Fentanyl in der Giftspritze 

Auch Nevada plant Hinrichtung mit unerprobter Mischung

Stuttgart - 05.09.2017, 09:00 Uhr

Die Giftspritze gilt als wichtigste Hinrichtungsmethode in den USA, aber
 den Behörden gehen die benötigten Substanzen aus. Sie erproben neue Mischungen. (Foto: blickwinkel / 
picture alliance)

Die Giftspritze gilt als wichtigste Hinrichtungsmethode in den USA, aber den Behörden gehen die benötigten Substanzen aus. Sie erproben neue Mischungen. (Foto: blickwinkel / picture alliance)


Verurteilte als Versuchkaninchen? 

Einige Experten zeigen sich US-Medien zufolge „verblüfft“ über die nun in Nevada vorgeschlagenen Wirkstoffe. Fentanyl einzusetzen, sei pure Ironie. So habe man mit Fentanyl auf der einen Seite eine Substanz, die auf Amerikas Straßen Hunderte Menschen umbringt. Auf der anderen Seite bekommen die Gefängnisse keine Substanzen für Hinrichtungen mehr und entschließen sich, genau diese Substanz für diesen Zweck einzusetzen. Das klinge wie ein Artikel einer Satireseite.

Andere hingegen sind wenig überrascht ob des Vorschlags. Fentanyl sei alleine tödlich, da es schwere Atemdepressionen verursachen kann. Wer das angesichts der vielen Drogentoten durch mit Fentanyl-versetztem Heroin nicht mitbekommen hätte, lebe hinter dem Mond.

Die American Civil Liberties Union des Staates Nevada kritisiert US-Medien zufolge den geplanten Einsatz dieser Mischung. Man könne den Verurteilten nicht als Versuchskaninchen einsetzen. 

Warum genau diese Mischung?

Warum man sich in Nevada genau für diese Mischung entschieden hat? Das „Marshall Project“, eine unabhängige Journalistenorganisation, die sich der Berichterstattung über den Strafvollzug verschrieben hat, zitiert dazu Experten. Diese sehen keinen ersichtlichen Grund, warum genau diese Kombination gewählt wurde. Es soll wohl versucht werden, mit Valium und Fentanyl das Erstickungsgefühl zu unterdrücken, erklärt ein Anästhesist, der bereits als Gutachter vor Gericht, wenn es um Hinrichtungsprotokolle ging, aufgetreten ist. So lindere Fentanyl Schmerzen und Diazepam Angst. Doch beide stießen irgendwann an Grenzen, und keines der beiden Arzneimittel sei dazu gedacht,Todesangst oder Todesschmerzen zu unterdrücken.

Andere halten den „Cocktail“ für human. So sagt ein organischer Chemiker, Diazepam ließe die Delinquenten einschlafen, so merkten sie den Wirkeintritt des Fentanyls nicht, und das Muskelrelaxans stoppe schließlich die Atmung durch Lähmung der Atemmuskulatur. Seiner Ansicht nach ist das eine humane Todesspritze. Und dass sie ihren Zweck erfüllt, ist er sich ohnehin sicher – vorausgesetzt, es werde ausreichend Fentanyl gegeben. Und ausreichend sei bei dieser Substanz nicht viel. 

Endgültige Entscheidung steht noch aus

Eine Mischung aus Hydromorphon und Midazolam, also ebenfalls ein Opioid und ein Benzodiazepin, die in Ermangelung anderer Substanzen angewendet worden war, war heftig in die Kritik geraten, weil die Todeskandidaten offenbar unter großen Schmerzen litten. Mittel der ersten Wahl wären Barbiturate, alternativ Propofol. Doch diese Substanzen werden nicht mehr an US-Gefängnisse geliefert.

Die Entscheidung, welche Mischung in Nevada zum Einsatz kommen soll und in welcher Reihenfolge die Wirkstoffe verabreicht werden sollen, ist wohl nicht abschließend geklärt. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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