Phytoforschung

Salbei und Koloquinte gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Remagen - 21.12.2017, 09:30 Uhr

Ein Extrakt unter anderem aus Salvia officinalis, dessen Blüten in diesem Fall arzneilich verwendet werden, scheint wirksam gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu sein. (Foto: tutye / stock.adobe.com)

Ein Extrakt unter anderem aus Salvia officinalis, dessen Blüten in diesem Fall arzneilich verwendet werden, scheint wirksam gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu sein. (Foto: tutye / stock.adobe.com)


So oft kommt es nicht vor, dass gerade die Forschung mit pflanzlichen Arzneimitteln von sich reden macht. Forscher vom Fraunhofer IZI haben jetzt in einem eigens hierfür entwickelten Modell gezeigt, dass pflanzliche Extrakte aus Salbei und Koloquinte gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wirken könnten.

Entzündliche Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sind für die Betroffenen sehr belastend. Sie gehen in der Regel einher mit Durchfall, Einblutungen im Stuhl, Gewebeverlust im Darm und Gewichtsverlust. Abhängig vom Krankheitsverlauf, das heißt im akuten Schub oder in den teilweise asymptomatischen Remissionsphasen, sind verschiedene therapeutische Ansätze erforderlich. Zu den am häufigsten eingesetzten Arzneimitteln gehören Aminosalicylate, Glucocorticoide und Immunmodulatoren. Sie sind allerdings hinsichtlich einer Langzeit-Remission nur bedingt wirksam und zudem nicht gut verträglich. Tumor Necrosis Factor (TNF)-α-Blocker, wie Infliximab oder Adalimumab haben sich zwar als wirksam erwiesen, verursachen jedoch schwere unerwünschte Wirkungen und sind außerdem relativ teuer. Hinzu kommt, dass 20 bis 40 Prozent der Patienten überhaupt nicht auf die Behandlung ansprechen (primäres Therapieversagen) und bis zu 50 Prozent nach ein bis zwei Jahren nicht mehr (sekundäres Therapieversagen). Behandlungsoptionen, die die klinischen Symptome verbessern und die Gewebeheilung in Gang bringen und dazu noch gut verträglich sind, würden deshalb dringend gebraucht.

Pflanzenextrakte im Fokus des Interesses

In den letzten Jahren sind pflanzliche Zubereitungen als Zusatz zu den klassischen Therapieansätzen gegen entzündliche Darmerkrankungen in den Fokus des Interesses gerückt. Wissenschaftler von der Abteilung Therapievalidierung am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig haben die Wirkungsweise eines pflanzlichen Extrakts, basierend auf Salbeiblüten und Koloquintenfrüchten, bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Fachjournal „Nature Scientific Reports“ veröffentlicht.

Warum Salbei und Koloquinte?

Salbei (Salvia officinalis L.) ist für seine antimikrobiellen, antiviralen, entzündungshemmenden und schmerzlindernden Effekte gut bekannt, die durch verschiedene Flavonoide hervorgerufen werden. Weniger bekannt hierfür ist die Koloquinte (Citrullus colocynthis (L.) SCHRAD.). Ihre Wirkung beruht auf dem Gehalt an Cucurbitacinen. Der Koloquintenkürbis wurde in der traditionellen Heilkunde über Jahrhunderte als Abführmittel eingesetzt, soll aber in Kombination mit anderen Substanzen auch gegen Durchfall wirken. Außerdem wurden antimikrobielle, antimykotische, antientzündliche und analgetische Effekte beschrieben. 

Modell für den chronischen Verlauf der Colitis 

Für ihre Untersuchungen setzten die Forscher ein eigens entwickeltes Modell ein, das den chronischen Verlauf einer Entzündung des Darmes deutlich besser abbildet als bisher hierfür verfügbare Modelle. Diese funktionieren ihrer Beschreibung nach wie folgt: Die Protokolle basieren auf der intervallmäßigen Gabe von reizenden Substanzen (Natrium-Dextransulfat, DSS) in hoher Konzentration. Dadurch wird zunächst eine akute Colitis hervorgerufen. In der sich anschließenden Regenerationsphase, in der keine reizenden Substanzen verabreicht werden, heilt diese nahezu vollständig aus. Die Wiederholung dieser Prozedur soll den chronischen Verlauf der Colitis abbilden. Als Nachteile der Methode nennen sie den hohen Verlust an Versuchstieren, die bei der Methode stark an Gewicht verlieren, und das beinahe vollständige Abklingen der Symptome während der Regenerationsphase.

Chronische Colitis genauer abgebildet

Dieses Modell haben die Wissenschaftler vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie nun optimiert. Hierzu haben sie die Konzentration von DSS während der akuten Phase gesenkt und die Reizung in der Regenerationsphase mit sehr geringer Konzentration fortgeführt. Als Folge dessen fallen die klinischen Symptome während der Akutphase geringer aus, bleiben aber auch während der Regenerationsphase erhalten. Das Verfahren komme der realen Situation deutlich näher, erläutern die Wissenschaftler. Dies belegten neben dem Verlauf der klinischen Symptome auch vergleichende molekularbiologische und immunologische Untersuchungen. Es sei außerdem sehr gut reproduzierbar und deswegen hervorragend geeignet zur präklinischen Evaluation neuer Wirkstoffe zur Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. 

Klare antientzündliche Wirkung

Mit Hilfe ihres Modells stellten die Forscher fest, dass die klinischen Symptome durch den Pflanzenextrakt aus Salbei und Koloquinte signifikant reduziert werden konnten und dass damit die Regeneration des Darmgewebes unterstützt wird. Entzündungsfördernde Immunzellen (z. B. neutrophile Granulozyten) und Botenstoffe (z. B. CXCL-1/KC) wurden in den betroffenen Geweben herunter reguliert und entzündungshemmende Komponenten des Immunsystems (z. B. Interleukin 10) durch die Behandlung verstärkt. Als nächstes wollen die Wissenschaftler nun die spezifischen Wirkstoffe innerhalb der Extrakte identifizieren und weiter untersuchen werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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