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Tierversuche: Erfolge bei der Entwicklung von Alternativmethoden

FRANKFURT (pei). "Zu Zeiten von Paul Ehrlich waren Tierversuche ein unerläßlicher und wesentlicher Bestandteil der Prüfung von Arzneimitteln, wie beispielsweise der Heilseren gegen Diphtherie und Tetanus", berichtete Priv.-Doz. Dr. Johannes Löwer, ständiger Vertreter des Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) bei der Eröffnung des "2.Paul-Ehrlich-Seminars über Tierschutzaspekte bei der Zulassung und Prüfung von immunbiologischen Arzneimitteln" am 16. und 17.Juni in Langen bei Frankfurt.

Heute konzentrieren sich viele Forschungsvorhaben darauf, mit Hilfe von modernen Methoden die erforderlichen Tierversuche immer weiter einzuschränken. Auch die Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts arbeiten in zahlreichen Projekten dieser Art. "Diese Forschungen sind besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, daß die Anforderungen an Sicherheit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel wesentlich höher sind, als das zu Paul Ehrlichs Zeiten der Fall war", so Löwer in seiner Eröffnungsrede. Am ersten Tag der Veranstaltung wurden Forschungsprojekte aus der Humanmedizin vorgestellt. Das Gesetz schreibt noch immer zahlreiche, zum Teil stark belastende Tierversuche vor, um die Sicherheit der Päparate zu gewährleisten. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen dabei Versuche wie der Neurovirulenztest an Primaten oder der Pyrogentest an Kaninchen. Der Neurovirulenztest zum Nachweis von "Wildtyp-Polioviren", die eine Kinderlähmung auslösen könnten, statt sie zu verhindern, muß zu den stark belastenden Versuchen gerechnet werden. Der Pyrogentest als Nachweis fiebererzeugender Substanzen ist zwar kein stark belastender Test, doch sind große Versuchstierzahlen notwendig. Für beide Tierversuche konnten auf der Veranstaltung Ersatzmethoden vorgestellt werden, die einen vollständigen oder doch zumindest weitgehenden Ersatz für die Zukunft in Aussicht stellen. Thema des zweiten Tages waren die Forschungsprojekte im Bereich Veterinärmedizin. Schwerpunkt war auch hier der Ersatz stark belastender Tierversuche. Neben Labortierexperimenten werden in der Tiermedizin Versuche direkt an der Zieltierart durchgeführt. Belastungsversuche an Fischen und beim Geflügel wurden ebenso auf mögliche Alternativen hin untersucht wie gesetzlich vorgeschriebene Unschädlichkeitsversuche für Schweine- oder Hundeimpfstoffe. Für Versuche, die derzeit nur mit dem Einsatz von Tieren durchführbar sind, wurden Möglichkeiten zur Verminderung der Belastung der Tiere im Versuch vorgestellt. Dies gilt beispielsweise für die Herstellung von Antikörperpräparaten zu Forschungszwecken.

Neurovirulenztest Mit der Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung, die mit lebenden, abgeschwächten Polioviren durchgeführt wird, machte in der Vergangenheit fast jedes Kind Bekanntschaft. Die abgeschwächten Viren sind nicht in der Lage, die Erkrankung selbst auszulösen, werden aber vom Immunsystem erkannt und induzieren so die Antikörperbildung gegen Wildtypviren. Damit ist ein langanhaltender Schutz vor der Kinderlähmung gewährleistet. Für die Sicherheit dieses Impfstoffes ist es wesentlich, daß keine infektiösen Wildtypviren enthalten sind. Dafür ist bislang eine Vortestung in Tierversuchen an Affen unverzichtbar gewesen. Durch den Einsatz neuer Techniken der Molekularbiologie ist zumindest ein Teil dieser Tierversuche in naher Zukunft überflüssig. Am Paul-Ehrlich-Institut (PEI) werden derzeit zwei Methoden verglichen, die "Wildtyp-Polioviren" in Impfstoffen nachweisen und deren Menge bestimmen können. Dieses Projekt wird vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert. Eine dieser Methoden wurde Anfang der neunziger Jahre an der amerikanischen Schwesterbehörde FDA (Food and Drug Administration) entwickelt. Sie ist mittlerweile vielfach erprobt worden, jedoch sehr zeit- und arbeitsaufwendig. Einen anderen Ansatz haben Mitarbeiter des PEI entwickelt, die dabei neueste Entwicklungen der molekularbiologischen Technologie nutzten. Die Methode stützt sich auf die automatisierte Messung von Virusgenomstücken, die charakteristisch für die Wildtyp-Form der Viren sind. Um die Messung zu ermöglichen, müssen diese Virusgenomstücke vorher im Reagenzglas mit molekularbiologischen Methoden wie beispielsweise der Polymerasekettenreaktion (PCR) vervielfältigt werden. Bisherige Ergebnisse deuten auf eine sehr gute Vergleichbarkeit mit der amerikanischen Methode hin.

Pyrogentest am Kaninchen

Für die Sicherheit der Patienten ist es unverzichtbar, daß Arzneimittel frei von fiebererzeugenden Verunreinigungen (Pyrogenen) sind. Seit ca. 50Jahren wird dies im Tierversuch am Kaninchen geprüft. Eine erste Alternativmethode, der Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test (LAL), kann nicht für alle Arzneimittel eingesetzt werden, weil es beispielsweise bei Blutzubereitungen zu störenden Kreuzreaktionen kommt, die das Ergebnis verfälschen. Bei diesem Test wird mit dem Blut des Pfeilschwanzkrebses, Limulus polyphemus, gearbeitet. Ein neues, an der Universität Konstanz entwickeltes Verfahren, nutzt die natürliche Fieberreaktion des Menschen für die Untersuchung: Blut eines Spenders wird mit dem Medikament zusammengebracht und dann die Bildung von Signalstoffen gemessen, die im Körper Fieber auslösen. Das Paul-Ehrlich-Institut prüft im Rahmen eines ebenfalls vom BMBF geförderten Forschungsprojektes, inwieweit diese Methode als Ersatz für den Kaninchen-Pyrogentest geeignet ist. Erste erfolgversprechende Ergebnisse wurden während der Tagung vorgestellt. Die angeregte Diskussion auch mit den Vertretern der Europäischen Arzneibuchkommission (EP-Kommission) zeigt das große Interesse an einer solchen Alternative. Die EP-Kommission entscheidet letztlich, ob ein Tierversuch gestrichen werden kann. So besteht die berechtigte Hoffnung, daß der Pyrogentest am Kaninchen in absehbarer Zeit nicht mehr durchgeführt werden muß.

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