EU-Zulassung von Fremanezumab

Migräne-Antikörper nur alle drei Monate

Jerusalem / Stuttgart - 03.04.2019, 09:00 Uhr

Bei Fremanezumab, dem dritten zugelassenen CGRP-Antikörper nach Erenumab und Galcanezumab, genügt eine Spritze alle drei Monate. ( r / Foto: imago)

Bei Fremanezumab, dem dritten zugelassenen CGRP-Antikörper nach Erenumab und Galcanezumab, genügt eine Spritze alle drei Monate. ( r / Foto: imago)


Die Pipeline der Migräne-Antikörper leert sich – denn sie werden sukzessive zugelassen. Das jüngste Familienmitglied der in der EU zugelassenen Antikörper im CGRP-System ist nach Erenumab (Aimovig®) und Galcanezumab (Emgality®) nun Fremanezumab (Ajovy®). Was ist der Vorteil von Fremanezumab?

Der dritte Antikörper zur Migräneprophylaxe ist nun auch in der EU zugelassen. Nach Erenumab (Aimovig®) und Galcanezumab (Emgality®), darf nun auch Tevas Fremanezumab (Ajovy®) zur Vorbeugung von Migräne-Attacken eingesetzt werden.

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In den Vereinigten Staaten sprach die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA bereits im September 2018 die Zulassung für Ajovy® aus, allerdings erst im zweiten Anlauf. Zunächst musste Teva hinsichtlich der Produktionsstätte von Fremanezumab nachbessern. Die FDA hatte beim ersten Zulassungsantrag Mängel beim koreanischen Wirkstoffhersteller Celltrion angemahnt.

Bei episodischer und chronischer Migräne

Teva untersuchte Fremanezumab in den Phase-III-Studien HALO EM (episodische Migräne) und HALO CM (chronische Migräne) an insgesamt 2.000 Patienten. In HALO CM (1.130 Patienten) verglich Teva die Wirksamkeit einer monatlichen (225 mg) und einer vierteljährlichen (675 mg) Gabe von Fremanezumab im Vergleich zu Placebo. Die Patienten litten zu Beginn der Studie durchschnittlich an 13,2 Tagen pro Monat an Migräne (monatliche Fremanezumab-Gabe), an 12,8 Tagen in der Gruppe mit der vierteljährlichen Fremanezumab-Gabe und in der Placebogruppe an 13,3 Migränetagen im Monat.

Fremanezumab reduziert Migräne um 4,6 Tage

Die Patienten unter vierteljährlicher Fremanezumab-Therapie erhielten initial 675 mg des Antikörpers (subkutan), gefolgt von Placebogaben nach vier und acht Wochen. Migränepatienten, die zur monatlichen Therapiegruppe gehörten, behandelten die Ärzte mit einer Startdosis von ebenfalls 675 mg Fremanezumab. In den Wochen vier und acht wurde die Dosis auf je 225 mg reduziert. Der primäre Studienendpunkt war definiert als Verringerung der durchschnittlichen Kopfschmerztage im Monat. Ein „Kopfschmerztag" lag dann vor, wenn die Patienten länger als vier Stunden Beschwerden hatten oder Migräne-spezifische Arzneimittel benötigten.

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Am stärksten konnte Fremanezumab in der monatlichen Gabe die Zahl der Migräne-Attacken reduzieren: Die Patienten litten durchschnittlich 4,6 Tagen weniger an Migräne; bei 41 Prozent der Behandelten gelang Fremanezumab die Halbierung der Kopfschmerztage. Die vierteljährliche Intervention verbesserte die monatlichen Migränetage um immerhin 4,3 Tage; und 38 Prozent der Patienten reduzierten hier ihre Kopfschmerztage um die Hälfte – während die Placebogruppe an 2,5 Tagen im Monat weniger an Migräne litt. Auch ohne Wirkstoff gelang es, bei 18 Prozent der Patienten, die Kopfschmerztage zu halbieren.

30 Prozent der Probanden nahmen bis zwei Monate vor Studienbeginn eine feste Migräne-Prophylaxe ein.

Nutzen der CGRP-Antikörper

So innovativ der CGRP-Ansatz ist, so relativierend äußern sich wohl Fachkreise ob des therapeutischen Erfolgs von Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab. Prof. Dr. Gerd Bendas (Pharmazeutische Chemie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) gab bei der vor kurzem in Stuttgart stattgefundenen Interpharm eine Einschätzung über den Wert der CGRP- und CGRP-Rezeptor-Antikörper. Bendas: „CGRP ist ein ideales Target bei Migräne", dennoch merke man bei der therapeutischen Effizienz „eine gewisse Zurückhaltung in Fachkreisen – man hatte sich einen durchschlagenderen Erfolg gewünscht“, so Bendas. Sie seien effizient, aber hinsichtlich der bisherigen Möglichkeiten „kein Quantensprung“.

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Migräne stark unterschätzt

Bendas sieht den Nutzen vor allem in der Verträglichkeit der CGRP-Antikörper: „Sie haben wenige Nebenwirkungen oder Kontraindikationen. Die monatliche Selbstapplikation verspricht eine hohe Akzeptanz“, so Bendas. „Wir erwarten eine große Adhärenz, und das ist das große Manko in der bisherigen Prophylaxe.“

Gleiches und Unterschiede bei Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab

Was alle drei Antikörper gemein haben – sie interferieren mit einem völlig neuen Target in der Migränetherapie, dem Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). Betrachtet man die Zielstrukturen im Detail, so neutralisieren Fremanezumab und Galcanezumab das Neuropeptid CGRP direkt, während Erenumab an den Rezeptor von CGRP bindet. Ungeachtet dessen, umreißen die Zulassungstexte die gleiche Patientengruppe. Die Migräne-Antikörper sind ausschließlich indiziert zur Migräneprophylaxe und nur bei erwachsenen Patienten, die an mindestens vier Tagen pro Monat an Migräne leiden. Eingesetzt werden dürfen sie sowohl bei episodischer als auch bei chronischer Migräne. Von chronischer Migräne sprechen die Experten, wenn der Patient an mindestens 15 Tage im Monat an Migränebeschwerden hat.

Fremanezumab als CGRP-Antikörper

Fremanezumab ist ein monoklonaler humanisierter Antikörper. Zielstruktur ist das Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). CGRP spielt nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Migräne. Die CGRP-Hypothese stützt sich unter anderem auf zwei Beobachtungen: Migräne-Patienten weisen während einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel auf, außerdem lassen sich durch CGRP-Injektionen bei Migränikern Anfälle auslösen. 

Der hauptsächliche Unterschied dürfte die Applikation der Antikörper betreffen. Zwar ist – verglichen mit einer täglichen Einnahme bisheriger Migräneprophylaktika wie Betablockern oder Calciumkanalblocker – die rein monatliche subkutane Applikation ein Riesenfortschritt. Allerdings perfektioniert Fremanezumab dies noch ein Stück weiter: Als einziger CGRP-Antikörper genügt bei Ajovy® auch eine vierteljährliche Applikation mit 675 mg Fremanezumab in der dreifachen Monatsdosis à 225 mg. Jedoch dürfte ein kleiner Wermutstropfen bei den Patienten dann aufkommen, wenn sie erfahren, dass die seltenere Applikation nicht mit weniger Nadelpiksen einhergeht. Teva vermarktet Ajovy® lediglich in Fertigspritzen, die nur die Monatsdosis enthalten, eine spezielle Dreimonatsspritze gibt es derzeit noch nicht. Bei Aimovig® und Emgality® setzen die Hersteller Novartis und Lilly auf die subkutane Injektion durch Fertigpens.

Als einziger Migräne-Antikörper sieht Galcanezumab bei der Inititialgabe eine Loading-Dose von 240 mg Galcanezumab vor, dieser folgt die monatliche Applikation von 120 mg.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Endlich!

von Tommy am 10.04.2019 um 20:06 Uhr

Endlich hat die EU es begriffen und Fremanezumab zugelassen. Ich hatte mal intensiv mich damit beschäftigt und meiner Meinung nach ist es echt gut und hat so gut wie nur Vorteile! :) Noch mehr darüber gibt es auf https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Fremanezumab
Da ist das nochmal sehr schön erklärt

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