Antientzündliche Systemtherapie

Neurodermitis: Aktualisierte Leitlinie empfiehlt Dupilumab

Berlin - 10.08.2020, 10:30 Uhr

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft empfiehlt Dupixent jetzt für Erwachsene und Jugendliche mit atopischer Dermatitis. (Quelle: Sanofi Genzyme)

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft empfiehlt Dupixent jetzt für Erwachsene und Jugendliche mit atopischer Dermatitis. (Quelle: Sanofi Genzyme)


Mit Dupilumab kam 2017 der erste Wirkstoff auf den deutschen Markt, der gezielt in den Pathomechanismus der atopischen Dermatitis eingreift. Jetzt hat das Biologikum den Sprung in die Sk2-Leitlinie Neurodermitis geschafft. Darüber informiert die Deutsche Dermatologische Gesellschaft. 

Seit 2017 ist Dupilumab (Dupixent®) für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis zugelassen, die mit topisch anzuwendenden Medikamenten allein nicht ausreichend behandelt werden können. Im Jahr 2019 folgte die Indikationserweiterung für Jugendliche ab zwölf Jahren. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen die Rezeptoren für Interleukin 4 (IL 4) und 13 (IL 13) und blockiert so die Wirkung zweier Schlüsselzytokine, die bei Patienten mit Neurodermitis vermehrt vorhanden sind. Neben Menschen mit atopischer Dermatitis kommt Dupilumab in Europa auch bei Patienten mit Asthma bronchiale oder chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen zum Einsatz. 

Die empfohlene Dosierung für Dupilumab beträgt bei Erwachsenen 600 mg als Anfangsdosis (zwei Injektionen zu je 300 mg), gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen als subkutane Injektion. Diese Empfehlung gilt auch für Jugendliche mit einem Körpergewicht von mehr als 60 kg. Wer weniger als 60 kg wiegt, sollte laut Fachinformation initial 400 mg erhalten (zwei Injektionen zu je 200 mg) und anschließend alle 14 Tage 200 mg.

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Bei den Hautärzten konnte das Biologikum offenbar punkten: Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) nimmt das Mittel jetzt in ihre Sk2-Leitlinie Neurodermitis auf. In dem neu gefassten Kapitel zur antientzündlichen Systemtherapie schenkt sie Dupilumab besondere Aufmerksamkeit. „Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Dupilumab wurde in mehreren klinischen Studien belegt“, schreibt die DDG. Dabei bezieht sie sich unter anderem auf die drei für die Zulassung relevanten Studien SOLO1, SOLO2 und CHRONOS.

Dreiarmiges Studiendesign

In den beiden parallel durchgeführten klinischen Tests SOLO1 und 2 gelang bei 36 bis 38 Prozent der Patienten eine nahezu oder vollständige Abheilung der Haut. Die 671 (SOLO1) beziehungsweise 708 (SOLO2) Teilnehmer erhielten über 16 Wochen entweder einmalig 600 mg und dann alle zwei Wochen 300 mg Dupilumab, einmalig 600 mg und dann jede Woche 300 mg Dupilumab oder Placebo. Der Hautscore EASI war in den Behandlungsgruppen bei signifikant mehr Patienten um 75 Prozent oder mehr reduziert als in den Placebogruppen. „Auch andere klinische Endpunkte wie Reduktion des Pruritus oder Symptome der Depression bzw. die Lebensqualität veränderten sich signifikant besser unter Behandlung“, fassen die Autoren der Leitlinie zusammen.

In der CHRONOS-Studie testete Hersteller Sanofi das Präparat mit 740 Patienten. Die Randomisierung erfolgte analog zu den SOLO-Prüfungen. Zusätzlich zur Systemtherapie war in CHRONOS die Anwendung topischer Corticosteroide, auch in Kombination mit topischen Calcineurininhibitoren, bei Bedarf erlaubt. Die primären klinischen Endpunkte waren auch hier die komplette Abheilung der Hauterkrankung oder eine Verbesserung des Hautscores EASI um mindestens 75 Prozent nach 16 Wochen. 35 der Probanden erhielten Dupilumab über insgesamt 52 Wochen, um die Sicherheit bewerten zu können.

Erfolgreich auch bei Jugendlichen

Der primäre Endpunkt – eine fast vollständige oder komplette Abheilung der Haut – wurde bei 39 Prozent der Patienten in den Behandlungsgruppen und bei 12 Prozent in der Placebogruppe erreicht. Die Reduktion des EASI um 75 oder mehr Prozent gelang bei 64 beziehungsweise 69 Prozent der Teilnehmer in den beiden Behandlungsgruppen und bei 23 Prozent in der Placebogruppe nach 16 Wochen. Die Ergebnisse veränderten sich während der Beobachtung über ein Jahr nicht. „Es wurden über den gesamten Behandlungszeitraum keine Laborabnormalitäten dokumentiert, Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (15 und 19 Prozent in den Dupilumab-Studiengruppen versus 8 Prozent in der Placebogruppe ) und eine Konjunktivitis (14 und 19 Prozent in den Dupilumab-Studiengruppen versus 8 Prozent in der Placebogruppe) waren die häufigsten Nebenwirkungen“, informiert die DDG in ihrer Leitlinie.

Nebenwirkung: Was tun gegen Konjunktivitis?

Zur Behandlung einer möglichen Bindehautentzündung als unerwünschtem Nebeneffekt der Dupilumab-Gabe empfiehlt die Fachgesellschaft befeuchtende Augentropfen, Lidrandhygiene, corticosteroidhaltige Augentropfen nach Ausschluss infektiöser Ursachen und in Abstimmung mit einem Augenarzt sowie unter Umständen ciclosporinhaltige Ophthalmika.

Für die Erweiterung der Zulassung auf Jugendliche ab zwölf Jahren erhielten die 251 teilnehmenden Patienten über 16 Wochen je nach Körpergewicht entweder alle zwei Wochen 200 mg Dupilumab, wenn sie weniger als 60 kg wogen, oder 300 mg Dupilumab bei einem Körpergewicht höher als 60 kg oder eine Dosierung von 300 mg Dupilumab alle vier Wochen oder Placebo. Danach wurden die Patienten in einer offenen Verlängerungsphase weiter beobachtet. Nach 16 Wochen bei einem zweiwöchigen Dosierintervall von 200 mg oder 300 mg Dupilumab zeigte ein Viertel (24,4 Prozent) der Teilnehmer keine oder minimale klinische Zeichen der atopischen Dermatitis mehr. „Bei Jugendlichen und Erwachsenen sollte jedoch beachtet werden, dass Impfungen mit Lebendimpfstoffen beispielsweise gegen Masern, Mumps, Röteln oder Gelbfieber nicht gleichzeitig mit dem monoklonalen Antikörper erfolgen dürfen“, betont die DDG. „Andere Impfstoffe sind unproblematisch und laut ersten Studien auch wirksam.“

Starker Konsens

„Bezüglich Dupilumab gibt es einen starken Konsens, das Biologikum bei Jugendlichen ab zwölf Jahren und bei Erwachsenen mit moderater bis schwerer Neurodermitis einzusetzen, wenn die Behandlung mit topischen Medikamenten nicht wirksam ist“, sagt Leitlinien-Koordinator Professor Thomas Werfel, stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied im Vorstand der DDG. Auch der DDG-Medienbeauftragte, Professor Peter Elsner von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, begrüßt die Novelle des Systemtherapiekapitels in der Neurodermitis-Leitlinie: „Es ist wichtig für Dermatologen und Patienten zu erfahren, dass wir jetzt für die Behandlung der schweren Neurodermitis nicht nur das schon ältere Immunsupressivum Ciclosporin A haben, bei dem Nutzen und Risiko sehr genau abgewogen werden müssen, sondern einen – nach allem was wir wissen – sicheren und wirksamen monoklonalen Antikörper.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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