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Alle fürchten Amazon

München - 06.06.2018, 17:35 Uhr

Wie könnte Amazon seine Marktmacht im deutschen Apothekenmarkt ausbreiten? (Foto: Imago)

Wie könnte Amazon seine Marktmacht im deutschen Apothekenmarkt ausbreiten? (Foto: Imago)


Amazons Optionen: Eigene Versandapotheke?

Mit der Übernahme der weltweit größte Bio-Supermarktkette, Whole Foods, für 13,7 Milliarden Dollar bewies Amazon im vergangenen Jahr zudem, dass der Konzern auch vor richtig dicken Brocken nicht zurückschreckt. Beobachter halten es außerdem für möglich, dass der Onlinehändler über diesen stationären Vertriebsweg künftig auch Arzneimittel verkauft. Immerhin erklärte Amazons Finanzchef Brian Olsavsky im Oktober 2017 während eines Telefonats mit Analysten: „Wir experimentieren bei Whole Foods mit verschiedenen Formaten. Ich glaube, dass uns Whole Foods eine tolle Basis und einen schnellen Start für neue Geschäftsmöglichkeiten gibt.“ Bemerkenswert ist, dass Olsavskys Antwort auf eine Frage eines Analysten folgte, ob Amazon erwäge, in den mehr als 400 Whole Foods-Geschäften in den USA eine physische Apotheken-Präsenz aufzubauen.

Für Unruhe sorgte im Herbst 2017 auch die Nachricht, dass Amazon eine Reihe von Fachleuten aus dem Gesundheitssektor eingestellt hat. Während dieses Team anfangs aus sieben bis acht Personen bestanden haben soll, ist es nach einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Leerink im Januar 2018 auf mittlerweile 30 bis 40 Personen angewachsen.

Zudem hatte der Konzern ein Projekt namens 1492 ins Leben gerufen, das Anwendungen in der Telemedizin entwickeln soll. Zuvor hatte Unternehmenschef Jeff Bezos selbst erklärt, dass Amazons digitale Assistenten Echo und Alexa in der Kommunikation mit Ärzten und Patienten eingesetzt werden könnten. Kurzzeitig grassierte 2017 auch das Gerücht, Amazon könnte als Käufer des Arzneimittelhändlers Shop Apotheke auftreten – eine Falschmeldung, offenbar der Nervosität im Markt geschuldet.

Untersuchung von Goldman Sachs

Vor diesem Hintergrund hatte im Herbst 2017 die US-Bank Goldman Sachs analysiert, wie ein Eintritt von Amazon in den Gesundheitsmarkt und insbesondere in den Arzneimittelversand im Detail aussehen könnte. Dabei haben die Analysten fünf verschiedene Szenarien aufgezeichnet und deren Pros und Contras gegeneinander abgewogen. Einen besonderen Fokus richteten die Autoren auf den Pharmavertrieb, denn der Markt der verschreibungspflichtigen Arzneimittel mit einem globalen Umsatzvolumen von 560 Milliarden Dollar könnte für Amazon ein lukratives Geschäftspotenzial darstellen. Zudem sei diese Branche wie geschaffen für den Handelsriesen: Bestellungen von Arzneimitteln aufnehmen, diese verarbeiten und den Versand nachverfolgen sei ein Geschäft, das Amazon im Kern beherrsche. Damit der Eintritt in den Arzneimittelversand gut gelingt, hielten es die Analysten für am wahrscheinlichsten, dass sich Amazon mit einem erfahrenen Partner zusammentut – ein Vorgehen, das der Konzern bereits bei früheren Gelegenheiten angewendet hatte.

Baut Amazon eine eigene Online-Apotheke auf?

In einem weiteren Szenario haben die Bankanalysten den Aufbau einer eigenen Online-Apotheke durch Amazon unter die Lupe genommen. Amazon, so Goldman Sachs, könnte in diesem Umfeld gleich mehrere Vorteile ausspielen: So könnte der Konzern die besten Anwendungen seiner Webseite auf den Online-Verkauf von Arzneimitteln übertragen und dabei die bislang durchschnittliche Lieferzeit deutlich verkürzen. Ein einfacher Bestellprozess und die genaue Nennung des Lieferzeitpunktes beim Kunden wären weitere Vorzüge.

Allerdings verschwiegen die Analysten nicht, dass ein solcher Schritt auch Herausforderungen mit sich bringe. So sei laut Goldman Sachs eine erhebliche Einkaufsmacht nötig. Außerdem sei ein guter Zugang zu Entscheidern und Kunden wichtig – ein Geschäft, das in den USA stark in den Händen der Pharmacy Benefit Manager liege. Aus Sicht der Bankanalysten wäre es deshalb am wahrscheinlichsten, dass sich Amazon – sollte der Konzern in dieses Geschäft einsteigen – sich mit einem dieser PBM zusammentun könnte. Darüber hinaus sahen nach einem Bericht des Branchendienstes Pharmacy Times Analysten zuletzt Anzeichen, dass Amazon seine Pläne für einen Einstieg in den Pharmavertrieb aufgrund hoher Markteintrittshürden erstmal zurückstellen könnte. Dies, ergänzten die Journalisten von Statnews, gelte insbesondere für das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Amazon

von Alexander Zeitler am 07.06.2018 um 4:17 Uhr

Kann das denn sein?
Alle vermuten in den deutschen Apotheken DIE GEWINNE.
Lang , lang ists her.
Die kleinen Apotheken halten sich gerade so über Wasser. und finden dann für ihre "ertragsstarken" Apotheken KEINEN Nachfolger.
Und Amazon muss seine Lieferungen ggf. zurücknehmen. Was machen die dann mit den Arzneimitteln?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Amazon

von Heiko Barz am 07.06.2018 um 11:59 Uhr

Glauben Sie, dass dieser Konzern sich nationalen Gesetzesvorgaben unterwirft? Man merkt doch wie weichgekloppt unsere Politische Ebene jetzt schon ist, wenn es um strickte Einhaltung der juristischen Grundlagen geht.
Wenn da nur einer mit dem Zauberwort "Digitalisierung " aufläuft, dann werden alle Türen geöffnet.
Natürlich wäre die Rückführung der Arzneimittel zum Versandhändler ein für diese Unternehmens-Sparte unrealistisches Szenario, da mit unkontrollierbaren und hohen Verlusten zu rechnen ist. Außerdem müßten in solchem Fall überstaatliche "Pharmazieräte" dort als Kontrolleure aufschlagen. ?.......?

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