Skandal in Bottrop

Verteidiger fordern Freispruch für Zyto-Apotheker Peter S.

Essen - 05.07.2018, 13:50 Uhr

Der angeklagte Zyto-Apotheker Peter S. soll nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft 13,5 Jahre ins Gefängnis, die Verteidigung fordert einen Freispruch – auch weil der Apotheker vorverurteilt worden sei. ( r / Foto: hfd)

Der angeklagte Zyto-Apotheker Peter S. soll nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft 13,5 Jahre ins Gefängnis, die Verteidigung fordert einen Freispruch – auch weil der Apotheker vorverurteilt worden sei. ( r / Foto: hfd)


„Hetzkampagne“ gegen den beschuldigten Apotheker?

Das Gericht hatte zuvor angedeutet, dass der Apotheker sich womöglich eines Organisationsdelikts schuldig gemacht haben könnte – indem er den Betrieb der Apotheke auf illegale Weise organisiert hätte. Doch dies bedürfe eines konkreten Tatbeitrags von S., erklärte sein Verteidiger, den er nicht als nachgewiesen sehe. Es habe in der Apotheke keine Möglichkeit gegeben, über die Bilanz mögliche Auffälligkeiten beim Gewinn der Zyto-Abteilung aufzudecken, da dies nicht eigens ausgewiesen worden sei; auch habe erst der frühere kaufmännische Leiter der Apotheke, Martin Porwoll, händisch Wareneinkauf und Verkauf verglichen. Diese Erkenntnisquelle sei Peter S. „nicht zugänglich“ gewesen, erklärte sein Verteidiger.

Ein Kollege sprach von einer „Hetzkampagne“ und einem medialen Pranger, an den insbesondere das Recherchenetzwerk Correctiv den Apotheker gestellt habe. „Offensichtlich zu verlockend war es, sich dem Skandal hinzugeben und ihn breitzutreten als stünde alles schon fest“, sagte er. Noch vor Start der Hauptverhandlung seien Inhalte von Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit gelangt. „Das alles kann nur als skandalös bezeichnet werden“, sagte der Verteidiger. Der größere Skandal sei es, wenn das Gericht das jetzt als Bagatelle abtut.

Haben die Behörden die mediale Hetze mit verschuldet?

Behörden hätten die „mediale Hetze“ mit verschuldet. Zum Beleg dieser These nannte der Verteidiger die Äußerung einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft, die erklärt habe, es sei unklar, ob S. beispielsweise Männer oder Frauen benachteiligt habe. Diese Spekulationen gingen immer mit der Prämisse einher, es gebe keine Zweifel, erklärte der Verteidiger. Auch das Bundeskanzleramt sprach von einem „Einzelfall kriminellen Fehlverhaltens“, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann habe gesagt, dass S. „völlig zu Recht“ in Untersuchungshaft sitze. Alle diese „vorverurteilenden Tendenzen“ müssten strafmindernd wirken, erklärte der Verteidiger: Insbesondere die vom Staat verursachten Verletzungen der Unschuldsvermutung wögen schwer.

Entlastend sei auch die „Willensschwäche des Angeklagten“, die nach Ansicht der Verteidigung ihre Ursache in einer schweren Kopfverletzung sowie massiven Kopfschmerzen habe – obwohl ein vom Gericht bestellter Sachverständiger erklärt hatte, der Apotheker sei voll schuldfähig. Außerdem lege die „Milieuzugehörigkeit“ nahe, dass die Haft für S. besonders belastend sei, so dass die vom Staatsanwalt geforderte Strafhöhe selbst dann unangemessen sei, wenn sie erwiesen wäre.

„Bei wem ist wann genau welcher Schaden entstanden?“

Ein Betrugsnachweis sei insgesamt nicht erbracht. „Wer ist eigentlich Täter? Wer mittelbar? Bei wem ist wann genau welcher Schaden entstanden?“, fragte der Verteidiger. Dem fehlenden Tatnachweis könne auch die Rechtsfigur des Organisationsdelikts nicht abhelfen.

Nach den Plädoyers klärte der Vorsitzende Richter Johannes Hidding den Apotheker darüber auf, dass ihm das letzte Wort zusteht. „Ich möchte mich nicht mehr äußern“, sagte S.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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