Pro und Kontra

Impfen in der Apotheke: DAZ-Leser sind dafür

Stuttgart - 24.01.2018, 13:30 Uhr

73 Prozent der DAZ.online und DAZ-Leser könnten sich Immunisierungen in der Apotheke gut vorstellen. (Foto: sharryfoto / stock.adobe.com)

73 Prozent der DAZ.online und DAZ-Leser könnten sich Immunisierungen in der Apotheke gut vorstellen. (Foto: sharryfoto / stock.adobe.com)


Kleiner Pieks mit großer Wirkung – und seit einiger Zeit entbrannter Debatte: Sollen Apotheker impfen dürfen oder nicht? Berufskollegen in anderen Ländern verfügen bereits über diese besondere Kompetenz. In der Schweiz, Großbritannien oder den USA gibt es Impfungen ohne Rezept und direkt in der Offizin. Wäre dies auch in Deutschland denkbar? Wir haben unsere Leser gefragt.

„Mehr Mut zum pharmazeutischen Selbstvertrauen“ fordert Apotheker Christian Roth, der neben seiner Offizintätigkeit auch der Internationalen Vereinigung der Pharmaziestudierenden (IPSF) vorsteht. Eine Impfpflicht in Deutschland hält er für einen „radikalen Ansatz“, gerade im Hinblick auf den selbstbestimmten und mündigen Patienten. Er würde sich wünschen, wenn die Apotheker in Zukunft bei Themen wie Impfen mehr eingebunden werden. „Reviews zeigen eine Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen durch Einbezug der Apotheker in beratender, unterstützender oder verabreichender Tätigkeit“, fasst Roth zusammen und erinnert daran, dass einst der Aufschrei und die Bedenken groß waren, als Blutdruckmessungen in der Apotheke eingeführt wurden.

„Es gibt viel Wichtigeres“, hält Christoph Gulde dagegen, Apotheker und Inhaber der Solitude-Apotheke in Stuttgart sowie Vizepräsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. „Impfen in der Apotheke“ sei für ihn mittlerweile ein immer wiederkehrendes Thema auf pharmazeutischen Zukunftsforen. Rein handwerklich könnten Apotheker mindestens so gut impfen wie eine Praxismitarbeiterin mit entsprechender Qualifikation. Aber „ist es wirklich ein Ausbau pharmazeutischer Kompetenz?“ stellt Gulde zu Diskussion. Er plädiert dafür, erst bei einem drohenden Engpass über die Einbindung geschulter Apotheker nachzudenken. Vorher sollte man eher die Sicht der ärztlichen Kollegen einnehmen: „Warum mischen sich die Apotheker in einen Bereich von uns ein?“

In der DAZ Nr. 3 stellten wir in der Rubrik „Pro und Kontra“ die Meinungen von Christian Roth und Christoph Gulde vor und riefen unsere Leser auf, online abzustimmen und die Debatte zu kommentieren. Gleichzeitig fand auf dem Pharmacon-Kongress in Schladming während der berufspolitischen Diskussionsrunde eine ähnliche Auseinandersetzung statt, bei der sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt vehement gegen das Impfen in der Apotheke aussprach. „Wenn wir wollen, dass die Ärzte unsere Professionalität anerkennen, müssen wir ihre anerkennen“, so Schmidt.

73 Prozent könnte sich Impfungen in der Offizin vorstellen

Doch die Mehrheit der 355 DAZ-Leser, die sich online an der Umfrage beteiligten, sieht das wohl anders: 73 Prozent könnten sich durchaus vorstellen, dass Apotheker diese neue Kompetenz in Zukunft in Anspruch nehmen, und sind dafür. 27 Prozent der Leser sind dagegen. Darüber hinaus kommentierte einige Leser und präsentierten weitere Argumente. „Durch weltweit riesige Anstrengungen […] zu versuchen, Polio auszurotten, und daheim nicht alle Möglichkeiten zur notwendigen Impfung zu nutzen, passt einfach nicht zusammen“, findet Dr. Klaus Fehske zum Beispiel. „Der gesellschaftliche Nutzen und die Akzeptanzverbesserung durch Verbesserung der Durchimpfungsrate ist die entscheidende Tatsache“, argumentiert ein anderer Leser.

Vertreter der Kontra-Argumente weisen auf viele ungeklärte Fragen hin: „Was […] tun, wenn ein Patient tatsächlich mal einen anaphylaktischen Schock bekommt? Den Notarzt rufen, Däumchen drehen und sagen: Ja, ich darf zwar Impfen, aber die Impfreaktion behandeln darf ich nicht?“ fragt Marco Piroth. „Bei einer Anaphylaxie muss auch der Hausarzt die Ambulanz kommen lassen. In der Schweiz ist Vorbereitung mit Notfallkursen […] und Adrenalinpens an Lager obligatorische Voraussetzungen“, weiß Florian Sarkar.

„Es gibt drängendere Probleme, als sich noch weiter Dienstleistungen aufbürden zu lassen“, regt Peter Kaiser an. Verweigern sollen sich die Apotheker zwar nicht, „wenn die gesamte Ärzteschaft fordert“. Doch davor müssten erst noch ganz formelle Dinge geklärt werden: „Mit der GKV muss ein Vertrag geschlossen werden, der alle Kosten […] beinhaltet: Arbeitszeit, Dokumentationszeit, erhöhte Haftpflicht, etc.

Die Frage „Sollen Apotheker impfen dürfen oder nicht?“ bleibt also spannend und stößt immer wieder eine lebhafte und konstruktive Diskussion im Berufsstand an. Wir bedanken uns bei allen Lesern, die zum Pro und Kontra in der DAZ beigetragen haben, und werden das Thema weiter im Auge behalten.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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