Versorgungsstudie

AOK startet Initiative zur ambulanten Landversorgung – und lässt Apotheken aus

Berlin - 20.02.2019, 14:45 Uhr

Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, stellte am heutigen Mittwoch eine große Versorgungsstudie vor, bei der die Apotheken fehlten. Zahlen der AOK Baden-Württemberg zeigen aber Überraschendes. (c / Foto: imago)

Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, stellte am heutigen Mittwoch eine große Versorgungsstudie vor, bei der die Apotheken fehlten. Zahlen der AOK Baden-Württemberg zeigen aber Überraschendes. (c / Foto: imago)


Das AOK-System hat am heutigen Mittwoch eine Initiative zur Verbesserung der ambulanten Versorgung gestartet. Bei der Vorstellung der Aktion „Stadt. Land. Gesund.“ präsentierte der AOK-Bundesverband in Berlin eine Versorgungsstudie, in der es unter anderem um die Zufriedenheit der Bürger mit Leistungserbringern geht. Die AOKen haben zudem angekündigt, 100 Millionen Euro in die ambulante Versorgung zu investieren. Von den Apotheken ist zumindest in der bundesweiten Initiative keine Rede. Zahlen der AOK Baden-Württemberg zeigen aber Überraschendes.

„Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Gesundheitseinrichtungen vor Ort? Wie zufrieden sind Sie mit den verschiedenen Angeboten zur Daseinsvorsorge bei Ihnen vor Ort? Wie haben die folgenden Gesundheitseinrichtungen vor Ort Ihre Versorgung verbessert?" Unter anderem diese Fragen stellte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des AOK-Bundesverbandes 2.005 Bundesbürgern in Telefon-Interviews. Ziel war es, die Meinungen und Einstellungen der Menschen zur Versorgung im ländlichen und urbanen Raum zu erfahren.

Bei allen Fragen handelt es sich um Themen, bei denen auch die Apotheken eine bedeutende Rolle spielen. In der Studienauswertung kommen Apotheken jedoch nicht vor: So sind zwar unter anderem die Werte zu Haus- und Fachärzten, Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, Kliniken, ambulanten Pflegediensten, der Polizei und auch der Internetversorgung in die Studie eingebunden. Wie zufrieden die Menschen mit der Arzneimittelversorgung durch die Vor-Ort-Apotheken sind, dazu findet sich in der AOK-Versorgungsstudie jedoch keine Spur.

AOKen wollen 100 Millionen Euro investieren

Und auch in der dazugehörigen Initiative, die das AOK-System nun ins Leben gerufen hat, spielt die Arzneimittelversorgung so gut wie keine Rolle. Bei der Vorstellung der Initiative „Stadt.Land.Gesund“ am heutigen Mittwoch in Berlin erklärten Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, und Irmgard Stippler, Chefin der AOK Bayern, zwar, dass die AOKen in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 100 Millionen Euro in Projekte der ambulanten Versorgung investieren wollen. Aber auch in ihren Statements spielten die Apotheken keine Rolle – obwohl Stippler wörtlich sagte: „Für mich ist ganz wichtig, dass die Sicherstellung der ländlichen Versorgung nur zu bewältigen ist, wenn alle maßgeblichen Gesundheitsberufe und -bereiche mit ihren Einrichtungen und Institutionen kooperieren und eng zusammenarbeiten.“

Dabei scheint es zumindest in der Versorgungsstudie auch Daten über die Bedeutung der Apotheken und die Zufriedenheit der Menschen mit den Apotheken zu geben. Denn auf Nachfrage von DAZ.online erklärte ein Sprecher des Kassenverbandes: „Wir werden die Informationen über Apotheken zu einem späteren Zeitpunkt gesondert veröffentlichen.“ Wann und in welchem Rahmen dann diese separate Apotheken-Studie vorgestellt werden soll, ließ der Verbandssprecher allerdings offen.

Baden-Württemberg: Apotheken überragen alle bei der Zufriedenheit

Überraschendes zeigt aber eine Veröffentlichung der AOK Baden-Württemberg. Die AOK im Südwesten veröffentlichte die auf Baden-Württemberg bezogenen Studienergebnisse am heutigen Mittwoch – allerdings mit den Apothekenwerten. Dabei fällt auf: Die Zufriedenheitswerte der Vor-Ort-Apotheken übertreffen – zumindest in Baden-Württemberg – mit großem Abstand alle anderen Vor-Ort-Einrichtungen: 92 Prozent aller Befragten sind mit der Apothekenversorgung „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“.

Auf den darauffolgenden Plätzen folgen die Schulen (79 Prozent), Einkaufsmöglichkeiten (77 Prozent) und Hausärzte (76 Prozent). Die Zufriedenheit mit den Apotheken ist zudem in ländlichen und städtischen Regionen gleich groß: Sowohl in größeren als auch in kleineren Orten liegt die Zufriedenheit mit den Apotheken im Südwesten bei über 90 Prozent.

Was die Bedeutung der einzelnen Einrichtungen betrifft, schneiden die Apotheken jedoch nur im Mittelfeld ab: Am wichtigsten sind den knapp 520 befragten Baden-Württembergern demnach Hausärzte, die Internetversorgung, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen. Gerade bei den Hausärzten klafft im Südwesten zwischen Bedeutung und Zufriedenheit aber eine große Lücke: 94 Prozent finden einen Hausarzt vor Ort zwar sehr wichtig oder wichtig, zufrieden sind aber „nur“ etwa drei Viertel der Befragten mit der Versorgung.

Bundesumfrage: Video-Sprechstunden eher nicht beim Erstkontakt

Warum also weigert sich der AOK-Bundesverband, die Werte zur Zufriedenheit und zur Bedeutung der Apotheke vor Ort zu veröffentlichen? Darauf gab es am heutigen Mittwoch keine Antwort. In der bundesweiten Studie gab es trotzdem einige interessante Inhalte: Bei der Frage, welche Infrastruktureinrichtungen den Menschen am wichtigsten sind, landeten auch in der Gesamtstudie die Hausärzte an erster Stelle: 95 Prozent der Befragten finden es sehr wichtig oder wichtig, einen Hausarzt in der Nähe zu haben. Auf den folgenden Plätzen landeten Einkaufsmöglichkeiten, die Internetversorgung, Schulen und Kliniken.

Bei der Zufriedenheit mit den einzelnen Versorgungseinrichtungen zeichnete sich jedoch ein leicht anderes Bild: Hier landen die Hausärzte nur an zweiter Stelle, knapp 80 Prozent der Befragten sind „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“. An erster Stelle werden hier die Einkaufsmöglichkeiten genannt. Interessant ist, dass die Fachärzte schlecht bewertet werden: Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten ist zufrieden mit der fachärztlichen Versorgung, knapp ein Drittel sogar „nicht so zufrieden“ und „unzufrieden“.

Der AOK-Bundesverband ließ auch danach fragen, ob die Menschen in den vergangenen Jahren in der ärztlichen Versorgung eine Verschlechterung gemerkt haben. Dabei fällt auf: Menschen in kleineren Orten sehen weitaus häufiger negative Tendenzen in der haus- und fachärztlichen Versorgung als Stadtmenschen. Ebenso interessant: Die AOK fragte nach der Akzeptanz neuer Versorgungsformen. Demnach können sich 55 Prozent der Befragten bereits ärztliche Behandlungen per Video vorstellen. Auch Angebote von „mobilen Arztpraxen“ finden laut AOK-Studie 43 Prozent der Umfrageteilnehmer sehr gut. Was die Videotelefonie in der Gesundheitsversorgung betrifft, wollte die AOK auch erfahren, wozu die Patienten dieses Format nutzen würden. Dabei zeigte sich: Die Umfrageteilnehmer würden Video-Sprechstunden insbesondere zu Folgeterminen oder zur Befundbesprechung nutzen. Bei Erstkontakten können sich deutlich weniger Befragte vorstellen, den Arzt via Video zu kontaktieren.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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