Brexit rückt näher

Großbritannien erlässt Beschränkungen für Parallelexporte

Remagen - 15.10.2019, 10:15 Uhr

Der Hafen in Dover: Hier dürfen in Zukunft keine Produkte zur Hormonersatztherapie mehr ausgeführt werden, die Regierung fürchtet Lieferengpässe. ( r / Foto: imago images)

Der Hafen in Dover: Hier dürfen in Zukunft keine Produkte zur Hormonersatztherapie mehr ausgeführt werden, die Regierung fürchtet Lieferengpässe. ( r / Foto: imago images)


Die britische Regierung hat neue Beschränkungen für den Export sämtlicher Produkte für die Hormonersatztherapie erlassen. Einige davon sind derzeit aufgrund von Herstellungsproblemen von Lieferengpässen betroffen.

Unerwünschte Parallelexporte sind ein besonderes Problem im europäischen Binnenmarkt. Seit der Zunahme von Lieferengpässen in den letzten Jahren haben einige Länder bereits Exportverbote für bestimmte Arzneimittel erlassen, um die Versorgung ihrer eigenen Patienten nicht aufs Spiel zu setzen. In einer besonders prekären Situation befindet sich Großbritannien. Seit mehr als einem Jahr schlingert der „EU-Flüchtling“ gefühlt am Rande des Brexit-Abgrunds. Niemand weiß, was nach der bald schon wieder anstehenden neuen „Austritts-Deadline“ am 31. Oktober noch ins Land kommt und was nicht.

Angesichts dieses Szenarios hat die britische Regierung neue Beschränkungen für den Export von Hormonersatztherapieprodukten (HRT) erlassen. Die Versorgung mit den Präparaten ist unter Druck geraten, weil sie aufgrund von Herstellungsproblemen teilweise von Lieferengpässe betroffen sind. 

Welche Arzneimittel sind betroffen?

Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit und Soziales (DHSC) werden in Großbritannien rund 360.000 Rezepte für die Hormonersatztherapie ausgestellt, um die Symptome der Menopause zu lindern. Einige dieser Medikamente werden parallel exportiert. Dem will die Regierung jetzt einen Riegel vorschieben, um sicherzustellen, dass die Menschen weiterhin auf die benötigten Medikamente zugreifen können. Insgesamt unterliegen neunzehn HRT-Medikamente dem Verbot. Auf der neuen Liste stehen noch weitere Arzneimittel, darunter alle Adrenalin-Autoinjektoren und Hepatitis-B-Impfstoffe, sämtliche Darreichungsformen und Stärken von Oseltamivir, Ospemifen und Tibolon sowie Prazosin-Tabletten und Rivaroxaban-Tabletten.

Regierung will hart durchgreifen

Das Verbot betrifft nicht nur den Parallelexport der Präparate, sondern auch das Zurückhalten aus dem Verkehr, es sei denn, die Lagebestände werden wegen des Brexits vorgehalten. Das Gesundheitsministerium hat den Inhabern von Großhandelslizenzen mitgeteilt, dass die Regierung von ihren Befugnissen Gebrauch machen werde, um das Verbot durchzusetzen. Wie aus einer gesonderten Guidance hervorgeht, können die Maßnahmen zum Beispiel den sofortigen Entzug der Großhandelslizenz oder ein Verbot des Vertriebs bestimmter Produkte betreffen.

Industrie steht ebenfalls dahinter

„Ich weiß, wie bedrückend ein Mangel an Medikamenten für diejenigen sein kann, die auf Medikamente wie die HRT angewiesen sind“, sagt der Sekretär für Gesundheit und Soziales Matt Hancock. „Die neuen Maßnahmen, die wir heute einführen, werden uns helfen, sicherzustellen, dass die Patienten die Medikamente erhalten, die sie benötigen, und die qualitativ hochwertige Versorgung, die sie verdienen.“ Auch Rick Greville vom Branchenverband “Association of the British Pharmaceutical Industry” begrüßt die Entscheidung der Regierung, Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Arzneimittelversorgung zu treffen: „Dies bedeutet, dass die Arzneimittelvorräte, die die Unternehmen in den vergangenen Monaten aufgebaut haben, besser geschützt sind und nur von den NHS-Patienten verwendet werden können, für die sie bestimmt waren.“

Parallelexportverbote schon in einigen Staaten erlassen

Vor allem die Staaten in Ost-und Südosteuropa, die wegen des niedrigeren Preisniveaus bei Arzneimitteln besonders anfällig für den Parallelexport sind, setzen sich seit einigen Jahren mit Exportverboten dagegen zur Wehr, so zum Beispiel als erste Griechenland und die Slowakei. Später schufen Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Rumänien und Estland ebenfalls die Voraussetzungen, um solche Verbote überhaupt aussprechen zu können.

Diese können zwar EU-rechtlich zulässig sein, aber der Grat ist schmal, und so hat die Europäische Kommission ein wachsames Auge darauf, dass solche Exportbeschränkungen nicht überstrapaziert werden und so den freien Warenverkehr behindern.

Mehr zum Thema

Was den Brexit betrifft, fürchtet die Regierung schon länger Arzneimittel-Lieferengpässe. Aus einem internen Regierungsdokument, das sich mit den Eventualitäten im Falle eines No-Deal-Brexits beschäftigte, wurden auch Lieferengpässe bei Medikamenten erwähnt worden. Die Regierung sorgt sich insbesondere um längere, tagelange Staus für LKWs an der Überfahrt zwischen England und Frankreich. Insbesondere bei Tierarzneimitteln könnte es zu negativen Auswirkungen kommen, fürchtet die Regierung. In den Dokument wird vor Seuchenausbrüchen gewarnt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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