Europawahl

Union und SPD verlieren Wähler, Grüne zweitstärkste Kraft

Berlin - 26.05.2019, 18:05 Uhr

Bei der heutigen Europawahl in Deutschland mussten sowohl die Union als auch die SPD historisch schlechte Ergebnisse hinnehmen. (Foto: imago images / czepluch)

Bei der heutigen Europawahl in Deutschland mussten sowohl die Union als auch die SPD historisch schlechte Ergebnisse hinnehmen. (Foto: imago images / czepluch)


Die Parteien der Großen Koalition müssen bei der Europawahl mit teils heftigen Stimmenverlusten leben. Insbesondere die SPD verliert, sie kommt dem vorläufigen Ergebnis zufolge nur noch auf 15,8 Prozent, 2014 hatte sie noch mehr als 27 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen können. Die Union liegt bei knapp 29 Prozent – das entspricht einem Minus von 6 Prozentpunkten. Wahlgewinner sind die Grünen: Sie schicken fortan die zweitmeisten deutschen Abgeordneten ins EU-Parlament.

Rund 62 Millionen deutsche Wahlberechtigte waren am heutigen Sonntag dazu aufgerufen, ein neues EU-Parlament zu wählen. Eine der wichtigsten Botschaften zuerst: Die Wahlbeteiligung hat stark zugenommen. 2014 hatten nur etwa 48 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. In diesem Jahr nahmen 61,4 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl teil.

Zu den Ergebnissen: Die Union konnte die meisten Wählerinnen und Wähler überzeugen. Rund 29 Prozent stimmten für CDU und CSU, die ihre Abgeordneten in die EVP-Fraktion im EU-Parlament entsenden. 2014 hatten die Unionsparteien noch 35,3 Prozent der Wahlberechtigten überzeugt. Noch größere Verluste muss die SPD hinnehmen: Sie landet bei 15,8 Prozent, das wären etwa 12 Prozentpunkte weniger als 2014.

Die Grünen haben die Sozialdemokraten überholt: Die Ökopartei erhält 20,5 Prozent, 2014 hatten 10,7 Prozent der Wähler für die Grünen gestimmt. Für die Grünen ist es das erste bundesweite Wahlergebnis jenseits der 20 Prozent. Die drittmeisten Abgeordneten entsendet die AfD ins EU-Parlament: Die europaskeptische Partei liegt bei 11 Prozent. Somit kann sich auch die AfD über Zugewinne freuen: Vor fünf Jahren hatte die Partei etwas mehr als 7 Prozent der Wahlberechtigten überzeugt. Freuen kann sich auch die FDP, die nach einem schlechten Ergebnis in 2014 (3,4 Prozent) jetzt bei etwa 5,4 Prozent liegt. Die Linken verlieren leicht und stehen bei 5,5 Prozent.

Zudem werden einige kleinere Parteien aus Deutschland ins EU-Parlament einziehen: Dazu gehören Die Partei, Volt oder die Tierschutzpartei.

Was bedeutet das für die Sitzverteilung?

Das Europaparlament hat wichtige Kompetenzen in der EU-Gesetzgebung und muss unter anderem dem jährlichen EU-Haushalt zustimmen. Es spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des neuen EU-Kommissionspräsidenten. Auch bei der Wahl der einzelnen EU-Kommissare darf das Parlament mitreden.

96 der insgesamt 751 Abgeordneten im künftigen EU-Parlament kommen aus Deutschland. Was die Sitzverteilung betrifft, führt das Wahlergebnis zu Veränderungen. CDU und CSU entsenden künftig 29 Abgeordnete in die EVP-Fraktion, die SPD nur noch 16. 21 Abgeordnete der insgesamt 66 Abgeordneten in der europäischen Grünen-Fraktion stammen künftig aus Deutschland. Die AfD schickt künftig 11 Abgeordnete in die Fraktion der Europaskeptiker. Die Linke und FDP entsenden jeweils 5 Abgeordnete.

Das gesamte Ergebnis der Europawahl ist noch nicht bekannt. Zur Erklärung: Die Wahl findet seit dem 23. Mai statt, jeder EU-Staat hat eigene Wahlregeln. Erste Wahlergebnisse aus Italien wurden erst kurz vor Mitternacht am gestrigen Sonntag bekannt. Das Endergebnis der Europawahl wird daher erst in den kommenden Tagen bekannt werden.

Komplizierte Machtverhältnisse

Im Europaparlament bestimmte in den vergangenen Jahrzehnten eine informelle Koalition der beiden großen Parteienfamilien das politische Geschehen und die Vergabe wichtiger Posten. Das dürfte nun vorbei sein. Ersten Hochrechnungen zufolge sieht alles nach bitteren Verlusten für die Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) aus. Zum ersten Mal seit dem Start des Direktwahlsystems im Jahr 1979 wird demnach die informelle große Koalition keine Mehrheit erreichen. Liberale und grüne Parteien legten zu. Auch rechtspopulistische Parteien verbuchten Zugewinne. Allerdings blieben einige von ihnen hinter ihren Erwartungen zurück. Die EU-kritische AfD will im Europaparlament eine neue Fraktion mit anderen Rechtspopulisten wie der italienischen Lega und der französischen Partei Rassemblement National bilden.

Um das Europaparlament handlungsfähig zu halten, werden sich EVP und S&D nun weitere Partner suchen müssen. Insgesamt dürfte die Abstimmung von Positionen dadurch deutlich komplizierter werden als sie es ohnehin schon war. 

DAZ.online hatte im Vorfeld der Europawahl alle großen Parteien nach ihren apothekenpolitischen Positionen gefragt. Hier sehen Sie nochmals alle Antworten im Überblick:

Mehr zum Thema

*Stand: Sonntagabend, 22:17 Uhr



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Europawahl: Union und SPD verlieren deutlich, Grüne zweitstärkste Kraft

Deutschland hat gewählt

Bremer Bürgerschaftswahl

CDU vor historischem Wahlsieg in Bremen

Europawahl 2014: Gesundheitspolitische Positionen im Überblick

Wählen für Europa!

3 Kommentare

Löschung

von Conny am 27.05.2019 um 12:02 Uhr

Pfeiffen ist aber auch so schlimm !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

europäisches Erdbeben für deutsche Apotheker ?

von Martin Didunyk am 27.05.2019 um 6:32 Uhr

Liberale und Grüne auf der einen und Rechtspopulisten auf der anderen Seite gewinnen....wird spannend was es für uns Apotheker bedeuten wird.

Bereits die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten wird uns zeigen, welcher Wind seitens der EU Institutionen wehen könnte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gedanken

von Alfons Neumann am 26.05.2019 um 23:58 Uhr

Klar, auch andere Themen waren zur Europawahl wichtig, aber, wenn ABDA-Arnold selbst dem Europa-Thema der Streichung vom §78... keinerlei Nachrichtenwert beimißt, nun ja... MMn:
CDU hat seit MaxMüller-Spahn-Konnektion eh die Apotheke vor Ort verraten; SPD bei Spargelfahrt 2018 gekauft? Agiert a-Sozial, da Minister-Lauterbach-Handeln nicht zu den Wahl-Plakaten paßt; Grüne und (wenigstens offen: die) FDP: haben uns ohnehin ihre Feindschaft erklärt; Linke ist leider zu marginalisert... Die einzige Partei, deren Name nicht genannt werden darf, hat nicht genug Einfluß erlangt, um irgendwas für uns reissen zu können ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.