Coronavirus-Statistik

China zählt Infizierte ohne Symptome nicht mehr mit

Stuttgart - 11.02.2020, 14:44 Uhr

In China greifen die Menschen mittlerweile offenbar zu ungewöhnlichen Mitteln: Hier soll eine Fußgängerin zu sehen sein, die am 11. Februar 2020 im Hauptbahnhof von Peking eine Plastiktüte trägt. ( r / Foto: imago images / Kyodo News)

In China greifen die Menschen mittlerweile offenbar zu ungewöhnlichen Mitteln: Hier soll eine Fußgängerin zu sehen sein, die am 11. Februar 2020 im Hauptbahnhof von Peking eine Plastiktüte trägt. ( r / Foto: imago images / Kyodo News)


Seit Ende vergangener Woche wächst der täglich verkündete Anstieg neu nachgewiesener Ansteckungen mit der neuartigen chinesischen Lungenkrankheit nicht mehr so stark wie zuvor. Nun wurde bekannt, dass China nachweislich mit dem neuen Coronavirus infizierte Personen, die aber keine Symptome zeigen, nicht mehr in seiner Statistik der Ansteckungen führt.

Schon am vergangenen Freitag wurden neue Bestimmungen zur Vorbeugung und Kontrolle der nationalen Gesundheitskommission in Peking erlassen, aus denen hervorgeht, dass China nachweislich mit dem neuen Coronavirus infizierte Personen, die aber keine Symptome zeigen, nicht mehr in seiner Statistik der Ansteckungen führt. Erst wenn Krankheitssymptome aufträten, werde die Person als „infiziert“ geführt, heißt es darin. Wie viele Infektionen damit gar nicht erst erfasst werden, ist unklar. Generell dürfte die Dunkelziffer nicht registrierter Fälle immens sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte in ihren täglichen Pressekonferenzen zum Virus zuletzt betont, dass rund 80 Prozent der Infektionen einen milden Verlauf nähmen.

Ein Grund, warum die Statistik geändert wurde, wurde nicht genannt. Seit Ende vergangener Woche wächst der täglich verkündete Anstieg der neu nachgewiesenen Ansteckungen mit der Lungenkrankheit nicht mehr so stark wie zuvor. In welchem Ausmaß die neue Art, die Zahlen zu erfassen und zu berichten, dahinter steckt, war zunächst unklar. Die neue Definition widerspricht den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die als Infizierten jemanden betrachtet, bei dem eine 2019-nCoV-Infektion durch ein Labor bestätigt wurde – „ungeachtet klinischer Zeichen oder Symptome“. Mit dem Coronavirus infizierte Personen können in der Inkubationszeit schon selbst ansteckend sein. Experten gehen in der Regel von bis zu 14 Tagen aus. 

Generell dürfte die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle in China immens sein. „Wir sehen nicht den echten täglichen Anstieg, sondern die tägliche Obergrenze in der Fähigkeit, neue Fälle zu identifizieren“, erklärte der Coronavirus-Experte Christian Drosten von der Berliner Charité. Es könne sein, dass das Hindernis im Meldesystem die Testung ist, es könne aber auch etwas anderes sein. „Ich gebe inzwischen nichts mehr auf diese Zahlen.“

Zahl der Toten in China steigt auf über 1000

Das neuartige Coronavirus hat in China schon mehr als 1000 Menschen das Leben gekostet. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden fielen der Lungenkrankheit weitere 108 Menschen zum Opfer, womit bislang insgesamt 1016 Menschen in China an der Lungenkrankheit gestorben sind. Das teilte die Gesundheitskommission in Peking am Dienstag mit. Allein 103 neue Opfer wurden aus der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei gemeldet. Während die Zahl der Toten so schnell stieg wie noch nie seit Ausbruch der Krankheit, ging die Zahl neuer Infektionen am Dienstag im Vergleich zum Vortag zurück. Landesweit wurden 2478 weitere Erkrankungen gemeldet, somit stieg die Gesamtzahl der nachgewiesenen Infektionen auf dem chinesischen Festland auf 42.638.

Nach der Zwangsverlängerung der Ferien um das chinesische Neujahrsfest begannen viele Städte nur langsam damit, die Arbeit wieder aufzunehmen. In Peking und Shanghai blieben U-Bahnen und andere öffentliche Verkehrsmittel in der Hauptverkehrszeit zu Beginn der Woche ungewöhnlich leer, was darauf hindeutete, dass viele Unternehmen noch immer geschlossen blieben oder ihre Mitarbeiter baten, von zu Hause zu arbeiten.

Betroffen sind auch viele deutsche Firmen. Volkswagen teilte am Montag mit, die Produktionsaufnahme seiner Fabriken in China wegen der anhaltenden Epidemie noch einmal verschoben zu haben. Man stünde vor Herausforderungen wegen Verzögerungen in der Wiederaufnahme der landesweiten Lieferketten und auch wegen begrenzter Reisemöglichkeiten für Mitarbeiter. Den Erwartungen nach könne die Produktion spätestens Anfang nächster Woche in allen Fabriken wieder aufgenommen werden. Außerhalb Chinas sind bislang mehr als 300 Infektionen nachgewiesen worden, davon 14 in Deutschland.

Expertenteam der WHO nimmt Arbeit in China auf

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ein Expertenteam nach China geschickt, um weitere Informationen über das Coronavirus zu sammeln. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte am Montag in Genf, dass das Team nun die Grundlage legen solle für ein dann größeres, internationales Expertenteam. Tedros betonte, dass dem Team freie Hand gelassen werde bei der genauen Konzeption seiner Arbeit. Die Expertengruppe solle möglichst frei an die Arbeit gehen, um dann hoffentlich Antworten auf noch offene Fragen liefern zu können. Auch die Entscheidung, ob die Experten etwa nach Wuhan reisen, liege bei diesem Team.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) richtet am Dienstag und Mittwoch einen Expertengipfel zum Coronavirus aus. Die WHO erhofft sich so einen schnellen und fundierten Austausch der bisherigen Erkenntnisse zu der mysteriösen Lungenkrankheit. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus erklärte vorab, dass bei der Konferenz die Wissenschaft im Fokus stehen soll. Eine Politisierung der Veranstaltung lehnte er ab. „Lassen Sie uns auf diesen allgemeinen Feind der Menschheit konzentrieren“, sagte Tedros am Montag in Genf.

Die weltweit führenden Fachleute wollen sich in den zwei Tagen unter anderem mit Therapien, der möglichen Quelle des Virus und seiner Übertragbarkeit befassen. Auch mögliche Impfungen sollen thematisiert werden.



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