Krebsforschung

Mehr als 2000 Immunonkologika in der Entwicklung

Remagen - 18.12.2017, 13:40 Uhr

In der Krebsforschung sind mehr als 2000 Immunonkologika in der Pipeline. (Foto: RGtimeline / stock.adobe.com)

In der Krebsforschung sind mehr als 2000 Immunonkologika in der Pipeline. (Foto: RGtimeline / stock.adobe.com)


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will neue Krebsarzneimittel künftig strenger nach einem Zusatznutzen überprüfen. Nach einem neuen Bericht des US-amerikanischen Cancer Research-Instituts (CRI) zeigt sich, dass der Ausschuss gerade in diesem Bereich viel zu tun haben wird. Denn gegenwärtig werden weltweit mehr als 2000 immuntherapeutische Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen entwickelt. Davon befinden sich 940 bereits in der klinischen und 1064 in der präklinischen Phase.

Das US-amerikanische Cancer Research Institute (CRI) hat eine Analyse der weltweiten Forschungslandschaft im Bereich der Immunonkologie abgeliefert. Der Report der Ergebnisse mit dem Titel  “Comprehensive Analysis of the Immuno-Oncology Landscape”  wurde in der Fachzeitschrift "Annals of Oncology“ veröffentlicht. „Dies ist die erste unabhängige Analyse, die die Spannung und das Potential der Immuno-Onkologie quantifiziert und bestätigt“, sagt Aiman Shalabi, Chief Medical Officer am CRI. Die beträchtliche Zahl an Entwicklungsprojekten wird nach Einschätzung der Autoren zu bisher nie dagewesenen Fortschritten in der Therapie führen.

Wirkstoffe modulieren 271 verschiedene Targets

Die Forschungslandschaft in der Immunonkologie ist sehr stark fragmentiert. Die 940 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung gehören 462 verschiedenen Unternehmen oder akademischen Instituten. Sie modulieren 271 verschiedene Targets. Ein Bereich, den das Krebsforschungsinstitut nach eigenem Bekunden besonders aufmerksam verfolgt, sind die PD-1-bzw. PD-L1-Inhibitoren. In dieser Gruppe befinden sich nach ihrer Analyse derzeit 164 Wirkstoffe in der Entwicklung, davon 50 bereits in klinischen Stadien. Sie werden oder wurden in rund 1.500 Studien evaluiert. Etwa 1.100 davon sind Studien mit Kombinationstherapien. Die Autoren heben hervor, dass die meisten Studien kleine  „Investigator Initiated Trials“ mit nur einem Studienzentrum sind. Das heißt, dass die immunonkologische Forschung keineswegs auf „Big Pharma“ beschränkt ist.

26 zugelassene Immuntherapeutika gegen Krebs

Bislang (September 2017) wurden 26 Immuntherapien genehmigt. Sie gehören sechs verschiedenen Kategorien an (siehe Tabelle).

Anzahl der Wirkstoffe in der klinischen Erprobung nach Art der Therapie Zugelassene Wirkstoffe Target
T-Zell-targetierte Immunmodulation (99) Ipilimumab CTLA-4
Nivolumab, Pembrolizumab PD-1
Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab PD-L1
Andere Arten der Immunmodulation (170) Aldesleukin IL2R
Imiquimod TLR7
Interferon alfa-1b, Interferon beta, Interferon gamma-1a IFNAR1
Interferon alfa, Interferon alfa-2a, Interferon alfa-2b IFNAR1, IFNAR2
Krebsimpfstoffe (344) BCG Live, ImmuCyst, Immuno BCG, TICE BCG, Uro-BCG TLR
Mycidac-C TLR2
Sipuleucel-T Nicht spezifizierte TAA
Zelltherapien (224) Tisagenlecleucel, Axicabtagene ciloleucel CD19
Onkolytische Viren (69) Oncorine S, CD40L
Talimogene laherparepvec GMCSFR
CD3-targetierte bispezifische Antikörper (34) Blinatumomab CD19 X CD3

Behandlungsoptionen für 17 Krebsarten

Als erste moderne Krebsimmuntherapie wurde im Jahr 1986 Interferon-alpha zugelassen, zunächst gegen Haarzell-Leukämie, später für weitere onkologische Indikationen. Dem folgten weitere Wirkstoffe. Die eigentliche Transformation der Landschaft startete nach Meinung der Autoren jedoch mit der Zulassung des Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab, der an CTLA-4 angreift, gegen fortgeschrittene Melanome im Jahr 2011. Allein in den letzten drei Jahren wurden fünf neue Checkpoint-Inhibitoren mit Angriffspunkt PD-1 oder PD-L1 genehmigt, außerdem zwei Zelltherapien und ein neuer bispezifischer Antikörper. Für 17 Krebsarten gibt es heute mindestens eine zugelassene Immuntherapie als Behandlungsoption. Die neuartigen Therapien richten sich meist gegen fortgeschrittene, refraktäre oder rezidivierende Krebserkrankungen, die auf Standardtherapien nicht ansprechen.

Bisher nie dagewesene Zahl neuer Prüfarzneimittel

Die Fortschritte in der Immunonkologie hätten die Standardbehandlung für viele Arten von Krebs revolutioniert, resümieren die Wissenschaftler vom CRI. Das Paradigma der Krebsbehandlung werde regelmäßig neu geschrieben. Die immense Anzahl neuer Prüfarzneimittel und Unternehmen belebten die Immunonkologie, konfrontierten die Beteiligten aber auch mit neuen Herausforderungen. Klinische Prüfer, Pharma-Veteranen und selbst die Arzneimittelbehörden, die die Anträge beurteilen müssen, könnten mit der rasanten Entwicklung kaum Schritt halten.

Dopplungen vermeiden

„Wir sind unglaublich glücklich, so viele Fortschritte für die Patienten zu sehen, und die Wissenschaft entwickelt sich weiterhin rasant“, kommentiert Shalabi. Das Cancer Research Institute will die Ergebnisse seiner Erhebung in einem interaktiven Format online zur Verfügung stellen, damit die Forscher ihre Arbeit mit Hilfe der Daten weiter beschleunigen können. „Wir wollen die wissenschaftliche Gemeinschaft informieren und sie damit dabie unterstützen, schneller zu Lösungen zu kommen“, sagt Shalabi zu. Die Autoren gehen davon aus, dass es in der Forschung erhebliche Doppelungen gibt, die durch eine bessere Vernetzung der Forschungsinstitutionen vermieden werden könnten. Auch hierbei soll die Analyse helfen und so die Effizienz der Aktivitäten insgesamt erhöhen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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