Volumenersatz

Ab 17. April: Hydroxyethylstärke-Infusionen nur durch geschultes Personal

Berlib - 29.03.2019, 15:15 Uhr

Umstrittener Volumenersatz: Wegen Sicherheitsrisiken dürfen hydroxyethylhaltige Arzneimittel ab dem 17. April nur noch an akkreditierte Einrichtungen geliefert werden. (Foto: imago)

Umstrittener Volumenersatz: Wegen Sicherheitsrisiken dürfen hydroxyethylhaltige Arzneimittel ab dem 17. April nur noch an akkreditierte Einrichtungen geliefert werden. (Foto: imago)


Zulassungsinhaber hydroxyethylstärkehaltiger Arzneimittel dürfen ab dem 17. April ausschließlich an akkreditierte Einrichtungen liefern. Diese Sicherheitsmaßnahme ist Teil des „Programms für den kontrollierten Zugang“ der europäischen Arzneimittelbehörde. Im Vorfeld hatte die Behörde festgestellt, dass die Kontraindikationen für Hydroxyethylstärke-Infusionen nur unzureichend beachtet werden.

Hydroxyethylstärke-Infusionen können Leben retten. Für Patienten mit Sepsis, Nierenfunktionsstörungen oder allgemein kritisch kranke Patienten kann die Volumenersatztherapie aber lebensgefährlich werden. Außerdem gibt es risikoärmere Alternativen zur Volumenersatztherapie. Deshalb bestehen für diese und weitere klinische Situationen strikte Kontraindikationen.

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Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat die Sicherheitsmaßnahmen nun verschärft, welche in einem Rote-Hand-Brief im August 2018 kommuniziert wurden. Hintergrund bildete eine Nutzen-Risiko-Analyse der EMA, die im Oktober 2017 gestartet worden war und bei der sich herausstellte, dass die Anwendungsbeschränkungen in der Vergangenheit nur unzureichend beachtet wurden.

Zulassungsinhaber in der Pflicht

Das BfArM hatte am vergangenen Mittwoch über die Details der nationalen Umsetzung des „Programms für den kontrollierten Zugang“ informiert. Dazu gehört eine klare Vertriebseinschränkung: Ab dem 17.04.2019 dürfen nur akkreditierte Krankenhäuser oder Zentren mit hydroxyethylstärkehaltigen Arzneimitteln beliefert werden. Das Verfahren der Akkreditierung wird durch die Zulassungsinhaber durchgeführt und von diesen kontrolliert. In Deutschland unterliegt Hydroxyethylstärke ausschließlich dem Direktvertrieb.

Erst Schulung, dann Infusion

Voraussetzung für die Akkreditierung sind Pflichtschulungen für Angehörige der Heilberufe, die hydroxyethylstärkehaltige Arzneimittel verordnen oder anwenden. Die deutschsprachige Onlineschulung für Fachkreise wird spätestens zum 05. April auf dem Webportal academy.esahq.org/volumetherapy verfügbar sein. Die Leitung der jeweiligen Einrichtung muss eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, mit der sie bestätigt, dass alle notwendigen Schulungen erfolgreich absolviert wurden. Dies betrifft auch Neuzugänge des Klinikpersonals.

Seit Jahren umstritten

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Hydroxyethylstärke steht auf europäischer Ebene seit Jahren auf dem Prüfstand. Studien hatten bei nierenkranken Patienten ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko gezeigt. Aufgrund der Ergebnisse hatten Experten Hydroxyethylstärke für verzichtbar erklärt, da es zur Volumentherapie genügend Alternativen in Form von kristalloiden Lösungen (z.B. Ringer-Lösung) gebe.

2013 hatte die EMA die Sicherheitsmaßnahmen dann verschärft, was jedoch nur unzureichend beachtet wurde. Im Januar 2018 hatte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) zwischenzeitlich sogar empfohlen, die Zulassungen hydroxyethylstärkehaltiger Arzneimittel ruhen zu lassen.

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Strenge Indikationsstellung

Zu den Kontraindikationen von Hydroxyethylstärke-Infusionen gehören Sepsis, kritischer Zustand, Nierenfunktionsstörungen und Dialyse, De- oder Hyperhydratation, Verbrennungen, Hirnblutungen sowie Gerinnungs- und Leberfunktionsstörungen. Auch bei allen anderen Patienten gilt eine strenge Indikationsstellung: Hydroxyethylstärke darf nur dann zum Einsatz kommen, wenn kristalloide Lösungen zum Volumenersatz nicht ausreichen. 



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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