Tag des Versuchstiers

Ein Tierversuch weniger in der Arzneimittelforschung

Berlin - 24.04.2018, 09:00 Uhr

Tierversuche sind in der Arzneimittelforschung nach wie vor ein Muss. (Foto: vfa)

Tierversuche sind in der Arzneimittelforschung nach wie vor ein Muss. (Foto: vfa)


Am heutigen 24. April ist der internationale Tag des Versuchstiers. Das Paul-Ehrlich-Institut vermeldet aus diesem Anlass eine gute Nachricht: Die Prüfung auf anomale Toxizität, der älteste gesetzlich vorgeschriebene Tierversuch von Arzneimitteln, darf ab 2019 nicht mehr verwendet werden.

Tierversuche sind aus der Arzneimittelforschung nicht hinwegzudenken. Um einen neuen Wirkstoff zu testen, braucht es zumeist einen lebenden Organismus – und das sollte sicherlich kein Mensch sein. Doch das Ziel ist seit Jahren, Tierversuche zu ersetzen, wo immer es geht, sie zu reduzieren oder zumindest so zu verbessern, dass die Tiere weniger leiden. Das nennt man das 3R-Prinzip, dahinter stecken die englischen Worte replace, reduce, refine.

Am 24. April wird alljährlich der internationale Tag des Versuchstiers begangen. Tierschutzorganisationen fordern ein Umdenken und einen Ausstieg aus Tierversuchen, auf der anderen Seite Wissenschaftler werben um Verständnis für diese Versuche, wenngleich sie sich dem 3R-Prinzip verpflichtet fühlen.  

Wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nun mitteilt, hat es gemeinsam mit Kollegen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erreicht, dass ab 2019 ein früher häufig eingesetzter Tierversuch für die Entwicklung von Arzneimitteln in Europa nicht mehr verwendet werden darf.

Dabei handelt es sich um die Prüfung auf anomale Toxizität (ATT). Sie ist laut PEI der älteste gesetzlich vorgeschriebene Tierversuch von Arzneimitteln. Er wurde vor über hundert Jahren zum Ausschluss toxischer Stoffe im Diphtherieserum eingeführt und seitdem als Sicherheitstest bei Arzneimitteln verlangt wurde. Doch kürzlich hat die Europäische Arzneibuchkommission entschieden, auf diese Prüfung zu verzichten. Das ist nötig, weil im Europäischen Arzneibuch Tierversuche festgelegt sind, die bei der Zulassung und Qualitätskontrolle von Impfstoffen und anderen Arzneimitteln verlangt werden. Das PEI erklärt: „Dem Ersatz oder der Verbesserung eines Tierversuchs ist wie jeder Änderung einer Arzneibuchmonografie ein aufwendiges und mitunter langwieriges Verfahren vorgeschaltet, in dem Methoden und Daten hierzu in Arbeitsgruppen geprüft und in der Fachöffentlichkeit diskutiert werden. Für einen Beschluss der Arzneibuchkommission ist die Einstimmigkeit der Mitgliedsländer des Europarats erforderlich.“

Prof. Klaus Cichutek, Präsident des PEI, sagte: „Wir freuen uns, dass wir mit unserer Expertise, Energie und langem Atem dazu beitragen konnten, dass der Test auf anomale Toxizität in Europa nicht mehr durchgeführt werden wird. Wir setzen für die Zukunft auf eine weltweite Harmonisierung. Dies ist ein weiterer erfolgreicher Schritt auf dem Weg, Tierversuche im Bereich der Arzneimittelforschung, -zulassung und -prüfung auf ein notwendiges Minimum zu beschränken“.  

Wissenschaftler: Noch ist der Tierversuch nicht vollständig zu ersetzen

Dem Deutschen Tierschutzbund gehen die bisherigen Bemühungen zur Begrenzung von Tierversuchen allerdings nicht weit genug. Der Interessenverband fordert eine Gesamtstrategie zum Ausstieg aus Tierversuchen und eine Änderung des Tierschutzgesetzes. „Deutschland sollte endlich umdenken und beim Ausstieg aus Tierversuchen eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Das Bekenntnis der neuen Bundesregierung, sich um Erforschung und Anwendung von Ersatzmethoden zu bemühen ist zwar da. Es braucht aber auch eine Strategie, die festlegt, wie man den Ausstieg umsetzen will.“

Die Initiative „Tierversuche verstehen“ erklärt hingegen, dass nahezu jeder Fortschritt in der biomedizinischen Forschung und bei der Bekämpfung von Volkskrankheiten unter Beteiligung von Tierversuchen entstand und entsteht. „Wenn wir keine Versuche an Tieren mehr durchführen, würde die Medizin auf dem heutigen Wissensstand eingefroren“, warnt Prof. Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

Die Initiative verweist darauf, dass Tierversuche in der Europäischen Union streng reguliert sind. Sie dürften nur dann durchgeführt werden, wenn sie nicht durch Alternativmethoden ersetzt werden können. Einen vollständigen Ersatz sehen die Wissenschaftler trotz Fortschritten in der Entwicklung tierversuchsfreier Methoden auf absehbare Zeit nicht. Die Vorgänge im menschlichen Organismus seien zu komplex, um sie in naher Zukunft durch den Nachbau von Organen im Minitaturformat, Computermodellen und Zellkulturen verlässlich und vollständig abbilden zu können.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurden 2016 in Deutschland etwa 2,8 Millionen Tiere in Tierversuchen eingesetzt, knapp 80 Prozent davon sind Nagetiere wie Mäuse und Ratten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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