Noweda-Umfrage

Wenig Bewusstsein für den Apotheken-Rückgang 

Berlin - 16.07.2018, 17:15 Uhr

Die Apotheke vor Ort ist geschätzt. (b / Foto: ABDA)

Die Apotheke vor Ort ist geschätzt. (b / Foto: ABDA)


Kürzlich hat die Apothekergenossenschaft Noweda im Nachrichtenmagazin Focus die Anzeigenkampagne „Alle 38 Stunden“ gestartet. Sie soll aufklären, dass die Zahl der Apotheken in Deutschland seit einigen Jahren beständig sinkt. Die Annoncen haben ihren Grund: Den allermeisten Menschen ist dieser Rückgang nicht bewusst. Zugleich legen sie aber Wert auf die Leistungen der Apotheke vor Ort. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage, die die Noweda initiiert hat.

Die Zahl der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland hat mit 19.748 Betriebsstätten (Stand Ende 2017) den tiefsten Stand seit fast 30 Jahren erreicht. Tendenz: weiter fallend. Nicht zuletzt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Arzneimittelversand bangen Apotheken um ihre Existenz – werden die großen Versender jenseits der Grenze immer mehr Kunden mit Rabatten ködern können, die deutsche Apotheken gar nicht gewähren dürfen?

Die Apothekengenossenschaft Noweda macht sich jedenfalls Sorgen um die Zukunft der Apotheken vor Ort. Mit ihrer neuen Anzeigenkampagne „Alle 38 Stunden“, die bis Jahresende mehrfach mit unterschiedlichen Motiven im Focus erscheinen soll, will sie Bewusstsein schaffen, wie wichtig die Apotheke vor Ort ist – und dass sie massiv gefährdet ist. Denn durchschnittlich alle 38 Stunden schließt in Deutschland eine Apotheke. Dabei hat die Bundesrepublik schon heute weniger Vor-Ort-Apotheken als alle EU-Länder mit Schnitt.

Zwei Umfragen mit gemeinsamer Tendenz

Dass die Bevölkerung hierüber nur unzureichend informiert ist, zeigen die Ergebnisse von zwei Noweda-Umfragen: eine bundesweite, repräsentative Umfrage in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und eine nicht repräsentative Patientenumfrage in Apotheken, an der sich mehr als 12.000 Kunden beteiligt haben. Die gestellten Fragen waren bei beiden Umfragen identisch. Und hier wie dort lässt sich zweierlei erkennen: Den wenigsten ist bewusst, dass die Zahl der Apotheken sinkt; zugleich schätzen die Menschen die Apotheke vor Ort.

So ist gut 90 Prozent der GfK-Befragten nicht bekannt, dass es in Deutschland weniger Apotheken gibt als im Durchschnitt der EU. Ebenso vielen ist nicht bewusst, dass in den letzten drei Jahren durchschnittlich alle 38 Stunden eine Apotheke geschlossen hat. Fast 92 Prozent der repräsentativen Befragungsgruppe wussten nicht, dass sich die Anzahl der Apotheken in Deutschland auf dem tiefsten Stand der letzten drei Jahrzehnte befindet. Die in den Apotheken von Noweda-Mitgliedern befragten Kunden erwiesen sich als etwas informierter: Von ihnen wussten 63 Prozent nicht, dass es in Deutschland bereits heute weniger Apotheken gibt als im EU-Schnitt. 62 Prozent war die Schließung einer Apotheke alle 38 Stunden nicht bewusst und 60 Prozent war nicht klar, dass sich die Anzahl der Apotheken auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren befindet. 

Geschätzte Nacht- und Notdienste

Zugleich nutzen die Umfrageteilnehmer die Leistungen der Vor-Ort-Apotheken intensiv, etwa die Nacht- oder Notdienste an Sonn- und Feiertagen: Die GfK-Befragten gaben zu 67,5 Prozent an, diese schon in Anspruch genommen zu haben, unter den Teilnehmern der Patientenumfrage in den Apotheken waren es sogar 76,5 Prozent.

Gefragt wurde auch, ob die persönliche Beratung in Apotheken genutzt wird. Das hatten 82 Prozent der Teilnehmer der GfK-Umfrage und 95 Prozent der Apotheken-Befragten bejaht. Nahezu allen Befragten ist es auch wichtig, dass es eine Apotheke in erreichbarer Nähe zum Wohnort gibt (98 Prozent GfK-Teilnehmer, 99,9 Prozent Apotheken-Teilnehmer).

Versand darf wohnortnahe Apotheken nicht gefährden

Auf die Frage: „Hätten Sie Verständnis dafür, wenn Menschen ihre Medikamente im Internet beziehen, auch wenn dadurch die Existenz der wohnortnahen Vor-Ort-Apotheken gefährdet würde?“, antworteten bei der GfK-Umfrage knapp 64 Prozent mit „nein“. Die Teilnehmer der Patientenumfrage hatten sogar zu 88 Prozent kein Verständnis.

„Die eindeutigen Umfrage-Ergebnisse zeigen, wie wichtig unsere aktuelle Anzeigenkampagne ,Alle 38 Stunden‘ ist“, erklärt Noweda-Chef Dr. Michael P. Kuck. „Die Kampagne soll die Bürger aufrütteln und ihnen den massiven Rückgang der Vor-Ort-Apotheken verdeutlichen. Die Menschen müssen wissen, dass ihre Versorgung in Gefahr ist, wenn das so weiter geht“. Kuck sieht die Politik gefordert: Sie müsse endlich die Apothekenhonorare deutlich erhöhen und dynamisieren sowie den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel verbieten. „Ist die Infrastruktur erst einmal zerstört, gibt es kein Zurück“, mahnt Kuck.


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4 Kommentare

lokale Apotheke vs Versandapotheke

von Kritiker am 17.07.2018 um 9:37 Uhr

Aus meiner Perspektive als Versicherter eine Anmerkung. Prinzipiell halte ich ein RX Versandverbot für sinnvoll. Andererseits kritisiere ich die hohen Preise der lokalen Apotheken für Basis OTC Präparate. Beispiel: Im Februar füllte ich die Hausapotheke unseres aus meiner Partnerin und mir bestehenden Haushalts auf. Für 2 x 50 Dolormin extra plus 2 x 20 Berberil N EDO und einige ratiopharm Basics sowie Desinfektionsmittel zahlte ich an eine Versandapotheke knapp 70 Euro. In den lokalen Apotheken wäre unser Budget um ca 150 Euro erleichtert worden. Bitte, warum bieten lokale Apotheken Basis OTC Präparate nicht zu einigermaßen wettbewerbsfähigen Preisen an?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: lokale Apotheke vs Versandapotheke

von Florian Becker am 17.07.2018 um 15:47 Uhr

Zunächst mal ein wenig flapsig formuliert:
Weil die lokalen Apotheken -anders als DocM- keine Fremdkapitalgeber aus Saudi Arabien haben, die jahrelang die Verluste ausgleichen, die durch die Super-Angebote anfallen.

Das ist natürlich sehr verkürzt dargestellt, trifft aber den Kern.

außerdem:
- Versandapotheken arbeiten systembedingt mit einem Minimum an qualifiziertem pharmazeutischem Personal, bei den lokalen Apotheken ist das Gegenteil der Fall.
- Versandapotheken haben im RX-Bereich Einkaufskonditionen, die den lokalen Apotheken in Deutschland per Gesetz verwehrt sind, das wirkt sich über eine Mischkalkulation letztendlich auch auf die OTC-Preise aus.
-Versandapotheken müssen keinen Nacht- und Notdienst machen
-holländische Versender müssen sich nicht an deutsches Recht halten
Man könnte diese Liste noch fortführen.

All das befähigt die Versandapotheken, Angebote zu machen, mit denen die Apotheke vor Ort kaum mithalten kann.

Man sollte dabei halt eines bedenken:
Nur von den Fällen, wo man dann im Notfall dringend ganz schnell seine Arzneimittel braucht, möglicherweise nachts und am Wochenende, kann keine Apotheke vor Ort leben.
Die Folge wird sein, dass es die halt irgendwann im Notfall nicht mehr gibt

AW: lokale Apotheke vs Versandapotheke

von Kritiker am 17.07.2018 um 19:04 Uhr

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Die Finanzierungsseite bedachte ich nicht. Typische lokale Apotheken haben bei Fremdkapitalbedarf vermutlich wenige potenzielle Finanzierungsgeber. Ein auf Finanzierung von Apotheken und Arztpraxen spezialisiertes Kreditinstitut ist laut Ärzten aus meinem Bekanntenkreis wegen unseriöser Geschäftspraktiken berüchtigt. Das hätte ich bedenken müssen.

Ungünstigere Einkaufskondidionen lokaler Apotheken für RX Präparate ist eine neue - aber nachvollziehbare - Information für mich.

Wie vermutlich viele Außenstehende hatte ich nur das auf dem ersten Blick immense Apothekenhonorar vor Augen.

Umso wichtiger ist Durchsetzung des RX Versandverbots. Auch wegen des vermutlich irgendwann in Europa drohenden Markteintritts eines US Giganten.

Hinzu kommt Die notwendige Korrektur der Fehlentwicklungen im Pharmasektor. Vielleicht stellt Valsartan nur die Spitze eines Eisbergs dar.

Wenn die politischen Eliten nicht endlich aufwachen haben wir in 10 bis 20 Jahren in Deutschland ein mit dem kaputten US Gesundheitswesen vergleichbares Gesundheitswesen als Kollateralschaden der Globalisierung. Gruselige Perspektive.

AW: lokale Apotheke vs Versandapotheke

von Stefan Haydn am 17.07.2018 um 20:20 Uhr

Das immense Apothekenhonorar wird in folgender Relation wesentlich besser verständlich:

Die Apothekenzahl beträgt etwa 20.000, Krankenkassen etwa 180. Die täglichen Patientenkontakte dürften in den Apotheken wesentlich höher ausfallen als in der Krankenkassenverwaltung, mit direkt messbarem Nutzen für Patienten.
Dennoch verschlingen die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen etwa das DOPPELTE der Ausgaben für das Apothekenhonorar. (4,9 vs 2,3%)

Von der Wertschöpfung des Staates durch die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel will ich gar nicht erst zu sprechen anfangen. 16% der Arzneimittelausgaben gegenüber 15,3% Anteil der Apotheken. Sozusagen fürs nichts tun.
Genauere Zahlen sind hier zu finden:
https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2017/ABDA_ZDF_2017_Brosch.pdf

Hier sieht man auch die Abkopplung der Apotheken von der allgemeinen Preisentwicklung seit 2005.

Dies kann auf Dauer nicht gut gehen.

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