Verfolgung von Tötungs- oder Morddelikten

Starke Kritik an Staatsanwaltschaft im Zyto-Prozess

Essen - 09.02.2018, 09:50 Uhr

In einem offenen Brief fordern Nebenkläger im Zyto-Prozess, dass der Angeklagte auch wegen Tötungs- und Morddelikten verfolgt wird. (Foto: hfd)

In einem offenen Brief fordern Nebenkläger im Zyto-Prozess, dass der Angeklagte auch wegen Tötungs- und Morddelikten verfolgt wird. (Foto: hfd)


Vergleich mit Loveparade-Unglück

Das Verfahren könne außerdem „nicht in qualifizierter Art und Weise“ von einem einzigen Staatsanwalt betreut werden, heißt es in dem Brief, der das Verfahren mit dem Prozess um das Loveparade-Unglück vergleicht, bei dem 21 Personen starben und 541 verletzt wurden. Mit diesem seien zwei Oberstaatsanwälte und ein Staatsanwalt befasst. der befasste Staatsanwalt wirke auch angesichts der schwierigen Beweisführung und der zahlreichen Zeugen und Sachverständigen „teilweise verloren“ zwischen den vier Verteidigern des Angeklagten und einer großen Zahl von Nebenklägern.

„Eine Vielzahl von prozessualen Fragen und Anträgen sind zu klären, ein umfangreicher Sachverhalt ist zu bewältigen“, heißt es in dem offenen Brief. Die Verteidigung könne sich hierauf gut vorbereiten und sei in der Lage, „das Verfahren aktiv zu gestalten“, während sich die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft auf „ein Bemühen der sachgerechten Reaktion auf die Geschehnisse im Verfahren“ beschränke – „mehr nicht.“ Die Autoren des Schreibens stellen auch die Frage in den Raum, ob nicht Ermittlungsverfahren gegen weitere potenzielle Tatbeteiligte eingeleitet werden sollten – nämlich beispielsweise gegen weitere frühere Mitarbeiter von Peter S. 

„Geflecht der Abhängigkeiten“

Neben Forderungen, Informationen von Fingerabdrucksensoren am Eingang des Zytolabors auszuwerten und Kritik an fehlenden Blutuntersuchungen womöglich Betroffener fordern die Autoren des Schreibens, dass die Staatsanwaltschaft sich die „auffällige Vernetzung einiger Onkologen mit dem Angeklagten“ vornehmen sollten. Der Angeklagte unterhielt ihrer Ansicht nach „ein Netzwerk mit von ihm belieferten Onkologen“, welches weit über den Umfang einer zu erwartenden geschäftlichen Beziehung hinausgegangen sei. So seien eine bezahlte Weihnachtsfeier, unentgeltlicher Personaleinsatz oder kleinere Geschenke bekannt – außerdem unterhielten einige der Onkologen ihre Praxen in Immobilien von Peter S.

„Dies zeugt von einem engen Geflecht zwischen dem Angeklagten und einigen belieferten Onkologen“, heißt es in dem Brief – sowie von einem „Geflecht der Abhängigkeiten“. Dieses habe womöglich seinen Teil dazu beigetragen hat, die mutmaßlichen Taten des Angeklagten zu ermöglichen. „Diese Vernetzung muss aus hiesiger Sicht durchleuchtet werden, auch um den modus operandi des Angeklagten restlos aufzuklären“, fordern die Autoren. „Auch um zu verhindern, dass sich solche Ereignisse wiederholen können und um festzustellen was verändert werden muss, damit zukünftige Taten dieser Art hoffentlich nicht noch einmal geschehen.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Strafrecht

von Holger am 12.02.2018 um 9:18 Uhr

Im Strafrecht, unter das Tötungsdelikte zweifelsfrei fallen, muss halt ein eindeutiger Kausalzusammenhang zwischen Tat und Tod nachgewiesen werden. Bei einer Erkrankung, an der schon bei suffizienter Behandlung viele Patienten versterben, dürfte es jedoch nahezu unmöglich sein, den Nachweis zu führen, dass ein bestimmter Patient ausschließlich wegen einer vom Angeklagten begangenen Tat verstorben ist. So bedauerlich ich das auch aus Sicht eines juristischen Laien finden mag, aber wegen Tötungsdelikten dürfte der "Kollege" leider nicht dranzukriegen sein ...

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