TV-Sendung zur Alternativmedizin

Politiker fordern bundesweite Kontrollen bei Wundermitteln wie MMS

Karlsruhe - 05.04.2018, 17:00 Uhr

Politiker von Grünen, FDP und Linken fordern, dass auf Bundesebene strengere Gesetze zur Überwachung von Wunderheilern geschaffen werden. (Foto: womue/adobe.stock.com)

Politiker von Grünen, FDP und Linken fordern, dass auf Bundesebene strengere Gesetze zur Überwachung von Wunderheilern geschaffen werden. (Foto: womue/adobe.stock.com)


Im Gesundheitssektor tummeln sich viele Geschäftemacher und Scharlatane. Behörden und Justiz zeigen sich oft überfordert und handeln zögerlich, auch Facebook oder Youtube greifen kaum ein. Daher fordern Mediziner und Gesundheitspolitiker nun Gesetzesänderungen: Eine Behörde müsse Patienten bundesweit vor unwirksamen und gefährlichen Therapien schützen, sagen sie. Die ARD-Sendung Kontraste greift das Thema am heutigen Donnerstagabend auf.

Oft sind es verzweifelte Patienten, die auf vermeintliche Wundermittel vertrauen. Gefährliche Substanzen wie das Bleichmittel Chlordioxid werden sogar zur Anwendung bei Kindern beworben – und Behörden und Justiz schauen vielfach nur zu, wie auch aktuelle Berichte vom „Stern“ und dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“ zeigen. Obwohl die Risiken der Einnahme der als „Miracle Mineral Supplement“ beworbenen ätzenden Chemikalie längst bekannt sind und sogar behördliche Warnungen vorliegen, können es Geschäftemacher ungeniert weiter bewerben – so kürzlich auf einem Esoterik-Kongress mitten in Berlin. Die investigative Recherche konnte belegen, dass sich sogar ein approbierter Arzt am Verkauf des Chlordioxid-Wundermittels beteiligt.

Bislang ist die Überwachung des Arzneimittelbereiches Aufgabe der Länder, hier sind dutzende Behörden zuständig. Auch die Justiz ist oftmals überfordert: Zahlreiche Staatsanwaltschaften stellten Ermittlungsverfahren gegen Geldauflagen ein. Beim bislang wohl einzigen Verfahren, bei dem ein Verkäufer der gefährlichen Mittel in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, kritisierten die Richter das „zögerliche Verhalten der überörtlichen Behörden“: Erst vier Jahre nach seiner Geschäftsaufnahme kam es zu einer öffentlichen Warnung, drei Jahre später stufte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seine Präparate als bedenklich und zulassungspflichtig ein.

BfArM-Chef Karl Broich erklärte vor gut drei Jahren gegenüber „Kontraste“, dass er bundesweit tätig werden wolle, wenn „konkret Patientensicherheit in Gefahr ist“. Passiert ist seitdem praktisch nichts – das Bundesgesundheitsministerium sieht keinen Handlungsbedarf, und das derzeit der Landesgesundheitsministerkonferenz vorstehende Ministerium in Düsseldorf betont, „Vollzugsaufgaben“ sollten weiter bei „den Behörden mit entsprechender Sachkenntnis und Ortsnähe“ bleiben.

Grüne, FDP und Linke fordern Gesetzesänderung

Die auf zahlreiche Behörden aller Verwaltungsebenen verteilte Überwachung derart gefährlicher Mittel müsse endlich auf Bundesebene zentralisiert werden, verlangt etwa der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, selbst Mediziner. „Eine Zersplitterung auf Länderebene führt zu einer Schwächung der Expertise und so zur Schwächung der Schlagkraft“, mahnt der FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags. „Die Behörden müssen eingreifen, um Schaden abzuwenden“, sagt Ullmann.

Auch die Grünen fordern Gesetzesänderungen. „Da diese Substanzen auch häufig über das Internet verkauft werden, halte ich ein zentrales Vorgehen gegen diese Machenschaften für sinnvoll“, erklärt die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche gegenüber dem Onlinemagazin MedWatch. Laut der Linken-Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte, Sylvia Gabelmann, soll auch das Fehlverhalten von Behandlern zentral erfasst werden. „Besser eine Institution, die gut mit Personal ausgestattet ist und effektiv arbeiten kann, als unzählig viele Einrichtungen, denen die Kapazitäten für eine wirksame Überwachung fehlen“, erklärt sie.

CDU-Gesundheitspolitiker und Ärztefunktionär Rudolf Henke ist jedoch nicht überzeugt, dass sich durch Kompetenzverteilungen etwas ändern würde – er fordert eine angemessene Finanzierung der Überwachung durch die Länder. „Wenn Regeln, die der Gesetzgeber gemacht hat, um Patienten und Verbraucher zu schützen, in der Praxis einfach umgangen werden können, dann muss geprüft werden, ob und wie solche Schlupflöcher geschlossen werden können“, erklärt seine Parteifreundin Ingrid Fischbach, derzeit Patientenbeauftragte der Bundesregierung. „Zum Beispiel durch gesetzliche Änderungen oder durch Verbesserungen der Prüfmöglichkeiten der Behörden“, sagt sie.

Sendung Kontraste: Donnerstag, 05.04.2018 um 21:45 Uhr im Ersten.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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