Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Tilidin kann Marcumar-Wirkung verstärken

Stuttgart - 07.08.2017, 12:15 Uhr

Marcumar-Patientn müssen bei Beginn einer Tilidin-Therapie engmaschig überwacht werden. (Foto: picture alliance / JOKER)

Marcumar-Patientn müssen bei Beginn einer Tilidin-Therapie engmaschig überwacht werden. (Foto: picture alliance / JOKER)


Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft weist anhand eines Fallberichts auf eine mögliche Interaktion zwischen dem Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon (Marcumar) und dem Opioid-Analgetikum Tilidin, das immer in fixer Kombination mit Naloxon gegeben wird, hin. Offenbar kann es durch das Schmerzmittel zu einem Anstieg der INR-Werte kommen. 

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) beschreibt den Fall einer 78-jährigen Patientin, die wegen Vorhofflimmern mit Phenprocoumon behandelt wurde. Die multimorbide Frau erhielt zudem Arzneimittel gegen ihre arterielle Hypertonie,  gegen Diabetes mellitus Typ 2 und gegen ihre Depression – nämlich Bisoprolol, Indapamid, Perindopril, Metformin und Opipramol. Alle diese Arzneimitteln nahm sie ebenso wie Phenprocoumon schon seit längerer Zeit ein. Als sie wegen chronischer Schmerzen zusätzlich Tillidin/Naloxon verschrieben bekam, stieg ihre INR innerhalb von fünf Wochen von 2,2 (Quick 33 Prozent) auf 3,5 (Quick 18 Prozent). Die Gerinnungshemmung war also deutlich stärker als therapeutisch gewünscht. Der Zielbereich bei Vorhofflimmern ist eine INR von 2 bis 3. Nach einer weiteren Woche war der Wert dann bei 5 (Quick: 13 Prozent) – und das obwohl die Phenprocoumon-Dosis angepasst worden war. Nachdem das Schmerzmittel abgesetzt worden war, lag die INR kurz darauf bei 1,3 (Quick 69 Prozent). Von einem Blutungsereignis ist laut AkdÄ nichts bekannt.  

Zusammenhang ist wahrscheinlich

Da zeitgleich mit der Gabe des Analgetikums die INR stieg und sich nach dem Absetzen wieder normalisierte, hält es die AkdÄ für wahrscheinlich, dass es einen Zusammenhang zwischen der Veränderung der Gerinnungsparameter und gemeinsamen Gabe der beiden Arzneimittel gibt. 

In der Fachinformation von Valoron (Tilidin / Naloxon) heißt es, dass in Einzelfällen bei Marcumar-Patienten, die zusätzlich mit dem Analgetikum behandelt wurden, INR-Anstiege beobachtet werden. Deswegen empfiehlt der Hersteller, die INR engmaschig zu kontrollieren – und zwar, wenn mit der Gabe der Kombination begonnen wird und am Ende der Therapie. Auch im deutschen Spontanmeldesystem sind Fälle erfasst, in denen es zu vergleichbaren INR-Anstiegen kam. Diesen könnte ebenfalls eine Wechselwirkung zwischen Phenprocoumon und Tilidin/Naloxon zugrunde liegen, heißt es. Veröffentlichungen zu dieser Thematik gibt es aber offenbar bislang nicht. 


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Was steckt dahinter?

Auch in der ABDA-Datenbank findet sich ein Hinweis auf diese Interaktion, dort heißt es: „In Einzelfällen wurde bei Patienten unter Dauerantikoagulation mit Phenprocoumon innerhalb einiger Tage nach Beginn einer Behandlung mit der Fixkombination Tilidin/Naloxon ein Abfall des Quick-Wertes und damit eine erhöhte Blutungsbereitschaft beobachtet.“

Wie kommt es zu dieser Interaktion? In der ABDA-Datenbank heißt es, der Mechanismus sei nicht bekannt und ein ursächlicher Zusammenhang nicht gesichert. Die AkdÄ hält eine Inhibition von CYP3A4 durch Tilidin für denkbar – CYP3A4 ist maßgeblich am Abbau von Phenprocoumon beteiligt. In der Folge käme es also zu erhöhten Phenprocoumon-Spiegeln und somit zu einer stärkeren Gerinnungshemmung. Allerdings gelten weder Tilidin noch seine Metaboliten als starke Inhibitoren von CYP3A4. 

Patienten engmaschig überwachen

In der ABDA-Datenbank findet sich der zusätzliche Hinweis, dass für Naloxon oder Tilidin als Monopräparat bisher keine Wechselwirkung mit Vitamin-K-Antagonisten beschrieben wurde. Allerdings wird Tilidin alleine in Deutschland wegen des Missbrauchspotenzials nicht eingesetzt. Naloxon als Monosubstanz wird nur intravenös als Antidot bei ungewünschten zentralnervösen Opioidnebenwirkungen sowie zur Diagnose bei Verdacht auf akute Opioidüberdosierung oder -intoxikation eingesetzt.

In jedem Fall lautet die Empfehlung der AkdÄ, Marcumar-Patienten bei Komedikation mit Tilidin/Naloxon engmaschig zu überwachen – bei Beginn der Schmerztherapie, bei deren Beendigung und bei jeder Dosisänderung. Darüber haben die Hersteller in einem Rote-Hand-Brief informiert. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

wechselwirkung

von michael philipp am 14.11.2019 um 15:51 Uhr

hallo
muss eine tilidin therapie beginnen (50mg/4mg).
weiss jemand ob sich das mit efient und bisprolol verträgt?
danke mischa

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IA Tilidin/Naloxon Phenprocoumon

von Julia Borsch /DAZ.online am 08.08.2017 um 15:50 Uhr

Lieber Herr Barth,
da haben Sie völlig recht. das steht da schon einen ganze Weile. Die AKdÄ verweist ja auch auf die Fachinfo. Es geht wohl mehr darum, diese IA ins Gedächtnis zu rufen.
Grüße
Julia Borsch

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IA Tilidin/Naloxon Phenprocoumon

von Jürgen Barth am 08.08.2017 um 8:39 Uhr

Komisch, steht eigentlich seit min. 2013 in der FI - Zitat:
In Einzelfällen wurde bei Patienten, die Tilidin/Naloxon erhielten und unter Dauerbehandlung mit Phenprocoumon standen, ein Abfall des Quick-Wertes beobachtet. Deshalb
sollten die Kontrollen der Prothrombinzeit in der Anfangszeit und bei Beendigung der Behandlung mit Tilidin comp.-CT Lösung engmaschig erfolgen, um, wenn nötig, die Dosierung von Phenprocoumon entsprechend
anpassen zu können.
STAND DER INFORMATION
November 2013

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