Skandal in Bottrop

Verteidiger fordern Freispruch für Zyto-Apotheker Peter S.

Essen - 05.07.2018, 13:50 Uhr

Der angeklagte Zyto-Apotheker Peter S. soll nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft 13,5 Jahre ins Gefängnis, die Verteidigung fordert einen Freispruch – auch weil der Apotheker vorverurteilt worden sei. ( r / Foto: hfd)

Der angeklagte Zyto-Apotheker Peter S. soll nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft 13,5 Jahre ins Gefängnis, die Verteidigung fordert einen Freispruch – auch weil der Apotheker vorverurteilt worden sei. ( r / Foto: hfd)


Laut Verteidigung gibt es keine Beweise

Der von vier Strafverteidigern vertretene Peter S. verfolgte die Verhandlung konzentrierten Blickes. Zwei der Verteidiger hielten Plädoyers – und forderten, den Apotheker freizusprechen und aus der Haft zu entlassen. Die achtmonatige Beweisaufnahme hat ihrer Ansicht nach nichts erbracht. „Im Ergebnis sind wir genauso schlau, wie wir es vorher waren“, sagte ein Verteidiger.

Seiner Ansicht nach wurde in dem Verfahren nicht geprüft, ob S. die angeklagten Taten verwirklicht hat, sondern dies wurde vorausgesetzt. So bei 27 Medikamenten, die bei der Razzia sichergestellt wurden und laut Kürzel von S. hergestellt sowie nach amtlichen Untersuchungen unterdosiert waren. Die Verteidigung argumentierte, dass in der Apotheke offensichtlich falsch abgezeichnet worden sei – so dass unklar sei, wer konkret die Arzneimittel hergestellt hat. Auch bezüglich der im Strafzeitraum knapp 62.000 hergestellten Krebsmittel sei vieles unklar. „Es gab keinen Beweis vorsätzlicher Fehldosierungen“, erklärte der Verteidiger.

Verteidigung: Peter S. ist nie beim Unterdosieren gesehen worden

Ohnehin seien die sichergestellten Infusionsbeutel noch nicht zur Abholung freigegeben worden – dies entkräfte den Vorwurf der versuchten Körperverletzung in 27 Fällen. Auch habe kein einziger Zeuge vorgebracht, er habe gesehen, wie S. unterdosiert hat – oder eine Anweisung hierzu von dem Apotheker erhalten.

Erneut stellte die Verteidigung die Analyseergebnisse in Abrede: Es bleibe unklar, ob es Unterdosierungen überhaupt gab. Ein Sachverständiger habe Fehler in der Dokumentation der Untersuchungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Landeszentrums Gesundheit NRW als „Alarmsignal“ bezeichnet. „Die Ergebnisse können richtig sein – nur lässt sich diese Richtigkeit nicht anhand der Dokumentation nachvollziehen“, erklärte er. Am Ende müsse das Gericht daher zu dem Ergebnis kommen, dass sie nicht belastbar sei. 

„Ein planmäßiges und systematisches Vorgehen ist nicht zu erkennen“

Wenn man unterstelle, dass S. tatsächlich unterdosiert hat, sei die Erklärung erheblich plausibler, dass dies unwillkürlich passiert ist. „Denn ein planmäßiges und systematisches Vorgehen ist nicht zu erkennen“, sagte der Verteidiger. Auch sei nach den Untersuchungen teils ein falscher und teurerer Wirkstoff in den Therapien gewesen – oder es sei laut den Analysen zu Unterdosierungen bei Mitteln gekommen, deren Einkaufsmenge über der Verkaufsmenge lag. Und hätten die Mitarbeiter tatsächlich geschwiegen, wenn sie gemerkt hätten, dass ihr Chef systematisch unterdosiert? „Die Beweisaufnahme hat das Gegenteil bewiesen“, behauptete der Verteidiger: Auch hätten sämtliche Zeugen ausgesagt, dass immer genug Wirkstoff vorrätig gewesen sei.

Er stellte außerdem die Berechnungen der Ein- und Verkaufsmengen in Frage. Zu Gunsten des Angeklagten müsse beispielsweise angenommen werden, dass alle bei privaten Versicherungen abgerechneten Zytostatika keinerlei Wirkstoff enthielten und dafür die bei den Kassen abgerechneten Arzneimittel, die mit einer Summe von 56 Millionen Euro zur Anklage gebracht wurden, entsprechend höher dosiert waren.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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