BMG-Digitalisierungschef Gottfried Ludewig

„Einen fertigen Plan für die Digitalisierung kann im BMG keiner aufschreiben“

Berlin - 30.01.2020, 12:00 Uhr

Gottfried Ludewig ist im BMG für alle Digitalisierungsthemen verantwortlich. Bei einer Veranstaltung in Berlin erklärte er die Herangehensweise des Ministeriums in Sachen Telemedizin. (c / Foto: dpa)

Gottfried Ludewig ist im BMG für alle Digitalisierungsthemen verantwortlich. Bei einer Veranstaltung in Berlin erklärte er die Herangehensweise des Ministeriums in Sachen Telemedizin. (c / Foto: dpa)


Ab Januar 2021 soll es in Deutschland die Elektronische Patientenakte (ePA) geben. Über die ePA sollen künftig zahlreiche digitale Anwendungen genutzt werden können. Am weitesten fortgeschritten sind derzeit der E-Medikationsplan und die Notfalldaten-Speicherung. Gottfried Ludewig ist im Bundesgesundheitsministerium verantwortlich für Digitalisierungsthemen. Bei einer Veranstaltung in Berlin warb er am heutigen Donnerstag dafür, dass man in der Telemedizin „Raum für Innovationen und Imperfektion“ schaffen müsse. Kritisiert wurde das von der Grünen Bundestagsabgeordneten Maria Klein-Schmeink.

Der CDU-Politiker Gottfried Ludewig ist eine der personellen Entdeckungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Wie aus dem Nichts erschien Ludewig 2018 auf der Bundesebene der Gesundheitspolitik – als Leiter einer neu geschaffenen Abteilung für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Zuvor war Ludewig Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und später Unternehmensberater bei PriceWaterhouseCoopers. Dass der gebürtiger Bonner inzwischen einer der wichtigsten und kompetentesten Berater des Ministers in Sachen Digitalisierung geworden ist und wie die Faust aufs Auge zu Spahns Politikstil passt, bewies er erneut am heutigen Donnerstagmorgen bei einer Veranstaltung der Digitalisierungsinitiative „Hashtag Gesundheit“ zum Thema „E-Health: Auf dem Weg zur elektronischen Patientenakte ePA“.

Zur weiteren konkreten Ausgestaltung der ePA sagte Ludewig wenig – schließlich will das BMG in Kürze den ersten Referentenentwurf zum zweiten Digitale Versorgung-Gesetz (DVG II) erst vorstellen. Allerdings erklärte er die Herangehensweise des Spahn’schen BMG an das Thema Digitalisierung. Zunächst warnte Ludewig davor, dass die ePA die „einzelne Superpille“ wird, mit der alle Menschen in Deutschland von der Telemedizin überzeugt würden. „Wir müssen den Menschen mehr als nur ein Angebot machen. Deswegen wird es neben der ePA auch unter anderem das E-Rezept und die Apps auf Rezept geben“, sagte Ludewig.

Sehr wichtig ist dem BMG laut Ludewig aber, dass trotz aller Diskussionen rund um den Datenschutz und die konkrete Ausgestaltung der E-Patientenakte, nicht länger gewartet wird bei der Modernisierung des Gesundheitswesens. „Wir können kein weiteres Jahr warten. Wenn wir hier als Staat kein vernünftiges Angebot machen, stehen die Konzerne vor der Tür. Und das möchte ich nicht.“ Ludewig deutete auch an, dass er mit der Digitalisierungspolitik der Vorgänger-Regierungen unzufrieden ist. „Als wir das BMG übernommen haben, war das E-Rezept beispielsweise noch verboten. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, dass die Gematik nochmal zehn Jahre so weiter arbeitet, wie sie das zuvor getan hat. Wir brauchen kein erneutes Strategiepapier, um zu verstehen, dass die Telemedizin die Versorgung besser macht. Dafür brauche ich kein neues Gutachten einer teuren Agentur“, so der BMG-Abteilungsleiter.

Klein-Schmeink: Keine Innovationen ohne klaren Nutzenbezug

Ludewig stellte auch klar, dass sich die genaue Ausgestaltung der Digitalisierung immer am Nutzen für den Patienten orientieren müsse. Allerdings gebe es dafür keinen Plan, den man schon jetzt aufschreiben könnte. Ludewig warb dafür, der Telemedizin „Raum“ zu geben, damit sie sich entwickeln kann. „In Deutschland lieben wir fertige Pläne, an denen wir etwas abarbeiten können. Aber so funktioniert Innovation nicht. Google Maps ist auch nicht so beliebt, weil Google eine Aufklärungskampagne gegen den ADAC-Atlas ausgerollt hat. Unser Kernziel im BMG ist es, dass wir Raum für Innovationen und Entwicklung schaffen. Deswegen kann auch im BMG keiner genau aufschreiben, wie das digitalisierte Gesundheitswesen später einmal genau funktioniert.“

Von der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, und Zuhörern wurde Ludewig allerdings mehrfach auf den Datenschutz angesprochen, der in den letzten Wochen mit Blick auf die Telematikinfrastruktur immer wieder zum Thema wurde. Klein-Schmeink sagte, dass nicht nur der Nutzen, sondern auch die Frage des Datenschutzes ganz klar zur „Akzeptanz der Akte“ beitragen werde. „Ich bin gespannt, wie das BMG die Zugriffsrechte regeln wird. Wir müssen vermeiden, dass wir im Drei-Monatsrhythmus einen Datenskandal im Gesundheitswesen haben“, so die Grünen-Politikerin.

Ludewig: Zum Machen gehört auch Imperfektion

Ludewig gab jedoch zu bedenken, dass es wichtig sei, „erst einmal einen Anfang zu machen“. Denn: Unser Ansatz ist es Mut zur Innovation zu schaffen, dazu gehört auch Imperfektion. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass am 1. Januar 2021 wahrscheinlich Datenlecks aufgedeckt werden, aber dann müssen wir daran arbeiten und daraus lernen“, so der BMG-Abteilungsleiter.

Klein-Schmeink schien allerdings wenig überzeugt von der Herangehensweise des Ministeriums. Sie stellte auch in Frage, ob die Bevölkerung – aber auch die Ärzteschaft – über den Nutzen der E-Patientenakte ausreichend informiert seien. „Mir fehlt der Dialog mit der Bevölkerung. Mir fehlt die Erzählung zu der Frage: ‚Was bringt mir das?‘, und: ‚Ist das auch sicher?‘“, sagte die Grünen-Expertin. Sie warnte davor, den Innovationen „ohne klaren Nutzenbezug“ Raum zu geben. Klein-Schmeink: „So können wir ein SGB V nicht aufbauen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Sicherheit ist auch strukturell bedingt

von Rainer W. am 31.01.2020 um 11:59 Uhr

Mit Gesundheitsdaten macht man keine Experimente oder "probiert einfach mal"

Das System muss von vorne herein Strukturell so konstruiert werden dass es keinen single point of failure gibt.

Es ist z.B. völlig idiotisch, alle Schlüssel plötzlich zentral zu speichern damit man mit dem Handy auf die Daten zugreifen kann. Das hat NIX mehr mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu tun. Und man könnte das mit NFC+Handy locker dezentral und unkompliziert lösen.

Genauso sind die Zugriffsrechte nicht durchdacht - jeder der Zugriff auf die ePA bekommt kann sofort alles sehen ohne Einschränkungsmöglichkeiten des Patienten.

Auch die Nutzung der Daten zur Forschung ist nur ein Vorwand - und ohne Widerspruchsrecht imo auch Grundgesetz- und DSGVO-Widrig.

Macht eure Experimente doch erst mal mit der PKV bevor ihr es über die GKV auf alle versicherten loslasst.
Ach - da wärt ihr ja selbst betroffen. Das ist natürlich unzumutbar...

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Von der Imperfektion zur geplanten Gesundheits-Obsoleszenz ...

von Christian Timme am 31.01.2020 um 0:06 Uhr

Wem es nicht schnell genug geht ... SpahnoGematik - Risiken & Nebenwirkungen garantiert ...

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"Zum Machen gehört Imperfektion" - Boeing 737 max lässt grüßen!

von Magnus Heiner am 30.01.2020 um 21:11 Uhr

1. Kammergericht Berlin, Eile bei der Boeing 737 Max, "Mut zur Lücke" (Spahns Gesundheitsstaatssekretär Steffen), die fehlende Datenschutzfolgeabschätzung der Bundesregierung, die Liste ließe sich fortsetzen. Siehe auch aktueller CT-Artikel "Sicher wie die TI-tanic. Verwundbarkeiten der Medizin-Telematik."
2. Die Teilnahme an der Telematik-Infrastruktur ist NICHT freiwillig. Ärztinnen und Ärzte, die ihre Schweigepflicht ernst nehmen und die Daten ihrer Patienten/innen schützen wollen und deshalb den Zwangsanschluss an die Telematik-Infrastruktur verweigern, werden schon seit einem Jahr mit Honorarabzug bestraft! Gesetzlich versicherte Patienten/innen suchen schon jetzt vermehrt nach "TI-freien Praxen".
3. Das alles hat auch nichts mit "Zettelwirtschaft" zu tun. Die Digitalisierung hat, wo sie sinnvoll ist, längst Einzug gehalten - ohne die geplante Vorratsdatenspeicherung von Herrn Spahn! Ärzte leben und arbeiten nicht in der Steinzeit. Dies zu behaupten, ist eine Beleidigung, die durch ständige Wiederholung nicht besser wird.
4. Das Argument, Daten für die Forschung zu benötigen, ist unhaltbar. Jeder ernsthafte Wissenschaftler bestätigt, dass mit diesen Daten nicht geforscht werden kann. Erst kürzlich hat Prof. Gerd Antes dies mit dem schönen Bild bestätigt, mit dem Sammeln der Daten nur "den Heuhaufen größer zu machen, in welchen man die Nadel sucht".
5. Die zentrale Vorratsdatenspeicherung der Gesundheits- und Sozialdaten von über 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten verstösst gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegen die DSGVO.
Das Bundeskabinett darf nicht zustimmen!

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Plan des BMG.

von Roland Mückschel am 30.01.2020 um 15:38 Uhr

Das glaube ich Euch sofort dass ihr keinen Plan zur Digitalisierung habt.

Aber den Apotheken Steine in den Weg zu werfen,
dafür reicht es.

Und glaubt mir, wir haben vor euch weniger Respekt
als ihr annehmt.

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