Honorarkürzung und Zentralisierung

Phoenix verkauft 14 Prozent seiner Apotheken in Großbritannien

Berlin - 27.02.2019, 09:00 Uhr

14 Prozent weniger: Auch als Reaktion auf massive Honorarkürzungen verkauft der Mannheimer Pharmahändler Phoenix 70 seiner Standorte in Großbritannien. (c / Foto: Rowlands)

14 Prozent weniger: Auch als Reaktion auf massive Honorarkürzungen verkauft der Mannheimer Pharmahändler Phoenix 70 seiner Standorte in Großbritannien. (c / Foto: Rowlands)


Der Mannheimer Pharmahandelskonzern Phoenix will in diesem Jahr 70 Apotheken seiner Apothekenkette Rowlands verkaufen. Hintergrund sind unter anderem die massiven Kürzungen am Apothekenhonorar in England. Phoenix hat aber auch ein völlig neues, zentralisiertes Versorgungskonzept angekündigt, bei dem der Apotheker vor Ort von Bestellprozessen befreit werden soll.  Einem Medienbericht zufolge sind von den Verkäufen insbesondere ländliche Regionen und Kleinstädte betroffen.

Der englische Apothekenmarkt kommt nicht zur Ruhe. Die Regierung hatte 2016 angekündigt, bis 2021 rund 22 Milliarden Britische Pfund, das sind etwa 28 Milliarden Euro, im staatlichen Gesundheitswesen einsparen zu wollen. Alleine bei der Vergütung der englischen Apotheken sollen etwa drei Milliarden Euro pro Jahr weniger ausgegeben werden. Zur Erklärung: Die Gesundheitsdienste in England, Wales, Schottland und Nordirland sind unabhängig voneinander – die Vergütungssysteme für die Apotheker unterscheiden sich somit auch.

Einige der großen Kettenunternehmen reagierten sofort: McKessonEurope (ehemals Celesio) hat inzwischen beispielsweise mehr als 170 seiner Lloydsapotheken abgestoßen. Die größte Kette, „Boots“ von Walgreens Alliance Boots, erklärte noch 2016 insgesamt 300 Stellen im Management-Bereich zu streichen. Auch die Phoenix-Kette Rowlands reagierte, es kam zu wenigen, vereinzelten Schließungen. Jetzt greift der Mannheimer Konzern im Vereinigten Königreich aber zu härteren Maßnahmen: Rowlands teilte kürzlich mit, dass in England 69 Standorte und in Wales eine Apotheke verkauft werden sollen. Insgesamt besitzt Phoenix im Königreich rund 500 Apotheken – rund 14 Prozent aller Standorte sollen also abgegeben werden.

Einer Mitteilung des Unternehmens zufolge wurde bereits ein Dienstleister eingeschaltet, der sich nun um die Vermarktung der Apotheken kümmert. Auf Nachfrage von DAZ.online teilte ein Sprecher mit, dass der Verkaufsprozess bis Ende des Jahres abgeschlossen sein solle. Man sei sich sicher, dass Käufer gefunden werden. Zu den Gründen erklärte der Sprecher, dass die Honorarkürzungen alle Apotheken in England vor „noch nicht da gewesene finanzielle Herausforderungen“ gestellt haben. Außerdem investiere man in die Zukunft, indem man die Abgabeprozesse verändere. Ziel sei es, dass die Apotheker mehr Zeit für ihre Kunden hätten.

Neue, zentrale Rezeptsammlung

Aber was genau will Phoenix im Apothekensystem umstellen? In der Pressemitteilung zu den Verkäufen heißt es, dass man in „bedeutendem Umfang in die Automatisierung investiere“, es geht offenbar um neue „Dispensiermodelle“. Und in der Tat: Der Pharmahandelskonzern will in England ein neues, zentrales Versorgungsmodell einführen. Konkret geht es darum, die Apotheker vor Ort von Bestellprozessen zu befreien. Derzeit erhalten die Apotheker das Rezept in der Apotheke, müssen dann noch die Arzneimittel bestellen, die sie nicht am Lager haben. Wenn alle verordneten Packungen zusammengetragen sind, wird der Patient kontaktiert, damit er seine Medikamente abholt.

Künftig sollen die Verordnungen aber in einer Phoenix-Zentrale in England verarbeitet werden: Von dort aus werden dann alle Bestellungen beim Großhandel getätigt. Anschließend sollen die Packungen in einer auf den Patienten zugeschnittenen, individualisierten Box gesammelt und an die vom Kunden gewählte Apotheke weitergeleitet werden. Der Apotheker vor Ort erhält also ein fertiges Paket, das er nur noch an den Patienten abgeben muss. Genaueres wollte der Konzern aber noch nicht mitteilen, man befinde sich noch in einem frühen Projektstadium.

Viele kleinere Städte von Verkäufen betroffen

Es bleibt die Frage: Welche Auswirkungen haben die Phoenix-Verkäufe auf die Versorgung? Gelingt es der Kette, alle Standorte wie geplant zu veräußern, entstehen keine Versorgungslücken. Doch wenn das nicht gelingt und es zu Schließungen kommt, drohen Versorgungslücken. Glaubt man der Fachzeitschrift „Chemist and Druggist“, könnten diese Lücken insbesondere in ländlichen Regionen und kleineren Städten entstehen. Eine Karte mit den 70 betroffenen Standorten zeigt, dass London beispielsweise fast gar nicht betroffen ist, die zu veräußernden Apotheken sind im ganzen Land verteilt.

Der Phoenix-Sprecher erklärt, welche drei Kriterien der Konzern verwendet hat, um die betroffenen Apotheken auszuwählen: Geografische Lage der Apotheken, der Marktentwicklungsindex der jeweiligen Region sowie die Laufzeit der Mietverträge.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Betrifft ländliche Gebiete - was sonst

von ratatosk am 27.02.2019 um 18:28 Uhr

Auch wenn unsere Politiker das lesen sollten, sie werden es nicht kapieren oder kapieren wollen, daß Konzerne nicht nach Kleinklekersdorf gehen. Diese, die GKV und die bekannten Konsorten wie Lauterbach, Glaeske und Co. ruinieren also bewußt die ländlichen Lebensbedingungen zugunsten von meist ausländischen Großkonzernen - warum eigentlich ?!

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