sind, muss sich die Apothekerschaft darüber hinaus bewusst machen, dass das Haftungsrisiko bei der Übertragung von Krankheiten nach den am Markt vorhandenen Bedingungswerken gegenwärtig nicht zufriedenstellend versicherbar ist und weitestgehend selbst getragen werden muss. Dabei ist zu befürchten, dass die strengen Grundsätze des Arzthaftungsrechts mit der Umkehr der Beweislast Anwendung finden. Ob die Apotheker dieses durch die COVID-19-Pandemie greifbar gewordene Risiko wirklich tragen wollen, muss dann jeder für sich selbst entscheiden.

Apotheker nicht allein lassen

Diese Situation ist unbefriedigend und eine Korrektur erforderlich. Es wäre wünschenswert, wenn die Apotheker in dieser Frage nicht ­allein gelassen würden – gerade angesichts der gesamtgesellschaftlichen aktuellen Bedeutung einer Erhöhung der Impfquoten.

Ein signifikanter Fortschritt könnte erreicht werden, falls die Versicherungsgesellschaften mindestens ihre Bestimmungen hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit zugunsten der Apothekerschaft modifizieren würden. Aus eigenem Antrieb werden die Versicherer dies jedoch nicht tun. Eine andere Möglichkeit wäre ein einzurichtender Haftungsfonds, welcher die nicht versicherten Schäden trägt. Solch ein Fonds wurde vor einigen Jahren bereits im Zusammenhang mit den Versicherungsproblemen in der Geburtshilfe diskutiert. In den Niederlanden gibt es einen derartigen steuerfinanzierten Fonds für Folgeschäden bei der Geburt – die Bundesregierung hat dies hingegen bislang stets strikt abgelehnt.

Vielleicht hilft die Motivation, die Folgen von COVID-19 abzumildern, neue Wege zu finden oder bislang ausgeschlossene Ansätze neu zu bewerten. Es bedarf eines breiten Diskurses.



Jascha Arif, Rechtsanwalt, Hamburg
redaktion@daz.online


Steffen Benecke, Versicherungsmakler, Hamburg
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Impfen & Versicherung

von AM am 14.08.2020 um 16:47 Uhr

Vielen vielen Dank den beiden Fachleuten(!) für ihren treffenden, für uns juristische Laien einfach verständlichen Kommentar zu dieser Problematik. Dieser beleuchtet sehr viele interessante Aspekte & bestätigt die vielen kritischen Ansichten einiger Apotheker eindrucksvoll!

Impfen wird i.d.R. in >90% der Policen nicht unter apothekentypische Tätigkeiten bzw. Risiken fallen - d.h. Zusatzversicherung, was definitiv nicht ohne Mehrkosten von statten gehen wird, da zusätzliche(!) Deckung zum bereits bestehenden Versicherungspaket. Wie war nochmal das angeplante Impf"honorar"? Wie wird die Prämienerhöhung ausfallen? Fragen über Fragen...

Dann der Punkt mit der ärztlichen Tätigkeit, der immer wieder von Kritikern erwähnt wurde bezüglich Impfen = Heilen. Juristisch absolutes Glatteis, wie hier bestätigt wird. Das wird zu Klagewellen seitens der Versicherer führen - und meint ihr ernsthaft, dass dies gut für Apotheken ausgehen wird? ...

"Auch wenn dann impfimmanente Risiken abgesichert sind, muss sich die Apothekerschaft darüber hinaus bewusst machen, dass das Haftungsrisiko bei der Übertragung von Krankheiten nach den am Markt vorhandenen Bedingungswerken gegenwärtig nicht zufriedenstellend versicherbar ist und weitestgehend selbst getragen werden muss. Dabei ist zu befürchten, dass die strengen Grundsätze des Arzthaftungsrechts mit der Umkehr der Beweislast Anwendung finden." - Puuuuh.

Der Punkt bezüglich der Übertragung von Krankheiten - vor allem im Hintergrund der derzeitigen Situation - hat mich ehrlich gesagt etwas erschreckt, da ich dies noch gar nicht so weit bedacht habe. Vor allem, dass der Versicherungsschutz als Inhaber gegen 0 geht (arzttypische Haftungsregeln bzw. Beweis gegenüber Geschädigtem) & mit der Rechtsform "e.K." bei Auftreten eines solchen Falls durch den Punkt der Beweislastumkehr gleich die Privatinsolvenz angemeldet werden kann (v.a. s. Repräsentantenklausel, denn keiner wird alle Approbierten als "Impfer" versichern (Kosten?))... Alles natürlich abgerundet durch eine dreiseitige Impfdokumentation - logischerweise, wie allseits bekannt, unvergütet...

Ich, als 27-jähriger Apotheker-Frischling, würde mir gerne mehr kritisch-hinterfragendes Denken von vielen meiner Fachkollegen wünschen. Vieles wird meiner Meinung nach einfach gedankenlos bejubelt (pharm. Dienstleistungen, Boni-Deckel usw.), ohne auch nur im Ansatz die Folgen zu durchdenken.

Auch wünsche ich mir eine rein nüchterne Analyse bzw. Diskussion dieser ganzen Impf-Sache (auch gerne zu anderen disruptiven Umbrüchen im Apothekenwesen) - angefangen von Versicherungsgeschichten über bauliche Maßnahmen, Schulungen/Dokumentationen, Verantwortung/Personal vereinbartes Impfhonorar, führend zu einer betriebswirtschaftlichen Analyse - man arbeitet ja nicht für Luft & Liebe - durch unsere Standesvertretung.
Allerdings müsste man ja dann befürchten, dass dieser ganze Schwachsinn - ebenfalls wie die pharm. Dienstleistungen (da könnte ich Romane zu schreiben...) - höchst defizitär für alle Apotheken ausfallen würde...

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Versicherungsschutz bei Impfen durch Apotheker

von Uwe Hansmann am 11.08.2020 um 17:08 Uhr

DANKE!

Dieser Bericht war überfällig und öffnet hoffentlich die Augen derer, die sich im vorauseilenden Gehorsam auch auf diesem Gebiet schon wieder ganz weit vorne wähnen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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