Neue Empfehlungen

Wann brauchen Kinder ab zwei Jahren zusätzlich Vitamin D?

Berlin - 24.04.2018, 16:45 Uhr

Für Pädiatrie-Experten ist ein niedriger Vitamin-D-Spiegel jenseits des zweiten Lebensjahrs noch kein Grund für eine Supplementierung. Es sei denn, es liegen Risikofaktoren vor. (Foto: Imago)

Für Pädiatrie-Experten ist ein niedriger Vitamin-D-Spiegel jenseits des zweiten Lebensjahrs noch kein Grund für eine Supplementierung. Es sei denn, es liegen Risikofaktoren vor. (Foto: Imago)


Experten sind sich einig: Es schadet nicht, Kindern jenseits des 24. Lebensmonats 600 bis 800 I.E. Colecalciferol zu geben. Doch nutzt die Vitamin-D-Supplementation auch? Zwei pädiatrische Fachgesellschaften haben aufgrund der aktuellen Evidenzlage ihre Empfehlungen für Kinder ab zwei Jahren aktualisiert.

Die pädiatrischen Fachgesellschaften, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und Diabetologie (DGKED), haben ihre Empfehlungen zur Vitamin-D-Gabe bei Kindern überarbeitet. Die Neuerungen sind als Konsensuspapier in dem pädiatrischen Fachmedium „Monatsschrift Kinderheilkunde“ erschienen. Der Anlass für die Aktualisierung waren keine Sicherheitsbedenken, sondern eine Neubewertung der Evidenz.

Niedriger Serumspiegel ist keine Indikation

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Für die Pädiatrie-Experten steht zwar fest, dass die empfohlene Vitamin-D-Gesamtzufuhr von 600 bis 800 Internationale Einheiten (I.E.) ohne Supplementation auch für ältere Kleinkinder schwer zu erreichen ist. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (KiGGS) wider. Der KIGGS-Studie zufolge haben nur 36,1 Prozent der deutschen Kinder Vitamin-D-Spiegel im Zielbereich von 20–100 Nanogramm pro Milliliter. Aus Sicht der Experten sind Werte unterhalb 20 Nanogramm pro Milliliter allerdings bei über Zweijährigen nicht als pathologisch zu betrachten. Es sei denn, es liegen Risikofaktoren oder chronische Erkrankungen vor. 

Dazu gehören weiterhin Erkrankungen, welche die Calcium-Versorgung des Skelettsystems beeinträchtigen. Risikogruppen, die beispielsweise unter einer verminderten Calciumresorption leiden oder chronisch immobilisiert sind, sollen weiterhin Vitamin D erhalten. Für Erkrankungen außerhalb des Skelettsystems haben die DGKJ und DGKED die Evidenz für die Vitamin-D-Supplementation bei Kindern ab zwei Jahren nun näher analysiert.

Wenig Evidenz bei nicht-skeletalen Erkrankungen

Konkret haben die Fachgesellschaften randomisierte, kontrollierte Studien daraufhin ausgewertet, ob bei Über-Zweijährigen ein kausaler Zusammenhang zwischen der Vitamin D-Versorgung und dem Risiko für folgende Krankheiten besteht: Diabetes, Asthma bronchiale, Infektionserkrankungen der oberen Atemwege, ADHS, Multiple Sklerose sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Den Ergebnissen zufolge kann die Vitamin-D-Gabe nach dem 24. Lebensmonat möglicherweise das Risiko für Influenza-A-Infektionen senken. Auch bei Asthma bronchiale traten seltener Exazerbationen unter Supplementation auf, ohne die Krankheitsschwere insgesamt zu mindern.  

Bezüglich des Risikos für Typ-1-Diabetes konnten die Fachgesellschaften keine randomisierten kontrollierten Studien finden. Assoziationsstudien aus Finnland weisen zwar darauf hin, dass die Vitamin-D-Gabe die Rate an Neumanifestationen von Typ-1-Diabetes senken könnte. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Serumspiegeln der Kinder, die an Typ-1-Diabetes erkrankten oder nicht, konnte allerdings nicht gefunden werden.  

Bei Multipler Sklerose (MS) liegen randomisierte, kontrollierte Studien vor. Die Vitamin-D-Gabe verringerte darin zwar die Anzahl neu auftretender MS-Herde in der Bildgebung, jedoch nicht die Anzahl neuer Schübe. Kein präventiver Nutzen ergab sich in der Literaturauswertung für das Risiko, Typ-2-Diabetes, ADHS, Herzinsuffizienz oder arterielle Hypertonie zu entwickeln.

Differenzierter Einsatz statt „Gießkannenprinzip“

Weil die Datenlage für Erkrankungen außerhalb des Skelettsystems größtenteils inkonklusiv ist, ist ein niedriger Vitamin-D-Spiegel alleine kein Grund, Kindern ab zwei Jahren grundsätzlich Vitamin D zu geben. Die beiden Fachgesellschaften sehen eine Vitamin-D-Supplementation jenseits des 24. Lebensmonats bei folgenden Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren vor:

  • Malabsorption wie beispielsweise Zöliakie oder aufgrund von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
  • chronische Leber- oder Nierenerkrankung
  • sehr geringe Sonnenexposition etwa bei dauerhafter Immobilisierung
  • Begleitmedikation, die in den Knochenstoffwechsel eingreift wie beispielsweise Antiepileptika oder Cortisonpräparate

Damit differenzieren die Fachgesellschaften ihre Empfehlungen deutlich gegenüber ihrem vorherigen Konsensuspapier von 2011. In dieser Vorversion empfahlen die Experten grundsätzlich, auch Kinder ab zwei Jahre bei nicht ausreichender Sonnenlichtzufuhr, wie es in unseren Breiten häufig der Fall ist, zu supplementieren. 

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Sicherheitsbedenken hinsichtlich einer Supplementierung mit 600 – 800 I.E. Colecalciferol bestünden nach wie vor nicht, so Prof. Dr. Berthold Koletzko, Sprecher der DGKJ-Ernährungskommission in einer Pressemeldung. Denn Nebenwirkungen seien nicht zu erwarten. „Wenn man jedoch eine ganze Altersgruppe mit einer Supplementierung versorgen will, muss ein konkreter Nutzen dieser Zusatzgabe nachgewiesen sein“, begründet Koletzko.  



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Vit. D & Kids

von Jürgen Barth am 25.04.2018 um 7:53 Uhr

Mit dem Thema Vit. D Supplementierung kann man ja die Nation "spalten". Interessant im obigen Artikel wäre, wogegen die Kids randomisiert wurden, welche Eltern das mitmachen (z. B. Supplementierung vs Mangel aufrecht erhalten ?) und welche Ethikkommission das genehmigt hat.

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