Arzneimittel und Therapie

Alleskönner Vitamin D?

Neue Studienergebnisse zu antiasthmatischen und kardialen Effekten

Die Zeiten, als Vitamin D ausschließlich auf seine knochenfördernde Wirkung reduziert wurde, sind lange vorbei. Zwei aktuelle Publikationen zeigen, wie Vitamin D bei Asthma helfen kann und welche Wirkungen bei chronischen Herzerkrankungen beobachtet wurden.

Vitamin D3 (Colecalciferol), die physiologische Form des Vitamin D, kann als einziges Vitamin vom Körper selbst gebildet werden. Da in den ersten Lebensjahren die körpereigene Produktion nicht ausreicht, wird bei Säuglingen und Kleinkindern in den ersten zwei Lebensjahren generell eine Vitamin-D-Supplementation empfohlen. Doch auch bei Erwachsenen sind Vitamin-D-Mangelzustände nicht selten, sodass eine ergänzende Zufuhr sinnvoll sein kann.

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Das „Sonnenvitamin“ Vitamin D soll weitere günstige Wirkungen neben der Regulierung des Calcium-Haushaltes haben – zum Beispiel bei Asthma.

Add on bei Herzinsuffizienz?

Es gibt Hinweise darauf, dass ein Vit­amin-D-Defizit mit kardiovaskulären Erkrankungen zusammenhängen könnte. So wurde beispielsweise bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz mit systolischer Dysfunktion gehäuft ein Vitamin-D-Mangel festgestellt. Ob dieses Defizit lediglich ein Marker für den Schweregrad der Erkrankung ist oder tatsächlich eine pathophysiologische Rolle spielt, war bisher unklar.

In einer randomisierten, Placebo-kon­trollierten, doppelblinden Studie wurden nun die Wirksamkeit und Sicherheit einer Vitamin-D-Supplementation bei chronischer Herzinsuffizienz mit systolischer Dysfunktion untersucht. Insgesamt 229 Patienten mit einem Vitamin-D-Status von unter 50 nmol/l erhielten über ein Jahr entweder 4000 I. E. (100 µg) Vitamin D oder Placebo zusätzlich zu ihrer Standardtherapie. Als primärer Endpunkt wurde die Differenz im Zurücklegen einer sechs-minütigen Gehstrecke zwischen Baseline und Ende der Studie nach zwölf Monaten definiert. Sekundäre Endpunkte umfassten die kardiale Funktion sowie Sicherheitsparameter wie Nierenfunktion und Serum-Cal­cium-Konzentration.

Nach der einjährigen Vitamin-D-Gabe wurde eine signifikante Verbesserung der kardialen Funktion im Echokardiogramm festgestellt, und zwar eine Erhöhung der Linksherz-Auswurffraktion um 6,07% sowie eine Umkehr des linksventrikulären Remodellings. Dagegen zeigte sich keine Verbesserung in der Zurücklegung der sechs-minütigen Gehstrecke. Die positiven kardialen Effekte werden von den Autoren dennoch als sehr wertvoll eingeschätzt. Aufgrund der Tatsache, dass neue Arzneistoffe für chronische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz meist teuer sind und den hohen Anforderungen von Phase-III-Studien oft nicht gerecht werden, könnte Vitamin D eine kostengünstige und sichere Add-on-Therapie für die Betroffenen darstellen.

Weniger Asthma-Anfälle

Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel wurde auch mit einem erhöhten Risiko für Asthma bei Kindern und Erwachsenen in Verbindung gebracht. In einem Cochrane-Review wurden alle klinischen Studien, in denen der Effekt von Vitamin D auf die Vorbeugung von Asthma-Anfällen und die Symptomkontrolle untersucht wurde, nach ihrer Evidenz bewertet.

Insgesamt wurden sieben Studien mit 435 Kindern sowie zwei Studien mit 658 Erwachsenen durchgeführt. Der Großteil der Probanden litt unter leichtem bis mittelschwerem Asthma. Alle Studien waren Placebo-kontrolliert und dauerten vier bis zwölf Monate. Mit einem hohen wissenschaftlichen Evidenzgrad lassen sich folgende Aussagen ableiten:

Unter täglicher Vitamin-D-Gabe ...

  • ... reduzierte sich die Anzahl der Asthma-Anfälle, die eine Corticoid-Therapie erforderten, von 0,44 auf 0,22 pro Patient und Jahr.
  • ... sank das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund eines schweren Asthma-Anfalls von 6% auf rund 3%.
  • ... war kein Einfluss auf die Lungenfunktion und alltägliche Asthma-Symptome feststellbar.
  • ... zeigte sich kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Nebenwir­kungen.

Die Studiendaten geben keinen Aufschluss darüber, ob sich diese positiven Effekte auf Patienten mit einem niedrigen Vitamin-D-Status beschränken oder ob alle Patienten gleichermaßen von der Vitamin-D-Gabe profitieren. Auch waren Patienten mit schwerem Asthma in den bisher durchgeführten Studien unterrepräsentiert.

Vorsicht Einheit!

Einige Laboratorien geben den Vitamin-D-Spiegel (25-Colecalciferol) in nmol/l an. Die Grenzwerte werden dagegen in Deutschland oft in ng/ml angegeben, was zu Verwirrungen führen kann. Der Umrechnungsfaktor ist 0,4 ng/ml = 1 nmol/l.

Auch zur Dosierung gibt es verschiedene Einheiten: Dabei entspricht 1 µg Vitamin D 40 I.E.

Arzneimittel oder NEM?

Für Verunsicherung sorgt nach wie vor der Status von Vitamin-D-haltigen Produkten. Bekanntlich befinden sich sowohl Arzneimittel als auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM), die Vitamin D enthalten, auf dem Markt. Die empfohlene Tagesdosis apothekenpflichtiger Fertigarzneimittel bewegt sich im Bereich von 10 bis 25 μg Colecalciferol (400 bis 1000 I. E.). Arzneimittel mit Tagesdosen über 1000 I. E. Vitamin D unterliegen der Verschreibungspflicht. Parallel dazu dürfen Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, deren Vitamin-D-Gehalt dem verschreibungspflichtiger Arzneimittel entspricht.

Diese paradoxe Situation entsteht dadurch, dass Nahrungsergänzungsmittel keiner Zulassungspflicht, sondern lediglich einer Registrierungspflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unterliegen. Sie dürfen gemäß der Health-Claims-Verordnung mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden. Diese überschneiden sich teilweise mit den Anwendungsgebieten der Arzneimittel. Die empfohlene Dosis der Nahrungsergänzungsmittel entspricht im Wesentlichen der von Arzneimitteln, eine Höchstmenge ist jedoch nicht (!) festgesetzt.

Zur Bewertung und Abgrenzung von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln existiert eine gemein­same Expertenkommission der zuständigen Bundesoberbehörden BVL und BfArM. In einer Stellungnahme schreibt diese Kommission, dass sie „für eine Dosierung oberhalb von 20 μg Vitamin D (800 I. E.) pro Tag aufgrund einer Überschreitung der für die Aufrechterhaltung der psy­chischen und physischen Funktionen erforderlichen Menge keine ernäh­rungsspezifische oder physiologische Wirkung im Kontext der Ernährung mehr sähe”. Die regional zuständigen Aufsichtsbehörden müssen jedes Präparat einzeln beurteilen. Die Bewertung der Expertenkommission soll sie dabei unterstützen. |

Quellen

Martineau AR et al. Vitamin D for the management of asthma (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, 9, Art. No.: CD011511; doi: 10.1002/14651858.CD011511.pub2

Witte KK et al. Effects of Vitamin D on Cardiac Function in Patients With Chronic HF: The VINDICATE Study. Journal of the American College of Cardiology 2016; doi: 10.1016/j.jacc.2016.03.508

Informationen der Institutionen und Behörde: Hochdosiertes Vitamin D: Nahrungsergänzungsmittel oder (verschreibungspflichtiges) Arzneimittel? ABDA 22/16

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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